Bestandsaufnahme

Friedensbewegung ist aktiv

von Monty Schädel

In Zeiten, in denen weltweit Kriege toben, die Bundeswehr wahlweise im Bündnis mit der OSZE, der Europäischen Union, der NATO oder auch ohne einschlägiges Mandat weltweit im Einsatz ist, der Waffenhandel ebenso wie der Menschenhandel blühen, die Eskalation zwischen den militärischen Großmächten EU / NATO einerseits und Russland andererseits weiter voranschreitet und auch im Innern der Bundesrepublik die Militarisierung der Gesellschaft zunimmt, gibt es auch für die Friedensbewegung ausreichend Betätigungsfelder. Auch wenn wir alle gern noch mehr Menschen zu den Ostermärschen auf der Straße gesehen hätten, so konnten wir mit dem Erreichten doch unter Beweis stellen, dass die Friedensbewegung in diesem Lande weiterhin das Ziel nicht aus den Augen verliert.

Die Themenvielfalt in den Aufrufen der regionalen Ostermärsche machten deutlich, dass die friedenspolitischen Schwerpunkte breit gefächert sind. Denn es gibt eben nicht den einzigen Weg zum Frieden, wenn es auch den einfachsten Weg gäbe, Kriege zu beenden: Wenn die SoldatInnen ihre Waffen auf den Müll werfen und nach Hause gehen und gesellschaftlich sinnvolle Dinge tun würden. Aber selbst für diesen einfachen Weg braucht es Vorbereitungen und Engagement, denn die Waffenindustrie und Militärs versuchen uns im Bündnis mit der Regierungspolitik verstärkt dafür zu begeistern, dass die Militarisierung der Gesellschaft ein Fortschritt für uns wäre.

Widerstand gegen die Militarisierung
Unter der schönen Vokabel „Attraktivitätsoffensive für die Bundeswehr“ werden nicht nur JugendoffizierInnen in die Schulen zur Rekrutierung geschickt, sondern wird der „Beruf des Soldaten“ als etwas Normales dargestellt. Nicht das erlernte Handwerk des Tötens steht im Vordergrund der öffentlichen Vermittlung, sondern dass SoldatInnen geregelte Arbeitszeiten haben, dass ihre Kinder in guten Kindergärten sind, dass sie ordentliches „Handwerkszeug“ haben, … Einer der öffentlichen Höhepunkte wird der in diesem Jahr erstmals begangene „Tag der Bundeswehr“ sein. Am 13. Juni wird es massenhaft offene Kasernen geben (vergl. www.facebook.com/tag.der.offenen.tuer/events). So wird die Gesellschaft an das Militär gewöhnt und fallen die SoldatInnen in den gemeinsamen Notfallstäben bei den Landkreisen oder in anderen ursprünglich zivilen Zusammenhängen gar nicht mehr auf. - Es sei denn, es gibt Widerstand dagegen.

An vielen Hochschulen gibt es trotz oder gerade wegen der schwierigen Lern- und Lehrbedingungen zunehmend Widerstand gegen den Einzug des Militärs und der Rüstungsindustrie. In der Zivilklauselbewegung (www.zivilklausel.de) gibt es Vernetzung und den Versuch, über die Gremien der Hochschulen, aber auch durch Aktionen und Öffentlichkeit dieser Entwicklung entgegen zu wirken. Dasselbe wollen die vielen Bündnisse gegen Militär in Schulen, z.B. in Berlin, Hamburg, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und anderen Regionen. Bei den Initiativen zum Aufbau einer Struktur für Friedensbildung und den z.T. intensiven Kontakten zur GEW und terre des hommes gibt es bereits einen umfangreichen Fundus an Ideen, Expertisen und Material (www.lernenfuerdenfrieden.de).

Weil diese Entwicklung nicht nur in der Bundesrepublik besteht, planen verschiedene Gruppen in der Bundesrepublik gemeinsam mit den War Resisters‘ International (WRI) für den Herbst 2015 eine Aktionswoche gegen Rekrutierung und Militarisierung.

Widerstand gegen Truppenübungsplätze
In Verbindung mit diesem Themenbereich steht der Widerstand gegen Militärübungsplätze, wo der Einsatz im bzw. für den Krieg mit all seinen Folgen trainiert wird. Hier den friedenspolitischen Protest anzusetzen, kann gar nicht verkehrt sein. Erfolgreich hat die Bewegung die Wiederinbetriebnahme der Kyritz-Ruppiner-Heide als Truppenübungsplatz verhindert, ohne dass der Erfolg schon vorher festgestanden hätte. Und so werden sich der Aktionskreis „Freie Senne“ der „Initiativen gegen den Krieg Paderborn“ über breite Unterstützung sicher ebenso freuen wie die „BI Offene Heide“ in der Altmark. In der Altmark wird es dieses Jahr wieder ein Aktionscamp geben, bei dem darauf aufmerksam gemacht werden wird „Hier beginnt der Krieg – Stoppen wir ihn hier!“ (Termin: 25.07.-03-08.2015).

Dass dieser Ort auch Ansatzpunkt für diejenigen sein kann, die sich vor allem gegen die Waffenproduktion in und den Waffenhandel aus Deutschland engagieren, wird deutlich, wenn man sich anschaut, dass das Gelände des „Gefechtsübungszentrums (GÜZ)“ dem Rüstungskonzern Rheinmetall gehört, der es an die Bundeswehr vermietet.

Widerstand gegen Rüstungsproduktion und -export
Auch hier kann die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ (www.aufschrei-waffenhandel.de) ihre Expertise einbringen und es können sich unterschiedliche friedenspolitische Wirkungsansätze verbinden. Das Thema Rüstungsproduktion und Rüstungsexporte konnte in den vergangenen Jahren eine zunehmende öffentliche Aufmerksamkeit erlangen. Nicht unwesentlich dazu beigetragen hat die Kampagne „Aufschrei“ mit ihren etwa 150 unterstützenden Gruppen im gesamten Land. Um die erstrittene Aufmerksamkeit auch für nachhaltige Erfolge zu nutzen, werden  weiterhin Aktivitäten zu dem Thema stattfinden. Eine Planungskonferenz findet am 9. und 10. Mai 2015 statt. Die bisherige Kombination dezentral organisierter, auf den Ort bzw. die Region zugeschnittener Detailthemen (Rüstungskonzerne, Standorte, Waffenarten, Empfängerländer, Aktionärsversammlungen, LobbyistInnentreffen) mit der bundesweiten Kampagne ist dabei fast ein Garant für Öffentlichkeit der Aktion. (Siehe auch www.ruestungsexport-info.de/ und www.leo-kette.de). Dass die von der Bundeswehr „produzierten“ Skandale angeblich unbrauchbarer und/oder veralteter Waffen(systeme) viel mehr eine Strategie zur Erhöhung des Rüstungshaushaltes ist, sollte in der Friedensbewegung allgemein bekannt sein.

Widerstand gegen Drohnen
Nicht zuletzt das monatelange Versteckspiel der Kriegsministerin um die Anschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr machte deutlich, dass es lediglich um Strategie und Taktik gegenüber der Öffentlichkeit, der parlamentarischen Opposition, aber auch den Waffenherstellern ging. Jetzt soll es also die Drohne geben. Die Hausforderung für die „Drohnen-Kampagne gegen die Etablierung von Drohnentechnologie für Krieg, Überwachung und Unterdrückung“ ist riesig. Gerade weil sich die Kampagne auf einem Treffen Ende März wieder neu organisiert, gibt es sicher viele Einstiegsmöglichkeiten für weitere Aktive (siehe www.drohnenkampagne.de). Die Personaldecke ist zwar bisher relativ dünn gewesen, aber das muss ja nicht so bleiben.

Widerstand gegen die NATO
Dass die Drohneneinsätze der US-Streitkräfte auch aus der Bundesrepublik befehligt und geführt werden, bietet Verbindungsmöglichkeit zu den Aktiven, die ihren Wirkungsschwerpunkt eher als Forderung nach dem Austritt der Bundesrepublik aus der NATO bzw. der Auflösung der NATO formulieren. An den einzelnen Standorten, wie z.B. in Kalkar, Kaiserslautern, Stuttgart, Büchel usw. finden die NATO-Kriege zwar nur an Computern und anderer Technik statt, sind die SoldatInnen stationiert und werden für den Einsatz vorbereitet, doch die Verantwortung für die Zerstörung und die Toten weltweit liegt trotzdem hier in der Bundesrepublik. Und so wirkt dann auch das internationale Bündnis „No to war – No to Nato“ (www.no-to-nato.org) entsprechend mit Partnern hier in der Bundesrepublik und weit darüber hinaus. Für den 16. Mai 2015 lädt das Bündnis zu einer Konferenz nach Bonn ein, um die Herausforderungen für Friedenspolitik und Friedensbewegung nach 60 Jahren Bundesrepublik in der NATO zu diskutieren.

