Wahlen und Krieg in Afghanistan

Eskalation Made in Germany

Ende 2009 jährt sich der Beginn der jüngsten Runde von Krieg und Besatzung in Afghanistan zum achten Mal. Das Land ist weiter weg von Frieden, Demokratie und Wohlstand als noch zu Beginn der westlichen Invasion in das Land am Hindukusch Ende 2001. Die Wahlen am 20. August haben dem Land eine massive Zunahme an Gewalt gebracht, eine Zunahme an Demokratie wollen selbst die optimistischsten Beobachter nicht bestätigen. Gleichzeitig sind zwischenzeitlich beinahe hunderttausend ausländische Soldaten in Afghanistan stationiert.

Akzeptanz der Besatzung durch Wahlen?
Parallel zum Präsidentschaftswahlkampf fand in Afghanistan auch eine der nicht nur im Westen so beliebten Castingshows im Stil von "Ich kann Kanzler" statt. Im Gegensatz zu den realen Präsidentschaftswahlen stand bei dieser Show nicht von Anfang an fest, wer ohnehin chancenlos ist, und die Kandidaten (plus eine Kandidatin) mussten ihr Publikum tatsächlich mit Kompetenz und Engagement überzeugen. Die Zuschauer hatten tatsächlich eine "Wahl". Der Kontrast zwischen TV-Talentshow und Karsai-Wahlen führte den Inszenierungscharakter der letzteren überdeutlich vor Augen. Obwohl Hamid Karsai Gegenkandidaten hatte, war darunter außer seinem ehemaligen Außenminister Abdullah Abdullah kein aussichtsreicher Bewerber. Durch Drohungen und Versprechungen wurden alle anderen, die eine reale Chance gehabt hätten, Karsai herauszufordern, von einer Kandidatur abgehalten. Die Wahlen selbst wurden zwar abgehalten, aber es sind dabei so viele Unregelmäßigkeiten aufgetreten, dass weder von freien noch von fairen Wahlen die Rede sein konnte.

Die Wahlbeteiligung sank nicht nur wegen der steigenden Gewalt, sondern vor allem wegen der Enttäuschung über die Wahlfarce von über 70 Prozent vor fünf Jahren auf nun unter 40 Prozent. Eventuell lag die Wahlbeteiligung auch nur bei 30 Prozent; so genau weiß das niemand. Selbst die Zahl der "registrierten" WählerInnen schwankt zwischen 15 und 17 Millionen. Viele Wahlbeobachter verbrachten den Wahltag in Bunkern der Armee. Das hielt die EU-Wahlbeobachtungsmission jedoch nicht davon ab, die Wahl als "Erfolg" zu bezeichnen. 220 Millionen Dollar, überwiegend aus EU-Staaten, wurden in die Wahlen investiert. Nun kann die Bedeutung von Demokratie ganz sicher nicht daran fest gemacht werden, wie teuer sie ist, es stellt sich dennoch die Frage, ob hier nur ein Schauspiel finanziert wurde oder ob "Demokratie" auch mit Inhalt gefüllt wird. Die Elections Complaints Commission (ECC), die die Beschwerden über den Verlauf der Wahlen sammelte, ist jedenfalls sehr skeptisch, was die Fairness und Korrektheit des Wahlvorgangs angeht. Bei ihr gingen 35 Beschwerden ein, die als "oberste Priorität" kategorisiert wurden, 110 Beschwerden hatten so viel Substanz, dass sie als "Priorität" verbucht wurden und dazu kamen weitere 80 Beschwerden, wie diejenige, dass die angeblich nicht abwaschbare Tinte zur Markierung der WählerInnen, die ihre Stimme abgegeben hatten, sich ziemlich gut entfernen ließ. Wahlurnen wurden mit vorbereiteten Stimmzetteln aufgefüllt, Wahlausweise wurden zu Dutzenden auf den Märkten verkauft, Minderjährige haben abgestimmt und viele Männer warfen für (vorhandene oder erfundene) Frauen zahlreiche Wahlzettel in die Urnen. Unter solchen Bedingungen nicht von einer Farce zu reden, fällt sehr schwer.

Dass es nun doch trotz aller Manipulationen unklar ist, wer gewonnen hat, ist für die Besatzer vor allem ein Sicherheitsproblem, sie befürchten Ausschreitungen und weitere Gewaltwellen, wenn es im Oktober zu einem zweiten Wahlgang kommt. Sie drängen deswegen hinter den Kulissen massiv auf eine "Einigung" der beiden Rivalen über eine interne Machtverteilung. Für viele Afghanen ist die Frage, ob nun Abdullah oder Karsai gewinnen wird, lediglich die Frage, wer die neue "Marionette des Westens" sein wird. Insgesamt zeigt der Verlauf der Wahlen vor allem eines, dass Demokratie unter Bedingungen von Besatzung und Krieg nicht funktionieren kann.

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Mitglied im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung