Die Idee und ihre Umsetzung im 20. Jahrhundert

Gewaltfreies Intervenieren in Krieg und Gewalt

von Barbara MüllerChristian Büttner
Hintergrund
Hintergrund

Der Aufsatz umfasst die beiden Kurzvorträge von Barbara Müller und Christian Büttner in den Projektgruppen während der Europäischen Sommerakademie der Akademie der Künste in Berlin. Während Christian Büttner die Konzepte der Friedensbrigaden in seiner Diplomarbeit eingehender untersucht hat, stellen die Überlegungen zur Idee des ge­waltfreien Intervenierens noch keine endgültigen Forschungsergebnisse dar. Vielmehr wurden die bereits bekannten Erfahrungen mit gewaltfreien Interventionen in eskalierte Konfliktsituationen überblicksartig zusammengestellt. Die Frage, ob ein gewaltfreies Intervenieren in gewaltförmige Konflikte möglich ist, wird im 20. Jahrhundert, so zeigte sich, nicht erst im letzten Jahrzehnt gestellt; es handelt sich vielmehr um eine lange vernachlässigte Geschichte. Außerdem konnte über die Jahrzehnte ein interessanter und erfolgreicher Lernprozess bei den Akti­ven festgestellt werden. Im Folgenden wird von der Herausforderung - der Idee des gewaltfreien Intervenierens - und von diesem Lernprozess die Rede sein.

Eine Idee und eine Enttäuschung

Der Krieg zwischen Japan und China zu Beginn der 30er Jahre war der Anlass zu einem ungewöhnlichen Aufruf britischer FriedensaktivistInnen. Mit einem Zeitungsaufruf suchten sie Freiwillige und boten dem Völkerbund an, diese unbe waffneten "shock troops of peace", zwischen die Fronten zu stellen. Trotz einer unglaublichen Resonanz - binnen weniger Tage meldeten sich rd. 800 Freiwillige - kam die Unternehmung nicht zustande. Die staatlichen Institutionen in Großbritannien und der Völkerbund reagierten jedoch nicht; die InitiatorInnen ihrerseits sahen sich nicht imstande, ihr Unternehmen selber zu organisieren; die Situation im Kriegsgebiet änderte sich, und so blieb es bei diesem Appell. Dessen Geist war geprägt durch die Auseinandersetzung mit der Politik Gandhis und den Glauben an die Macht des Gewissens. Vielleicht, so resümierte eine der AkteurInnen später, hätten sie allein gehen sollen. Vielleicht hätten drei Pazifisten, die, durchdrungen vom Geiste Gandhis, den Tod gefunden hätten, ein Wunder bewirken können. Und blieb auch die Tat aus, so war die Herausforderung offen gestellt: Wie, wann und unter welchen Voraussetzungen ist eine gewaltfreie Intervention selbst im Krieg möglich?

Gandhi und Maude Royden standen im Gedankenaustausch hierüber. Von Gandhi stammt das Bild einer "Living Wall" von unbewaffneten VerteidigerInnen, die sich vor die Angreifer stellen würden. Gandhi wiederum hatte die Idee einer ausgebildeten Garde von Freiwilligen, einer "Friedensbrigade", die in lokalen Konflikten Frieden stiften sollte. Der Anlass dafür waren blutige Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Jahre 1938. Bei seinem Engagement ab 1946 in Unruhregebieten praktizierte er viele der Aktionsformen, die die Shanti Sena - und gewaltfreie Friedensbrigaden insgesamt - später anwenden würden: Märsche, um Frieden zu stiften, Wohnen bei bedrohten Personen, Zusammenleben mit verfolgten Gruppen, Gespräche, Zusammenführung verschiedener Religionen und humanitäre Hilfe.
In der Shanti Sena entstand Gandhis Vision der Friedensbrigade tatsächlich. Vinoba Bhave, ein enger Mitarbeiter Gandhis, gründete 1957 eine entsprechende Organisation, die in kommunalen Unruhen, in regionalen Konflikten und mit humanitärer Hilfe eingriffe. Würde damit auch die Vision sicher füllen, daß ein Land auf eine bewaffnete Armee verzichten könnte?