Widerstand gegen Atomwaffen
Immer noch meinen Militärs, mit den geächteten Atomwaffen die Menschheit bedrohen zu müssen, um sich einen Vorteil im Machtpoker zu verschaffen. Die Kampagne „atomwaffenfrei.JETZT“ (www.atomwaffenfrei.de) fordert nicht nur den Abzug der in Büchel lagernden Atomwaffen, sondern die Vernichtung dieser Waffen weltweit. Durch die Beschlüsse der Atommächte in den letzten Jahren, ihre Atomwaffen nicht abzuschaffen, sondern zu modernisieren, ist die Gefahr eines die Menschheit insgesamt vernichtenden Atomkrieges wieder gestiegen. So ist die zurzeit laufende 65-Tage-Blockade der Kaserne Büchel durch wechselnde Gruppen und Initiativen eine glänzende Idee, die Öffentlichkeit auf die strahlende Gefahr hinzuweisen (www.buechel-atomwaffenfrei.de/buechel65/). Zum 70. Jahrestag der ersten Atombombenabwürfe im August werden dann weitere Aktivitäten mit Unterstützung von RadfahrerInnen aus Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen in Büchel stattfinden. Radfahren „Für eine Welt ohne Atomwaffen“ wird z.B. eine Gruppe von Aktiven von Stuttgart nach Berlin vom 02.-04. Juli (www.dfg-vk.de).

Widerstand in Berlin
Dass die Menschen auf der Welt aktuell von einer Vielzahl von Kriegen und kriegerischen Konflikten betroffen sind, ist hier nicht weiter darzustellen. Erwähnt werden soll jedoch, dass Aktive der Friedenskoordination Berlin regelmäßig zu jeden Entscheidungen des Bundestages über den Einsatz oder die Verlängerung von Bundeswehreinsätzen mit Protest vor dem deutschen Parlament stehen. Diese Anlässe, die Abstimmung über Militäreinsätze und damit die Bankrotterklärung für zivilisiertes Handeln durch die Bundesrepublik bei der Bearbeitung von Konflikten sollten nicht nur in Berlin, sondern bundesweit Aktivitäten der Antikriegs- und Friedensbewegung hervorrufen.

Zusammenarbeit in der Friedensbewegung
Entscheidend für den Erfolg der verschiedenen Bemühungen der Friedensbewegung wird es sein, ob sich die jeweiligen Aktiven, Initiativen und Kampagnen miteinander abstimmen, aufeinander beziehen oder mindestens voneinander wissen und sich gegenseitig informieren. Dabei wird es immer auch auf jede/n Einzelne/n ankommen, sich auf die anderen zuzubewegen und zu akzeptieren, dass ihr Engagement für den Frieden und gegen den Krieg nicht weniger bedeutend ist als die eigene Aktivität. Punkte, an denen diese verschiedenen Ansätze zusammenlaufen können, sind Anfang Juni der Evangelische Kirchentag in Stuttgart und die verschiedenen Proteste zum Gipfel der G7 im bayrischen Elmau. Bei beiden Terminen gibt es Vorbereitungen und Ansatzpunkte für fast alle Themenbereiche der Antikriegs- und Friedensbewegung. Nutzen wir sie, um weitere Aktive zu gewinnen und unsere Ziele gegen die Militarisierung und die Kriegsgewöhnung in die Öffentlichkeit zu tragen.

Um die lähmende Diskussion in der Friedensbewegung darüber, mit wem wir nichts gemein haben und mit wem die Friedensbewegung nicht auf die Straße geht, werden wir nur dann herum kommen, wenn im Handeln und im Wort klar ist: Rechts ist die Tür zu.

So werden der 1. und der 8. Mai sowie der 1. September im Jahr 2015 auch für die Friedensbewegung Termine sein, die Straße nicht NationalistInnen und RassistInnen zu überlassen und deutlich zu machen, dass unser Handeln auf der Grundlage der umfassenden Ablehnung von Gewalt, Krieg, Militär und Faschismus erfolgt.

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