Hochschule und Militär

Zivilklauseln

von Lucas Wirl

Die Zivilklauselbewegung hat Fahrt aufgenommen. Bundesweit haben elf Universitäten Zivilklauseln, dieses Jahr sind HS Bremen, HS Bremerhaven und TU Darmstadt dazu gekommen, zudem wird im Senat mehrerer Universitäten (z.B. Hannover, Göttingen) über Zivilklauseln und deren Verankerung in Leitbild oder Grundordnung diskutiert. Auch in den Parteien, jüngst bei den Grünen in Baden-Württemberg, wird über Zivilklauseln debattiert und werden Positionen erkämpft. Selbst Verteidigungsminister de Maizière attestierte in der FR vom 20.11.12, über Zivilklauseln werde „leidenschaftlich diskutiert […] zumindest teilweise“.

Trotz dieser positiven Entwicklungen steht die Zivilklauselbewegung vor einigen Herausforderungen. Was benötigt wird, ist ein ehrlicher und offener Diskurs über die Einführung von Zivilklauseln. Dies erfordert zu aller erst die Offenlegung der Forschungsmittel für militärrelevante Forschung, denn erst dann ist eine Basis für Diskussion gewährleistet. Des Weiteren bedarf es mehr Ressourcen, Kraftaufwand und Mut zu einem breit angelegten öffentlichen und inneruniversitären Diskurs um die Einführung von Zivilklauseln. Und es muss eine Erweiterung und Weiterentwicklung der Ziele der Bewegung erfolgen. Es reicht nicht mehr, „nur“ für die Einführung von Zivilklauseln an Hochschuleinrichtungen zu kämpfen, sondern es muss verstärkt über die Ausgestaltung der Zivilklauseln der elf und bald mehr Hochschulen diskutiert und konkrete Vorschläge für ein demokratisches und partizipatives Leben einer Zivilklausel entwickelt werden.

Durch die fehlende Offenlegung von Daten über Drittmittelforschung ist eine Diskussion mit offenem Visier nicht möglich. Es besteht oftmals keine Chance, in der Bürokratie einer Universität an relevante Daten zu gelangen. Dieser Umstand ist jedoch nicht nur der überlasteten, unterfinanzierten Institution Universität zulasten zu legen; der Korpus stinkt vom Kopfe her: Die Vergabe von Forschungsmitteln für militärrelevante Forschung, wehrtechnische und sonstige militärische Entwicklung und Erprobung an öffentlichen Hochschuleinrichtungen fällt – seit Zivilklauseln breiter in der Öffentlichkeit diskutiert werden - unter die Geheimschutzordnung; im Namen der nationalen Sicherheit werden diese Angaben nicht öffentlich gemacht. Somit wird ein wichtiger Bezugspunkt für den Diskurs über Zivilklauseln für die Öffentlichkeit unzugänglich gemacht und eine demokratische Debatte auf Augenhöhe verhindert. Die Politik und auch die Universitätsleitungen drücken sich - entgegen De Maizières Äußerungen der letzten Wochen (FR, Unikum) - vor einer transparenten Debatte und scheinen sich vor dem Bekanntwerden der rüstungsrelevanten Forschung an öffentlichen Einrichtungen gar zu fürchten.

Das Fehlen eines breiten, öffentlichen und transparenten Diskurses über Militärforschung setzt sich aber auch in Teilen der Zivilklauselbewegung fort. In der Institution Universität wird vermehrt über die Einführung von Zivilklauseln im akademischen Senat diskutiert. Diese Debatten fern der Öffentlichkeit behindern den öffentlichen Diskurs. Gerade im Hinblick auf eine spätere Umsetzung und Integration einer Zivilklausel in den universitären Betrieb sollte sie nicht nur in Hinterzimmern, sondern universitätsweit und im Stadtbild der Uni debattiert werden und sichtbar sein. Scheinbar vorbei ist der Auftrieb, den die Urabstimmungen in Karlsruhe, Köln und Frankfurt der öffentlichen Debatte brachten. Dabei ist die Inklusion und Partizipation sämtlicher Kräfte sowie die demokratische Mitbestimmung notwendig, um in eine breite gesellschaftliche Debatte über die Orientierung der Universitäten und der Wissenschaft zu diskutieren. Eine Einbindung von Gewerkschaften, MitarbeiterInnen, Lehrenden und Friedens- sowie sozialer Bewegungen ist nötig. Wege zu breiten Debatten sollten vermehrt über Vollversammlungen, Urabstimmungen und öffentlichen Veranstaltungen mit einer Vielzahl von VeranstalterInnen führen. Dies erfordert Ressourcen, die den Studierenden aufgrund der Beschneidung ihrer Autonomie durch den Bologna-Prozess oftmals fehlen. Hier sollte sich die Friedensbewegung einbringen und auf Studierende, Asten, hochschulische Arbeitskreise, etc. zugehen und Unterstützung anbieten.

Eine weitere Herausforderung für die Bewegung ist die Ausgestaltung einer Zivilklausel an einer hochschulischen Einrichtung. Dies ist bisher ein „großes weißes Blatt“. Bisherige Diskussionen und Überlegungen wurden aus einer Abwehrhaltung heraus geführt. Anstrengungen, wie eine Zivilklausel in die Strukturen einer Hochschule integriert und welche zusätzlich geschaffen werden müssen, wie sie in Lehrpläne aufgenommen werden könnte und wie ihre Einhaltung unter größtmöglicher demokratischer Partizipation überprüfbar und handhabbar gemacht werden kann, wurden kaum angestellt. Das Ausfüllen einer Zivilklausel bedeutet auch, den Charakter einer Hochschuleinrichtung zu ändern und eine Friedensethik der Wissenschaften neu anzustoßen. Dies ist jedoch eine große Herausforderung, zu der alle eingeladen sind, mit zu diskutieren und sich einzubringen.

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