Während des Grenzkrieges zwischen Indien und China 1962 bestanden in der Shanti Sena über genau der Frage, ob und wie die Organisation gewaltfrei in diesem Konflikt intervenieren sollte; unterschiedliche Vorstellungen und ein Einsatz fand nicht statt. Aber statt zum Kern einer "gewaltfreien Armee" zu werden, schlichtete die Shanti Sena bis in die 70er Jahre erfolgreich kommunale Unruhen, engagierte sich im Widerstand gegen Indira Gandhi und konnte nach der Verhängung des Ausnahmezustands 1975 kaum mehr weiterarbeiten.

Vom Vorteil, manchmal kleine Brötchen zu backen

Nach dem Zweiten Weltkrieg verbanden sich indische Erfahrungen und amerikanisch/ europäische Ideen zur gewaltfreien Intervention: Es entstand die World Peace Brigade als erster internationaler Versuch einer Friedensbrigade. 1962 gründeten Friedensaktivistinnen die Brigade in Beirut und gaben ihr hochgesteckte Aufgaben mit: Sie sollte eingreifen gegen Krieg und fortgesetztes Wettrüsten, die Weltrevolution mit gewaltfreien Widerstandsmethoden vor antreiben und den gewaltlosen Kampf für Selbstbestimmung unterstützen. Für die Handvoll Leute, die jeweils in ihren nationalen und internationalen Organisationen eingebunden waren, folgte ein harter Fall in der Praxis. Nach drei Aktionen schlief die Arbeit ein. Doch im Umfeld der World Peace Brigade sammelten einzelne Personen wichtige Erfahrungen für die Zukunft, indem sie sich aktiv bei der Schlichtung, Vermittlung und Intervention von Konflikten beteiligten. Die wegweisenden Erfahrungen waren wurden im Nagalandge macht, als es gelang, einen Waffenstill stand zu vermitteln, ihn über mehrere Jahre zu stabilisieren (1964-1972) und darüber hinaus einen Friedensprozess in Gang zu bringen, so daß der Konflikt nach der schließlichen Aufkündigung des Waffenstillstands nachhaltig deeskaliert blieb. Ein weiteres Projekt wurde in Zypern angegangen. Dort begannen nach vielen Gesprächen mit Verantwortlichen auf beiden Seiten, der griechisch- und türkisch-zypriotischen, Teams von Freiwilligen, in den für das Projekt vorgesehenen Dörfern ein Klima vorzubereiten, das die Rückkehr von Vertriebenen ermöglichen sollte. Mitten in diese Arbeit platzte der Putsch in Zypern und die nachfolgende türkische Invasion, die das Projekt beendete. Seine Wirkung zeigte es darin, daß zwischen den Bevölkerungsgruppen so viel gegen seitiger Respekt entstanden war, daß es zu keinen Übergriffen kam, sondern sich die Nachbarn vielmehr gegenseitig nach Kräften schützen.

Aktive aus der Friedensbewegung, die z.T. schon bei der World Peace Brigade, den Shanti Sena oder einem der beiden genannten Projekte mitgearbeitet hatten, wagten 1981 einen organisatorischen Neuanfang. In Grindstone in Kanada entstanden die Internationalen Friedensbrigaden: Peace Brigades International. Obwohl auch hier noch zu hohe Erwartungen an die eigenen Hand lungsmöglichkeiten gestellt wurden, gelang es aber doch, eine stabile Organisationsform zu entwickeln und die selbstgesteckten Ziele realistischer als bisher zu benennen. Als unabhängige, unparteiliche Dritte Partei wollten die PBI in Konflikten eingreifen, sofern sie von einer Konfliktpartei gerufen würden. Mit dieser Selbstbegrenzung ihres Mandates ließen sie den Konfliktparteien die Verantwortung zur Lösung der Probleme und konzentrierten ihren An teil darauf, bedrohten und gefährdeten Personen durch ihre Anwesenheit und Aktivität den Schutz- und Freiraum zu verschaffen, damit diese ihre Arbeit fortsetzen konnten.

Die Internationalen Friedensbrigaden entwickelten einen wirksamen Menschenrechtsschutz von Personen und kleineren Kollektiven. Dazu ausführlich Büttner:

