FF1/2006


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FF2006-1

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Verfassungsgericht rügt Polizei und Gerichte

Castor-Proteste: So nicht!

Elke Steven

So nicht! - urteilte das Bundesverfassungsgericht über eine Freiheitsentziehung beim Castortransport im November 2001. Martina Lammers aus Lüchow hatte im November 2001 kurz vor dem Straßentransport des Atommülls ins Zwischenlager in Gorleben an einer Sitzblockade in Splietau teilgenommen. Nach der Auflösung der Versammlung durch die Polizei wurden ein Platzverweis ausgesprochen und polizeiliche Maßnahmen angekündigt. Sie wurde weggetragen und in polizeilichen Gewahrsam genommen. Dort verblieb sie von 10.20 Uhr bis 8.23 Uhr des darauffolgenden Tages ohne richterliche Überprüfung. Während Amts- und Landgericht die Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung als unbegründet zurückwiesen, nahm das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde als "offensichtlich begründet" an.

Das Bundesverfassungsgericht rügt sowohl das polizeiliche Vorgehen und das Fehlen eines richterlichen Bereitschaftsdienstes zur Nachtzeit als auch die Behandlung der Beschwerde durch die Fachgerichte. Eine Freiheitsentziehung als schwerster Eingriff in das Recht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs, 2 GG) bedürfe grundsätzlich einer vorherigen richterlichen Anordnung. Diese könne in Ausnahmefällen unverzüglich - also ohne jede Verzögerung - nachgeholt werden. Diesem Gebot habe das Vorgehen nicht entsprochen. Auch die Fachgerichte hätten die Zeitabläufe im Polizeigewahrsam, die zu dieser langen Verweildauer geführt haben, nicht ausreichend überprüft und rechtlich gewürdigt. Die Zurückweisung des Antrags der Klägerin verletze das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Eine harte Kritik am polizeilichen und gerichtlichen Vorgehen, die diese zum Nachdenken zwingen sollte. Die Polizei aber reagierte schnell abweisend-überheblich. Das alles wüsste sie schon seit Jahren und hätte ihr Verhalten längst geändert. Rechtswidrig habe sie sich doch nur vor langer Zeit, vor vier Jahren, verhalten. Inzwischen würde sie ja kaum noch in die Gefangenensammelstelle transportieren, sondern vor Ort in Gewahrsam nehmen. In den neuen, warmen und schönen Knast, "eine der modernsten Gefangenensammelstellen", führe sie nur noch wenige Gefangene. Sie verschweigt allerdings, dass die Ingewahrsamnahme eines ganzen Dorfes während einer Nacht (im November 2003) ebenfalls rechtswidrig war - und bei Minustemperaturen außerdem an Körperverletzung grenzte. Entscheidungen über weitere Verfassungsbeschwerden zum Umgang mit dem Demonstrationsrecht bei Castor-Transporten stehen noch aus.

AZ des Urteils: 2 BvR 447/05 (Beschluss vom 13.12.05 - veröffentlicht am 5.1.06)



Elke Steven ist Sekretärin beim Komitee für Grundrechte und Demokratie.

E-Mail: elkesteven@grundrechtekomitee.de
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