FF2005-5


 voriger

 nächster

FF2005-5

 Hintergrund

Ein brisantes Buch über die Argentinien-Geschäfte von Daimler-Benz

Daimler & Argentinien: Von Rattenlinien und Nazigeldern

Gert Eisenbürger

In der NS-Zeit stieg der Stuttgarter Autobauer Daimler-Benz zu einem der wichtigsten deutschen Rüstungsunternehmen auf. Die Geschäfte florierten. Um die Nachfrage der NS-Kriegsmaschinerie befriedigen zu können, griff das Unternehmen auf Zwangsarbeiter zurück: In den letzten Kriegsjahren sind die Hälfte der Belegschaft zwangsrekrutierte Arbeitssklaven, überwiegend Polen und Juden. Kurz vor Kriegsende transferierte die Geschäftsleitung von Daimler-Benz große Summen ins Ausland, vor allem in die neutrale Schweiz, deren Banken für die Nazis während des Krieges von unschätzbarem Wert waren.

Um diese versteckten Gelder nach dem Krieg wieder in das Unternehmen zu stecken, mussten sie "gewaschen" werden, um ihre Beschlagnahme durch die Alliierten zu verhindern. Wie die Geschäftsleitung von Daimler-Benz diese Geldwäsche bewerkstelligte, ist das Thema des Buches "Daimler-Benz und die Argentinien-Connection" von Gaby Weber. Die in Südamerika lebende Journalistin hat recherchiert, wie das Unternehmen aus Untertürkheim dabei mit der argentinischen Regierung von Juan Domingo Perón zusammengearbeitet hat. Perón, der von 1945 bis 1954 regierte, wollte Argentinien zu einem modernen Industriestaat machen. Dazu musste er ausländisches Know-How und Technologie ins Land holen. Ganz oben auf seiner Wunschliste stand eine Automobilfabrik für die Produktion von LKW, die zur wirtschaftlichen Erschließung des riesigen Landes in großer Zahl benötigt wurden. Doch die Fabrik war erst einmal Zukunftsmusik, zunächst exportierte Daimler-Benz über Jahre Fahrzeuge nach Argentinien. Die mussten natürlich bezahlt werden, für Argentinien kurzfristig durchaus ein Problem, aber, so schreibt Gaby Weber: "Bei seinem ersten Treffen mit General Perón verspricht (Daimler-Benz-)Vorstandsmitglied Haspel, dass das Geschäft an der Finanzierung der Importe nicht scheitern werde", Haspel versichert, dass "Daimler-Benz Lösungen für die Importe (d. h. für die Devisen) finden wird".(S. 34)

Hier kamen die in der Schweiz versteckten Gelder ins Spiel. Vereinfacht gesagt, lief das so: Mit den Schweizer Geldern wurden die Autoverkäufe nach Argentinien vorfinanziert, später wurden diese Kredite von der argentinischen Zentralbank beglichen. Mit diesen Geldern baute Mercedes-Benz in Argentinien ein Unternehmensimperium auf, deren Gewinne als sauberes Geld wieder nach Deutschland transferiert wurden.

Doch Daimler-Benz hatte nicht nur "schmutziges" Geld, sondern auch "belastete" Mitarbeiter. Jorge Antonio, rechte Hand von Präsident Perón und Strohmann der Deutschen, unter dessen Namen die Unternehmen in Argentinien liefen, erhielt von Daimler-Benz eine Liste mit den Namen von angeblichen "Experten", die für die Produktion gebraucht würden. Weber beschreibt, wie zwischen 1950 und 1952 mit mehreren Schiffen Leute nach Argentinien kamen, die Funktionen bei der argentinischen Niederlassung von Mercedes-Benz übernahmen. Einige reisten unter falschen Namen mit Papieren des Roten Kreuzes ein - gesuchte Nazis und Kriegsverbrecher.

Der Inhalt des Buches von Gaby Weber ist brisant, belegt sie doch, wie das deutsche Wirtschaftswunder auch auf den Nazigeldern basierte. Doch obwohl es bereits im letzten Oktober erschienen ist, gab es kaum Reaktionen in den deutschen überregionalen Medien. Nur die Frankfurter Rundschau widmete dem Buch eine Rezension. Ganz anders in Argentinien: Dort erschien die spanische Übersetzung am 31. März dieses Jahres unter dem Titel "La Conexión Alemana". Alle großen argentinischen Zeitungen veröffentlichten ganzseitige Rezensionen, die erste Auflage war innerhalb von zwei Wochen vergriffen, das Buch kam in die Bestsellerlisten. Darauf reagierte sogar die New York Times mit einer ausführlichen Besprechung. Hier hält man unterdessen lieber weiter an dem Mythos fest, dass das so genannte Wirtschaftswunder vor allem der Tüchtigkeit und der Opferbereitschaft der deutschen Arbeiter und dem Marshall-Plan zu verdanken sei.

Gaby Weber: Daimler-Benz und die Argentinien-Connection - Von Rattenlinien und Nazigeldern, Verlag Assoziation A, Berlin/Hamburg/Göttingen 2004, ISBN 3-935936-33-8, 144 Seiten, 10,- Euro



Gert Eisenbürger ist Redakteur der ila, einer in Bonn erscheinenden Monatszeitschrift zur Politik, Wirtschaft und Kultur Lateinamerikas (www.ila-web.de).

E-Mail: ila (at) ila-bonn (Punkt) de

Website: www.ila-bonn.de
 voriger

 nächster




       
Bereich:

FriedensForum
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
          
Netzwerk  Themen   Ex-Jugo Termine   Aktuelles