"Seit ihrer Gründung 1981 haben die Peace Brigades International eine Reihe von Arbeits- und Handlungsformen für ihre Einsätze entwickelt. Die bekannteste Einsatzform ist die Begleitung von Personen oder die Präsenz in Organisationsbüros, bei politischen Aktionen, bei Festnahmen durch die Polizei und bei Prozessen. Eine andere Arbeitsweise ist die Durchführung regelmäßiger nationaler und internationaler Delegationen in die Projektländer, mit dem Ziel, Informationen über den Konfliktverlauf zu erhalten. Ein weiteres Ziel ist damit sowohl im Land, als auch international, Öffentlichkeit zu schaffen. Das Mandat, das sich die Peace Brigades International 1992 gegeben haben, sieht als weitere Möglichkeit die Vermittlung zwischen den Konfliktparteien und die Sammlung und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen vor. Peace Brigades International bietet den Konfliktparteien auch Trainings und Seminare zum Thema "Gewaltfreie Aktion", "Konfliktbearbeitung" und "Menschenrechte" an. Dies wird allerdings dadurch eingeschränkt, daß den Teammitgliedern oft die Kompetenzen für Seminare fehlen. Ein weiteres Ar­beitsfeld ist die Präsenz bei der Rückführung von Flüchtlingen oder Vertriebenen (Refugees, Displaced Persons). Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Peace Brigades International ist das Emergency Response Network (ERN) mit weltweit mehreren tausend Mitgliedern, die innerhalb kurzer Zeit bereit sind, bei Bedrohungen oder Verhaftungen von Teammitgliedern oder deren Klienten mit Briefen, FAXen, Telefonaten und Telegrammen zu protestieren, ähnlich wie es Amnesty International für Gefangene oder Verschwundene in "Urgent Actions" tut.

Peace Brigades International wird nicht direkt zwischen den Konflikt- oder Kriegsparteien aktiv. Sie nehmen eine Beobachterrolle als Dritte Partei in dem Bürgerkriegsland bei Androhungen von Menschenrechtsverletzungen ein. Für die Begleitung Bedrohter gab es Vorbilder, z.B. in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung oder die Präsenz von Journalisten und/oder Einzelpersonen bei einzelnen Anlässen im Zusammen hang mit meist prominenten Persönlichkeiten. Peace Brigades International hat dies weiterentwickelt und ist entsprechend der Bedrohungslage und der eigenen Ressourcen dauerhaft präsent".

Diese Entwicklung läßt sich am Guatemalaprojekt gut aufzeigen. "Zuerst stellte Peace Brigades International interessierten Personen die eigenen Räume zur Verfügung. 1985 gründeten die Nutzer die Organisation "GAM", die Organisation der Verwandten von Verschwundenen, die erste Menschenrechtsorganisation. Als mehrere Mitglieder der GAM ermordet wurden, begann Peace Brigades International, die bedrohten Mitglieder rund um die Uhr zu begleiten.

Die Bedrohten, die die Präsenz oder Begleitung von Peace Brigades International nützen, sind sehr unterschiedlich: Journalisten, Gewerkschafter, Menschenrechtsaktivisten, Vertreter von Minderheiten, Flüchtlingskomitees, Repräsentanten religiöser Vereinigungen oder andere zivile Vereinigungen und Nichtregierungsorganisationen.

Die Begleitung oder Präsenz ist unter schiedlich und hängt von der Entwicklung des Konflikts ab. Sie kann 24 Stunden dauern oder nur bei öffentlichen Anlässen stattfinden. Oft sind es regelmäßige Besuche, z.B. einmal in der Woche. 

Wie unterschiedlich die Aufgaben sind, schildern zwei Fälle in Sri Lanka. Einmal begleitete das Team einen Tamilen, der entführt und gefoltert worden war. Er führte einen Prozess vor dem Obersten Gerichtshof von Sri Lanka, der großes Aufsehen erregte. Zwei internationale und eine einheimische Menschenrechtsorganisation betreuten ihn. Amnesty International (AI), die von dem Fall erfahren hatten, benachrichtigten Peace Brigades International mit der Bitte, ihn aufzusuchen und mehr Informationen über seinen Fall zu sammeln. Peace Brigades International und eine Menschenrechtsorganisation aus Sri Lanka trafen den Tamilen. Nachdem Peace Brigades International geprüft hatte, ob sein Fall mit dem eigenen Mandat vereinbar war, begleiteten sie, während AI den Fall veröffentlichte und wegen der akuten Bedrohungsgefahr eine "Urgent Action" startete. Peace Brigades International war daran beteiligt, daß der Tamile Sri Lanka regulär verlassen und ins Exil gehen konnte. 

