Projekt der politischen Machtzentren in Paris und Berlin.

Future Combat Air System

Im Blickpunkt
Im Blickpunkt
( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Nach monatelangem teils ruppigem Gerangel gab der Haushaltsausschuss am 23. Juni die Gelder für die nächste Projektphase des „Future Combat Air System“ (FCAS) frei. Dabei handelt es sich um ein von Frankreich und Deutschland (mit Spanien als Juniorpartner) entwickeltes Kampfflugzeug mitsamt bewaffneten und unbewaffneten Drohnen, das derzeit als wichtigstes europäisches Rüstungsprojekt gilt.

Zuvor gab es einigen Gegenwind, weshalb der Ingolstädter CSU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl, in dessen Wahlkreis große Teile des deutschen Anteils gefertigt werden sollen, kurz nach der Abstimmung hörbar erleichtert betonte: „FCAS ist nicht eines unter vielen Rüstungsvorhaben der Bundeswehr. Es ist das strategische Projekt in Europa zur langfristigen Sicherung unserer Souveränität im Bereich der militärischen Luftfahrt. […] An diesem Projekt wird sich entscheiden, ob wir in Europa langfristig noch Kampfflugzeuge selbst bauen oder uns in eine vollständige Abhängigkeit von den USA begeben."(1)

Mit der Auslieferung wird allerdings nicht vor 2040 gerechnet, die Schätzungen über die gesamten Entwicklungskosten belaufen sich meist auf €100 Mrd. Beantragt wurde nun zunächst einmal ein deutscher Anteil von knapp €4,5 Mrd. (von insgesamt €13 Mrd.) für die Projektphasen 1B und 2 bis zur Fertigstellung eines Prototyps, die auf 2027 terminiert sind. Obwohl es in der SPD zuvor arg rumort hatte, standen die Genoss*innen bei der Abstimmung schlussendlich stramm an der Seite der Union. Sie schreiben sich zwar auf die Fahnen, „klare Bedingungen“ formuliert zu haben, mit denen den vielen Kritikpunkten Rechnung getragen worden sei, aber damit ist es nicht allzu weit her. (2) Die wohl gravierendste Einschränkung dürfte darin bestehen, dass die beantragten €4,5 Mrd. nun noch deutlicher in zwei Margen aufgeteilt wurden (Phase 1b für rund €2 Mrd. und Phase 2 für etwa €2,5 Mrd.). Ursprünglich hätten die Gelder für Phase 2 automatisch freigegeben werden sollen, sobald diverse in Phase 1B erarbeitete „Qualitätskriterien“ erfüllt worden wären, nun ist eine erneute Zustimmung des Haushaltsausschusses erforderlich.

Das ist allerdings nur ein schwacher Trost, denn das Luftkampfsystem ist aus einer Reihe von Gründen hochproblematisch: Es bedeutet zum Beispiel einen weiteren Schritt Richtung kampfdrohnenunterstützter KI-Kriegführung – wie die Sozialdemokraten dies mit ihrer Position vereinbaren können, es gäbe in der Frage der Drohnenbewaffnung weiter Diskussionsbedarf, bleibt ihr Geheimnis. Ein weiterer bis heute umstrittener Aspekt besteht in den heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden „Partnern“ um den Anteil am FCAS-Kuchen. Der Knackpunkt hierzulande ist die Sorge, dass Frankreich bzw. Dassault durch die Führung beim FCAS-Filetstück, dem Kampfflugzeug, das dabei entwickelte Know-How monopolisieren könnte. Öffentlichkeitswirksam wurde in diesem Zusammenhang der Airbus-Betriebsrat mit einer Erklärung Mitte Februar 2021 nach vorne geschickt, die in den deutschen Medien breite Beachtung fand: „Dreh- und Angelpunkt des FCAS ist ein neues europäisches Kampfflugzeug (‚New Generation Fighter‘), das als Nachfolger des Eurofighter und der französischen Rafale vorgesehen ist. Derzeit ist nur ein Demonstrator geplant, der bei Dassault in Frankreich auf Rafale-Basis entwickelt und gebaut werden soll. Damit würde die Luftfahrtindustrie inklusive der Zulieferbetriebe in Deutschland kurzfristig ins Abseits gestellt, langfristig wäre dies wohl das Aus der Branche in unserem Land.“ (3)

