FF6/08 BRD und der IGH



FF2008-6


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 Hintergrund

Erklärung der International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA)

Die deutsche (Teil-)Anerkennung des Internationalen Gerichtshofs

IALANA

Wichtige, aber bedauerlicherweise teilamputierte Botschaft der Bundesregierung zur Stärkung des Rechts in den internationalen Beziehungen

Das Bundeskabinett hat am 30 April 2008 der von Außenminister Frank-Walter Steinmeier beabsichtigten Erklärung gegenüber den Vereinten Nationen zugestimmt, dass sich die Bundesrepublik Deutschland als neunzehnter EU-Staat künftig der obligatorischen Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs (IGH) unterwirft.


Das hat zur Folge, dass Deutschland künftig Rechtsstreitigkeiten mit allen anderen - bislang 65 - Staaten, die ebenfalls eine solche Unterwerfungserklärung abgegeben haben, vor dem IGH austragen kann. Anders als bisher ist die Zuständigkeit des IGH nicht mehr auf Streitigkeiten beschränkt, die ihm in speziellen Verträgen oder Abmachungen zur Entscheidung zugewiesen worden sind.

Angesichts zunehmender Ressourcen- und Verteilungskonflikte im Rahmen der Globalisierung ist dies ein wichtiger politischer und völkerrechtlicher Beitrag zur Zurückdrängung des "Rechts des Stärkeren" und des "Faustrechts" in den internationalen Beziehungen. Gerade in einer Zeit, in der wieder unter Berufung auf ein (angebliches) "Recht" zur "präventiven Selbstverteidigung" oder zur "humanitären Intervention" der Einsatz von militärischer Gewalt durch einzelne Staaten zunehmend an Attraktivität und damit an Wahrscheinlichkeit gewonnen hat, ist es von großem Nutzen, eine solche Botschaft auszusenden.

Mit dem IGH als dem "Hauptrechtsprechungsorgan" der UNO (Art. 92 UN-Charta) wird nicht nur das Forum gestärkt, das - über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus - zur Klärung völkerrechtlicher Streitfragen und damit zur Stärkung des Völkerrechts maßgeblich beitragen kann, sondern auch die UNO selbst. Eine solche Stärkung der UNO ist von zentralem Interesse für die globale Friedenssicherung und die Lösung zentraler internationaler Fragen (Klima, Hunger, Unterentwicklung, Konflikte um Rohstoffe, ethnische Konflikte, Menschenrechte etc).



Doppelter Streitkräfte-Vorbehalt

Sehr bedauerlich ist allerdings, dass sich Bundesaußenminister Steinmeier dem Druck von Bundesverteidigungsminister Jung und von Bundesinnenminister Schäuble gebeugt hat, durch einen doppelten "Streitkräfte-Vorbehalt" die deutsche Unterwerfungserklärung durch "Selbstamputation" für wichtige völkerrechtliche Bereiche weithin wertlos zu machen. Denn mit der von der Bundesregierung nunmehr beschlossenen Fassung der Unterwerfungserklärung werden völkerrechtliche Streitigkeiten über den Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland sowie über die Nutzung deutschen Hoheitsgebiets für militärische Zwecke von der Zuständigkeit des IGH ausdrücklich ausgenommen. Damit werden gerade diejenigen Kategorien völkerrechtlicher Streitigkeiten, um deretwegen in einem langen historischen Prozess die internationale Gerichtsbarkeit vor allem geschaffen wurde, einer möglichen gerichtlichen Überprüfung durch den IGH entzogen. Dies betrifft etwa künftige Streitfälle über die völkerrechtliche Zulässigkeit militärischer Verwendungen der Bundeswehr im Ausland oder über die Berechtigung Deutschlands, z.B. im Zusammenhang mit einem völkerrechtswidrigen Kampfeinsatz der USA nach dem "Modell Irak-Krieg" Stützpunkte in Deutschland nutzen zu lassen oder US-Flugzeugen Überflugrechte zu gewähren. Solche Streitfälle können künftig weiterhin nur dann vor den IGH gebracht und von diesem entscheiden werden, wenn Deutschland im konkreten Streitfall ad hoc die Gerichtsbarkeit des IGH dafür anerkennt.

Die beiden deutschen Vorbehalte ("Streitkräfteeinsatz im Ausland" und "Nutzung deutschen Hoheitsgebietes") müssen den Eindruck erwecken, als scheue die Bundesregierung in militärischen Fragen die juristische Auseinandersetzung vor dem Internationalen Gerichtshof. Wer so handelt, setzt sich dem Verdacht aus, dass er notfalls auch entgegen dem geltenden Völkerrecht die Bundeswehr militärisch einsetzen oder deutsches Hoheitsgebiet oder deutschen Luftraum für völkerrechtswidrige Aktionen ausländischen Streitkräften zur Verfügung stellen will.

Die Bundesregierung, die nicht müde wird, sich auf eine gestiegene "internationale Verantwortung" Deutschlands zu berufen, gibt damit ein verheerendes politisches Signal.






  Wortlaut

Aus der Unterwerfungserklärung Deutschlands nach Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut

(von der deutschen Bundesregierung beschlossen am 29. April 2008)

1. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland erkennt im Einklang mit Artikel 36 Absatz 2 des Statuts des Gerichtshofs die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs von Rechts wegen ... an, mit Ausnahme von:


(ii) Streitigkeiten, welche

a) die Verwendung von Streitkräften im Ausland, die Mitwirkung hieran oder die Entscheidung hierüber betreffen, daraus herrühren oder damit in Zusammenhang stehen,

oder

b) die Nutzung des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des dazugehörenden Luftraumes sowie von deutschen souveränen Rechten und Hoheitsbefugnissen unterliegenden Seegebieten für militärische Zwecke betreffen, daraus herrühren oder damit in Zusammenhang stehen; ...






E-Mail: info (at) ialana (Punkt) de

Website: www.ialana.de
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