Im anderen Fall arbeitete Peace Brigades International für eine NRO, das "Center for Conscientatisation". Das Center ist eine NRO, die unterdrückten Gruppierungen und Personen Hilfestellung und Beratung bei ihrer sozialen und politischen Arbeit gibt, z.B. den sich im Aufbau befindlichen Gewerkschaften und ihren Vertretungen. Peace Brigades International vereinbarte mit dem Zentrum eine den Bedürfnissen entsprechende Präsenz, u.a. im Organisationsbüro, bei politischen Aktionen oder die Begleitung einzelner Mitglieder. Diese Präsenz von Peace Brigades International führte auch dazu, daß der im Exil lebende Gründer der NRO nach Sri Lanka zurückkehrte und seine politische Arbeit fortsetzte. 

Peace Brigades International hält zu allen Beteiligten des Konflikts Kontakt. Dazu gehören regelmäßige Informationen an die Konfliktparteien und zu den Botschaften einflussreicher oder interessierter Länder. Dies gibt dem Team und den Bedrohten Schutz. Peace Brigades International bedient sich dabei der internationalen Abhängigkeitsstrukturen. Dieser Mechanismus bedeutet eine Steigerung der "Kosten" für eine, meist die staatliche Konfliktpartei, weil sie international unter Druck gerät. Peace Brigades International kann damit in einem Staat oder einer Gesellschaft, der oder die durch die Androhung von Gewalt gekennzeichnet ist, für die Organisationen einen Raum schaffen, in dem sie wirken können. Deeskalierend wirkt auch die Beobachtung und Präsenz bei politischen Aktionen.

Der konkrete Nachweis der Effektivität nur schwer zu führen ist, da weder Peace Brigades International noch die Bedrohten wissen, was passiert wäre, wenn Peace Brigades International nicht an wesend gewesen wäre. Die Menschen betonen die ermutigende Wirkung der Anwesenheit von Peace Brigades International. Durch die Todesdrohungen werden sie "in lebende Tote verwandelt" und können nur sehr schwer die Angst überwinden, um mit anderen für ihre Rechte einzutreten. Die Anwesenheit eines internationalen Teams hilft bei der Überwindung dieser Angst. 

Eine andere Art von internationaler Öffentlichkeit wird durch das ERN hergestellt. Es wird in Notfällen aktiviert, wenn akute Bedrohungen oder Gefahr für den Klienten oder das Team vorhanden ist. Ein Beispiel für die Wirkung des ERN war die Verhaftung eines Teammitgliedes in El Salvador. Phil Pardhi begleitete zwei Klienten, die seit einigen Wochen Todesdrohungen erhalten hatten. Alle drei wurden von der Nationalpolizei willkürlich verhaftet. Sie kamen frei, nachdem Präsident Christinie und die Botschaft von vielen Personen angeschrieben und antelefoniert wurden. Solche Bedrohungen sind eher die Ausnahme. Weitere Beispiele für den Einsatz des ERN waren Bombenanschläge auf Büros von Organisationen, die Peace Brigades International betreute, und Verhaftungsaktionen während der Beobachtung von Landbesetzungen.

Die Arbeit von Peace Brigades International hat einen friedenssichernden Aspekt. Sie stehen nicht zwischen den Fronten der Bürgerkriegsparteien, sondern an der inneren Front zwischen den Kräften, die den Krieg fortsetzen wollen und denen, die ihn beenden wollen. Darin eine Antwort kann man eine auf das von Galtung formulierte Problem sehen, daß Friedenssicherung (peacekeeping) in zwischenstaatlichen Konflikten, bzw. asymmetrischen, innerstaatlichen Konflikten den Status Quo stabilisiert. Galtung fordert daher, daß auch strukturelle Gewalt begrenzt werden muß. Friedenssicherung durch Peace Brigades International ermöglicht der schwächeren Partei die Nutzung eines politischen Raumes, geschützt durch einen "Wall" der Begleiter. 

Ein direkter Einfluss auf staatliches Handeln ist schwer festzustellen. Die Schaffung eines Raumes ermöglicht es sozialen und politischen Bewegungen, Einfluss zu nehmen und eine gesellschaftliche Auseinandersetzung über die bisherige Strategie gegenüber der gegnerischen Konfliktpartei zu entwickeln. 

