FF2009-2


 voriger

 nächster

FF2009-2

 Initiativen

Das war der Gipfel

NATO-Gipfel auf Kosten der Grundrechte

Mani Stenner

Mit massiven Vorkontrollen, Zugangsbehinderungen und Verhinderung ganzer Demonstrationszüge prägte die Polizei die Aktionen zum Jubiläumsgipfel der NATO. Hinzu kamen auf französischer Seite Blendschockgranaten, Tränen-/CS-Gas, Wasserwerfer und Gummigeschosse gegen friedfertige DemonstratInnen sowie eine massive Randale militanter Teilnehmer. In der Berichterstattung blieben alle Inhalte z.B. vom Gegengipfel in Straßburg und den Kundgebungsbeiträgen, aber auch der vielfältige bunte Protest und die trotz aller Repression gelungenen Straßenblockaden in Straßburg außen vor.
Im FriedensForum werden wir das in der nächsten Ausgabe nachholen.
Auch eine neue Diskussion über Militanz und Gewaltfreiheit hat begonnen.


"Nach Polizeiangaben provozierten die NATO-Gegner die Polizisten mit Handküssen und Staubwedeln. Die Polizei trieb daraufhin die Truppe auseinander" (www.SWR.de am 4.4.2009).

Die NATO hat sich durch die Verletzung der Grundrechte beim Gipfel als angebliches Wertebündnis für Frieden, Freiheit und Demokratie erneut diskreditiert. Die Gastgeber des NATO-Gipfels präsentierten sich als Polizeistaaten, die das Demonstrationsrecht systematisch aushebeln. Die Bundeskanzlerin und der französische Präsident sollten sich künftig mit Kritik gegenüber dem Vorgehen russischer oder chinesischer Sicherheitskräfte zurückhalten.

Dennoch: Eine intensive Auseinandersetzung über "die Gewaltfrage" bzw. das Ausmaß von Militanz ist nötig und hat zwischen den an der Organisation der NATO-Proteste beteiligten Gruppen auch begonnen. Es gibt auf Seiten der schon durch die Polizei in ihren Grundrechten behinderten DemonstrantInnen wenig Verständnis für erlebnisorientierte Jugendliche, die in einer Tankstelle die alkoholischen Getränke plündern und die Militanten, die sowohl mit ungezielten Steinwürfen als auch mit der Brandstiftung im Ibis-Hotel dorthin geflüchtete Mitdemonstranten gefährden. Kurzum: Etliche sind echt sauer auf "den Schwarzen Block" und wollen Konsequenzen.

Da allerdings fangen die Feinheiten an. Natürlich gibt es auch Berichte über schwarzgekleidete Vermummte bei Beratungen in Wagen französicher Spezialeinheiten. Ein Teil der Randale könnte also auf agents provocateurs zurückgehen. Für eine gewaltfreie Durchführung solch brisanter Demonstrationen müssten zudem die Politik und die Sicherheitskräfte mitspielen. Die Gewaltprognosen deutscher und französischer Behörden, die massiven Einschränkungen des Demonstrationsrechts und das gewalttätige Vorgehen insbesondere der französischen Einheiten haben die Militanz begünstigt. Vermutlich wollten sie es nicht anders.

Die Planung nicht militanten Protests bei Beteiligung eines breiten politischen Spektrums inklusiver Linksradikaler und Autonomer (was immer das heute heißt) erfordert m.E. als erstes eine Bereitschaft von Politik und Polizei, das Demonstrationsrecht wirklich zu gewährleisten und mit den OrganisatorInnen zu kooperieren. Dann aber auch sehr verbindliche Absprachen der beteiligten Gruppierungen auf den Aktionsrahmen und die Bereitschaft, diesen auch aktiv gegenüber anders Agierenden durchzusetzen. Bei den Blockadeaktionen zum G8-Gipfel Heiligendamm war das gelungen, beim jetzigen Block-NATO-Konzept weitgehend, bei der Gewährleistung der Großdemonstration auf der französischen Rheinseite nicht.

Bei der anstehenden Diskussion um künftige Zusammenarbeit zwischen z.B. der traditionellen Friedensbewegung und linksradikalen Gruppierungen spielt auch die verschiedene Bewertung der Aktionen vom NATO-Gipfel eine Rolle. Da dürfen wir uns auch mal streiten. In einem Artikel aus dem Bereich der "Interventionistischen Linken (IL)" - in "Analyse und Kritik" (ak 538) - wird (vielleicht verfälsche ich das durch Verkürzung) für mehr "zielgerichtete, kollektive Militanz" plädiert, im Zusammenhang mit der Frage "warum die 7.000 NATO-GegnerInnen in Kehl stundenlang keine Anstalten machten, die Brücke nach Strasbourg zu überqueren, sondern sich (vergeblich) auf Verhandlungen mit der Polizei verlassen haben." Ferner: "Wenn Leute über Stunden ständigen Angriffen der Polizei ausgesetzt sind ... dann kann ihnen niemand das Recht auf Widerstand und Gegenwehr absprechen. Das heißt nicht, dass nicht einzelne Aktionen wie z.B. das brennende Hotel, bei dem unbeteiligte Menschen gefährdet worden sind, kritisch hinterfragt werden müssen. Aber die Basis solcher Kritik muss zunächst die Solidarität mit allen NATO-GegnerInnen sein. die am 4. April auf der Straße waren."

Ich bin mir (Pardon, Christoph) mittlerweile unsicher, wieviel Solidarität ich den zu einer von uns beworbenen Großdemo angereisten Menschen noch abverlangen kann gegenüber Mitmenschen, die sie in letztlich trauter Eintracht mit Sondereinheiten der Polizei an Leib und Leben gefährden. Nachgedacht wird jetzt u.a. über eine "gewaltfreie Task-Force", die sich dazwischenstellt. Auch da sollten Linksradikale dabeisein.



Mani Stenner ist Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative

E-Mail: friekoop (at) bonn (Punkt) comlink (Punkt) org
 voriger

 nächster




       


Bereich:

FriedensForum
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
        
Netzwerk  Themen   Termine   AktuellesHome