Obwohl das Verteidigungsministerium Mitte Mai Ankervon einer Einigung berichtete, drang Anfang Juni ein internes Bundeswehr-Papier an die Öffentlichkeit, von dem es bei n-tv AnkerAnkerhieß: „In einer geheimen Stellungnahme für das Verteidigungsministerium kommen Experten des Koblenzer Beschaffungsamts der Bundeswehr zu dem Schluss, dass der [FCAS-]Vertrag mit Frankreich und Spanien ‚aus technisch-wirtschaftlicher Sicht nachverhandelt werden muss‘, wie das Nachrichtenmagazin berichtet. In seiner jetzigen Form halten die Experten den Vertrag für ‚nicht zeichnungsreif‘. […] Nach Auffassung der Experten werden mit dem Vertrag ‚Strukturen und Regeln‘ fortgeschrieben, die ‚nicht im deutschen Interesse sind und nahezu ausschließlich französischen Positionen genügen‘, zitiert der ‚Spiegel‘ weiter aus dem Bericht. Damit sei die ‚französische Dominanz im Programm sehr stark verankert‘.“ (4)

Diese vernichtende Einschätzung dürfte wohl auch der Grund gewesen sein, weshalb die Abgeordneten faktisch die Katze im Sack kaufen sollten. So kritisierte der Bundesrechnungshof, dass zum Zeitpunkt der Abstimmung „weder die Konzeptstudie noch die Phase 1A bisher beendet werden konnten und abschließende Ergebnisse insofern nicht vorliegen.“ Ferner könnten die Abgeordneten überhaupt nicht wissen, über was sie abstimmen würden, schließlich konnte „dem Parlament noch kein endverhandeltes Vertragswerk vorgelegt werden“. Deshalb schlussfolgerte der Rechnungshof, das Projekt sei „mit sehr großen Risiken behaftet“. (5)

Verteidigungshaushalt für FCAS erhöht
Schon jetzt sind die Kosten bis zur Fertigstellung eines Prototyps von ursprünglich €9 Mrd. auf €13 Mrd. happig angestiegen, angesichts der angesprochenen Risiken sollte man sich an solche Meldungen wohl gewöhnen. Apropos Geld: Ein weiterer und bei weitem nicht der kleinste Skandal im Kontext der FCAS-Abstimmung bestand im Milliardenpoker von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie legte nämlich den FCAS-Antrag mit dem Verweis zur Abstimmung vor, es sei dafür im Verteidigungshaushalt kein Geld vorhanden – die Botschaft: Wenn die Politik das Flugzeug unbedingt möchte, soll sie die Gelder dafür zusätzlich locker machen, andernfalls versenken wir das Projekt. Das saß augenscheinlich, denn am selben Tag wie die Abstimmung über das FCAS wurde auch der Entwurf des Bundeshaushalts 2022 und die Finanzplanung für die Jahre bis 2025 vom Kabinett beschlossen. Darin wurde der Verteidigungshaushalt gegenüber dem Eckwerte-Papier aus dem März um insgesamt €4 Mrd. erhöht, um das FCAS (und andere Rüstungsprojekte) zu finanzieren – für 2022 sind jetzt 50,33 Mrd. (statt €49,30 Mrd.) vorgesehen. Allein deshalb ist die Zustimmung der Abgeordneten ein Armutszeugnis, weil sie der Erpressung der Verteidigungsministerin nachgegeben haben. Als „gutes Ergebnis“ kommentierte Kramp-Karrenbauer denn auch das Resultat der Auseinandersetzungen. Und tatsächlich hat sie hoch gepokert und Milliarden gewonnen.

Trotz einer durchaus erfolgreichen vom Netzwerk Friedenskooperative initiierten FCAS-Kampagne,  war das Projekt schlussendlich wohl tatsächlich „Too Big to Fail”, wie die Regierungsberater der Stiftung Wissenschaft und Politik bereits vor einiger Zeit feststellten. (6) Womit das zusammenhing, wurde kürzlich unter anderem in der Internationalen Politik, dem Zentralorgan des außenpolitischen Establishments im Lande, erläutert: „Strategisch gesehen wird das Luftkampfsystem der Zukunft der Testfall schlechthin für eine europäische Sicherheitspolitik sein. […] Der Druck auf die deutsche Regierung also ist immens, denn in diesem Sommer tritt FCAS in die entscheidende Planungsphase. […] FCAS war von Beginn an eher ein politisches, denn ein militärisches Konzept, und vielleicht liegt darin ein Geburtsfehler. […] FCAS ist keine freiwillige Industriekooperation, sondern ein Projekt der politischen Machtzentren in Paris und Berlin.“ (7)

Anmerkungen
1 https://www.donaukurier.de/nachrichten/wirtschaft/lokalewirtschaft/Europ...

2 https://www.spdfraktion.de/presse/statements/haushaltsmittel-fcas-nur-be...

3 https://augengeradeaus.net/2021/02/dokumentation-fcas-und-der-deutsche-b...

4 https://www.n-tv.de/politik/Bundeswehr-Kampfjet-Deal-nicht-zeichnungsrei...

5 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/kampfjet-fcas-streit-100.html

6 https://www.swp-berlin.org/publications/products/aktuell/2020A98_FCAS-Pr...

7 https://internationalepolitik.de/de/die-wunderwaffe

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