Probleme mit und in den Projekten und Projektteams beschreibt Almut Wadle in ihrem aktuellen Bericht über ein Jahr Teamarbeit in Sri Lanka: Trotz der dauernden Absprachen mit den Klienten entsteht Leerlauf bei der Betreuung, be sonders in Zusammenhang mit Veränderungen des Konflikts im Land. Die große Fluktuation und der damit verbundene fehlende Erfahrungstransfer behindert und vermehrt die Arbeit, da immer wieder die gleichen Informationen weitergegeben und Vernetzungstreffen stattfinden müssen. Der große Durchlauf führt zur abnehmenden Bereitschaft, die Arbeit im Team zu verbessern, behindert die gruppendynamischen Prozesse und produziert Stress. Dazu kommen -insbesondere in Sri Lanka- noch sprachliche Probleme, da die meisten Teammitglieder nur Eng lisch können. Die Vorbereitung und Qualifizierung der Teammitglieder müsste noch verbessert werden, insbesondere der Umgang mit der Polizei, der Regierung, den Politikern und den Botschaften."

Inzwischen arbeiten andere Organisationen mit ehemals typischen PBI- Aktionsformen, beispielsweise die Solidaritätsgruppen, die seit 1993 die Rück kehr Guatemaltekischer Flüchtlinge begleiten und den Eingliederungsprozess beobachten wollen. Oder die Beobachterdelegationen in Kurdistan 1994 oder das "Ecumenical Monitoring Programme for South Africa" (1992-1994) des Ökumenischen Rates in Genf , als Beitrag zur Stabilisierung des Friedens- und Demokratisierungsprozesses.

Das Balkan Peace Team bündelt wiederum die Erfahrungen der Friedensbrigaden, und verbindet sie mit dem Versuch, präventiv in einem Krisengebiet aktiv zu werden.

Von der Unverwüstlichkeit einer Idee - für die die Zeit reif ist?

Es bleibt die Herausforderung bislang ungelöst, Krieg und Gewalt durch gewaltfreies Eingreifen zu stoppen. Nahezu verzweifelt haben dies in den vergangenen Jahrzehnten und verstärkt in jüngster Zeit immer wieder Gruppen versucht. Soweit bekannt, waren die meisten von ihnen nicht in den Lernprozess eingebunden, den die Shanti Sena/ Friedensbrigade- AktivistInnen mitgemacht haben. Als Beispiele seien ge­nannt: "Gulf Peace Team" und "Initiative Frieden am Golf" im 2. Golf krieg, im Krieg im ehemaligen Jugoslawien die "Friedenskarawane", die Märsche "Mir Sada" nach Sarajewo und "Sjeme Mira" nach Mostar. Wir können heute davon ausgehen, daß es in den Konfliktgebieten weitere solcher gewaltfreier Interventionsversuche gibt, von denen wir nur noch nichts wissen. In Indien besannen sich seit den 80er Jahren Gandhianer auf die Idee der Shanti Sena und engagierten sich verstärkt, um in den kommunalen Unruhen das Blutvergießen zu stoppen (9).

Neben diesen Aktivitäten sind Überlegungen zu neuen Organisationsformen festzustellen. Dazu gehört in Deutschland die Diskussion über den Zivilen Friedensdienst und in den USA die Diskussion um Peace Teams. In Österreich wurde ein erster Ausbildungsgang ent­wickelt. In der deutschen sicherheits­politischen Diskussion um staatliche zi­vile Konfliktbearbeitungskompetenz begegnen sich zunehmend die "Welten" staatlicher Akteure und gesellschaftli­cher Organisationen in konfrontativem, aber auch aufgeschlossenem Dialog. Damit werden möglicherweise neue Handlungsräume für eine zivile Kon­fliktbearbeitung erschlossen.

Wir schließen mit der Frau, die den Anfang setzte. Angesichts der Gräuel des Zweiten Weltkrieges verließ Maude Royden den Pazifismus. Möglicher weise stehen wir heute an einem anderen Punkt: gerade angesichts der praktischen Schwäche ziviler Konfliktbearbeitung müssen wir ihre Stärke entwickeln. Angesichts abnehmender Ressourcen, die es zu verteilen gibt, einer Verteilungsungerechtigkeit, die größer ist denn je und angesichts der militärischen Verwundbarkeit der hochindustrialisierten Staaten sind wir dazu verdammt, zivile Mittel auch als die "letzten" Mit­tel zu entwickeln.

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Hintergrund
Barbara Müller ist Vorsitzende des Bundes für Soziale Verteidigung, Mitarbeiterin im Institut für Friedensarbeit und Gewaltfreie Konfliktaustragung und Mitglied des Initiativkreises der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung
Christian Büttner ist Redakteur der Zeitschrift "gewaltfreie aktion" und war an Vorbereitung und Durchführung der Tagung mitbeteiligt.