Netzwerk Friedenskooperative



FF2/2002


vom:
Mai 2002


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  Initiativen

Medienkongress der Bertha von Suttner Stiftung in Münster

Von Fernsehbildern, Feindbildern und fehlender Gegenöffentlichkeit

Kathrin Vogler

Die Medien im Krieg, der Krieg in den Medien und der Krieg um die Mediengesellschaft waren die Themen, welche 120 Teilnehmende aus ganz Deutschland am 2. Februar in Münster beschäftigten. Dabei standen die konkreten Erfahrungen von Journalistinnen und Journalisten mit Manipulation, Lügen und Propaganda während der jüngsten Kriege im Mittelpunkt.


Einleitend zog Roger Willemsen ein verheerendes Fazit der gegenwärtigen Situation. Nirgendwo sei die Gegenöffentlichkeit so diffamiert, kriminalisiert und an den Rand gedrängt worden wie in Deutschland, nirgendwo sonst sei so wenig Widerspruch gegen den Krieg geäußert und seien die Verlautbarungen der Regierungen so kritiklos übernommen worden. Dementsprechend wirkungslos seien die Versuche Einzelner geblieben, die Aufteilung der Toten in zwei Klassen zu verhindern und den Blick auf die afghanischen Opfer ebenso zu lenken, wie auf die amerikanischen. Willemsen warf viele Fragen auf, die in der Berichterstattung der Massenmedien unterzugehen drohen. Zum Beispiel die Tatsachen, dass weltweit unzählige Terroristen und Gewaltherrscher vom US-Geheimdienst ausgebildet und unterstützt wurden, dass bislang weltweit nicht eine Person festgenommen wurde, der ein direkter Zusammenhang mit den Attentaten vom 11. September 2001 nachgewiesen werden konnte, dass vielmehr alle Verhafteten in den USA vollkommen unbescholtene und unauffällige Bürger sind, warum sich die Medien und Politiker mit offiziellen Ansichten des Gefangenenlagers Guantanamo Bay zufrieden geben, statt selbst die Haftbedingungen zu recherchieren usw.

Über die Bedingungen, unter denen Medien im Krieg entstehen und verkauft werden, sowie über die Möglichkeiten friedenspolitischer Gegenöffentlichkeit, referierte im Anschluss die Sozialwissenschaftlerin und langjährige Zivilcourage-Redakteurin Elvi Claßen. An vielen Beispielen verdeutlichte sie Manipulationen und Propagandalügen, die zur Rechtfertigung verschiedener Kriege verwendet wurden. Zugleich zeigte sie auf, welche Chancen für Friedensbewegungen durch globalen Austausch und neue Kommunikationstechnologien entstehen, schneller an belegte Informationen zu kommen und diese weiterzuverbreiten und damit schließlich den etablierten Medien zumindest inhaltlich Konkurrenz machen zu können.

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FF2/2002
In den nachmittäglichen Arbeitsgruppen ging es zum Teil ausgeprochen lebhaft und strittig zu. Dabei war für beinahe jedes Interesse etwas dabei. Den größten Zulauf hatte erwartungsgemäß die AG mit dem als Nato-Spion "Topas" bekannt gewordenen freien Journalisten Rainer Rupp, der die Rolle der Geheimdienste in der psychologischen Kriegführung analysierte.

In der AG über alternative Medien fand sich überwiegend ein Fachpublikum aus Alternativzeitungen, Bürgerfunk und lokalem Bürgerfernsehen zusammen, um auszuloten, was sie den etablierten Medien entgegensetzen können. Durch den Kontrast zweier Referenten mit unterschiedlichen Ansichten wurde hier spannend diskutiert. Der Münsteraner Jounalist Peter Wolter forderte von den Alternativmedien hohe Professionalität und klare Strukturen, Betroffenheitsjournalismus lehnte er kategorisch ab: "Ein Studium der Sozialpädagogik ist noch keine journalistische Qualifikation". Bernd Drücke, Soziologe und Redakteur der anarchistisch-gewaltfreien "Graswurzelrevolution" hingegen legte den Schwerpunkt auf die Umsetzung von Dezentralität, Selbstverwaltung und Selbstbestimmung und stellte die "taz" als misslungenes Beispiel vor, eine Alternativzeitung zu professionalisieren und durch eine Chefredaktion basisdemokratische Ansprüche aufzugeben.

In einer weiteren Arbeitsgruppe unter der Überschrift "Wie Fernsehbilder zu Feindbildern werden" vertiefte Elvi Claßen mit ebenfalls vielen Teilnehmenden ihren Vortrag vom Vormittag und lieferte Anstöße für zum Teil kontroverse Debatten.

In einer vierten AG trafen sich die Mitglieder der Projektgruppe "peacelink" im Netzwerk Friedenskooperative mit anderen Internet-Interessierten, um die Perspektiven des Friedensportals www.peacelink.de zu diskutieren. Diese kleine AG hatte hohen prakischen Wert, sogar für Leute mit nur wenig Vorerfahrung mit dem neuen Medium.

Bei einem Podiumsgespräch am späteren Nachmittag gab es ausführliche Gelegenheit, wichtige Nischen in den öffentlich-rechtlichen Medien kennenzulernen. Volker Steinhoff von der Redaktion Panorama (NDR) und Mathias Werth von Monitor (WDR) berichteten über die Arbeitsweisen und Berichterstattung ihrer politischen Magazine. Dort sei nur wenig politischer Druck zu spüren, vielmehr berichtete Werth, dass er in der Debatte um seinen Beitrag "Es begann mit einer Lüge" ausdrücklich vom Sender unterstützt worden sei. Das war denn manchen ZuhörerInnen schon fast zu viel an Friede, Freude, Sonnenschein und ermutigte zu etlichen kritischen Nachfragen.






  
Abschlusserklärung des Medienkongresses "Vom Fernsehbild zum Feindbild - Journalismus zwischen Kriegspropaganda und Friedenskultur" am 2. Februar 2002 in Münster

Münsteraner Erklärung

Für Journalismus als Friedenskultur - gegen Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit

Journalistinnen und Journalisten arbeiten in Krisen- und Kriegszeiten unter besonderen Bedingungen. In besonderem Maße sind sie Zensur und Manipulation u.a. durch Regierungen, Verlagen und Redaktionen, ausgesetzt, erfahren oft massive Einschränkungen und zeitlichen, moralischen oder ökonomischen Druck, wenn sie kritisch berichten oder kommentieren. Von offiziellen Stellen werden sie häufig mit gesteuerten Informationen überschüttet, wogegen Spielräume für eigene freie Recherchen schwinden.

Friedensgruppen erleben ihrerseits häufig eine organisierte Ignoranz durch die etablierten Medien. Ihnen wird es oft schwer gemacht, alternative Vorstellungen und Ideen zu nicht-militärischer Konfliktlösung in den öffentlichen Diskurs einzubringen.

Seit die Bundeswehr an militärischen Interventionen weltweit teilnimmt, werden auch immer mehr Bereiche der Medien in Deutschland Teil einer politischen Rechtfertigungsstrategie mit dem Ziel, der Öffentlichkeit Legalität und Angemessenheit der Kriegseinsätze vorzugaukeln und dafür notwendige Aufrüstungen durchzusetzen. Kritischer Journalismus wird zur Ausnahme.

Mit den so genannten "Sicherheitspaketen" werden weitere Einschnitte in die Pressefreiheit, den Quellenschutz und das Briefgeheimnis geplant. In den Redaktionen nimmt der Druck auf kritische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu. Die Öffentlichkeit wird gezielt mit professionellen PR-Kampagnen belogen und manipuliert, womit Feindbilder aufgebaut oder verfestigt werden.

Den Missbrauch von Medien für Kriegspropaganda und die Einschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit nehmen wir nicht hin.

Wir setzen uns ein für einen Journalismus, der Kriegsursachen aufdeckt, Feindbilder aufbricht und über zivile Alternativen aufklärt.

Wir leisten Widerstand gegen alle Versuche, militärkritische Stimmen mundtot zu machen. Insbesondere wehren wir uns gegen die Bespitzelung von JournalistInnen, Medien und Informationswegen, wie sie mit den "Sicherheitspaketen" verschärft werden soll.

Wir werden durch demokratische Vernetzung von Medienschaffenden und -aufnehmenden sowie verschiedenen sozialen und politischen Bewegungen Gegenöffentlichkeit schaffen und zeigen, was wir unter Frieden verstehen.

Wir suchen die Zusammenarbeit zwischen Medienproduzierenden, Wissenschaften und Friedensbewegung, um in der Gesellschaft einen kritischen und verantwortungsbewussten Umgang mit Medien zu fördern.

Münster, den 2. Februar 2002







Kathrin Vogler war bis vor kurzem Geschäftsführerin der DFG-VK und baut z.Zt. den Friedensladen Münster auf.

E-Mail:   k_vogler@muenster.de
Internet: http://vogler@friedensladen.de
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