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Aktionsplan "Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung"

Ute Finckh

Der Aktionsplan "Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung" ist ein rot-grünes Projekt. Im Koalitionsvertrag 2002(1) wurde vereinbart: "Die Bundesregierung wird einen ressortübergreifenden Aktionsplan zur `Zivilen Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung` erarbeiten." Am 12. Mai 2004 wurde der Aktionsplan tatsächlich vom Bundeskabinett verabschiedet. An seiner Erarbeitung waren auch VertreterInnen von Organisationen aus der im Frühjahr 1998 gegründeten Plattform Zivile Konfliktbearbeitung beteiligt, die 2003 unter dem Titel "Frieden braucht Gesellschaft! Gesellschaftliche Ansätze in der Zivilen Konfliktbearbeitung" eine ausführliche Bestandsaufnahme dessen vorlegte, was Nichtregierungsorganisationen auf diesem Feld leisten(2).



Erklärtes Ziel des Aktionsplans ist es, Friedenspolitik und Krisenprävention nicht nur als Aufgabe der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, sondern als Querschnittsaufgabe des Regierungshandelns zu sehen. Außerdem soll die Kohärenz des Regierungshandelns in diesem Politikbereich erhöht und die Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen bzw. ausländischen und internationalen Akteuren verbessert werden. Der Aktionsplan enthält 163 konkrete Maßnahmen aus allen Politikbereichen. Zusätzlich enthält er eine Bestandsaufnahme dessen, was im Bereich zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung quer durch alle Politikbereiche an Handlungsmöglichkeiten besteht. Militärische Aktivitäten werden nur im Hinblick auf die Schnittstellen zum zivilen Bereich dargestellt
(3). Er gilt nach wie vor als Bezugsrahmen für die auf Krisenprävention ausgerichtete Politik der Bundesregierung. Alle zwei Jahre wird dem deutschen Bundestag ein Umsetzungsbericht zum Aktionsplan vorgelegt(4).

Zwei Gremien wurden mit Verabschiedung des Aktionsplans eingerichtet: Der sogenannte Ressortkreis, ein Koordinierungsgremium, dem Vertreter aller Ressorts (d.h. der Bundesministerien und obersten Bundesbehörden) angehören und das vom Beauftragten für Zivile Krisenprävention des Auswärtigen Amtes geleitet wird, sowie ein Beirat aus ca. 20 VertreterInnen der Wirtschaft und Wissenschaft, nichtstaatlicher Organisationen, der Kirchen und politischen Stiftungen sowie Einzelpersönlichkeiten. Zu den im Beirat vertretenen Organisationen gehört auch die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung.



Zivil ist nicht zivil

Nach der Bundestagswahl 2005 wurde im ersten Umsetzungsbericht, der von der Großen Koalition vorgelegt wurde, die Einordung ziviler Aktivitäten in militärisch dominierte Strategien und Konzepte explizit ausformuliert. Das führte z. B. zu folgender Formulierung: "Der Begriff "Zivile Krisenprävention ist daher nicht als Abgrenzung zu militärischer Krisenprävention zu verstehen, sondern schließt letztere mit ein."
(5). Im zweiten Umsetzungsbericht von 2008 wird die Eigenständigkeit des Zivilen wieder stärker betont, es finden sich aber nach wie vor ganze Abschnitte, in denen unter dem Stichwort "Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung" ohne das Adjektiv "zivil" über rein militärische Vorhaben oder Aktivitäten berichtet wird, z.B. heißt es darin: "Die Bundesregierung fördert intensiv und dauerhaft das Engagement der NATO bei Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung."(6). Damit wird der grundsätzliche Unterschied zwischen militärischem und zivilem Handeln in Konfliktsituationen weiterhin explizit verwischt.

Im zweiten Umsetzungsbericht zum Aktionsplan wird an vielen Stellen auf die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen im Bereich der Zivilen Konfliktbearbeitung eingegangen. Die zahlreichen Beispiele und die deutliche Erhöhung der finanziellen Mittel in diesem Bereich (z.B. für den Zivilen Friedensdienst, die Arbeit von FriEnt
(7) und für das zivik-Programm(8)) zeigen, dass die Fachkompetenz zivilgesellschaftlicher Gruppen und Verbände zunehmend wahrgenommen und geschätzt wird. Dies darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass in absoluten Zahlen die Mittel für die Bundeswehr und ihre Auslandseinsätze derzeit stärker wachsen als die Gelder für Zivile Konfliktbearbeitung. Das "Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr 2006" wurde öffentlichkeitswirksam präsentiert, während der Aktionsplan und die Umsetzungsberichte nur denjenigen bekannt sind, die wissen, wo sie danach suchen müssen.

Dementsprechend werden immer neue Konzepte der zivil-militärischen Zusammenarbeit entwickelt und beschworen, insbesondere in Bezug auf Afghanistan, wo die Bundeswehr sich mit "Provincial Reconstruction Teams" und "Provincial Advisory Teams" kräftig in den Wiederaufbau einmischt
(9). Diese Konzepte werden von Hilfsorganisationen als direkte Bedrohung ziviler AufbauhelferInnen angesehen und dementsprechend heftig kritisiert. Diese Kritik wird aber beharrlich ignoriert, die SPD hat im Entwurf ihres Wahlprogramms für die Bundestagswahl 2009 allen Ernstes formuliert: "Wir werben für unseren zivil-militärischen Ansatz (...)".



Wie kann es mit dem Aktionsplan nun weitergehen?

Der Beirat "Zivile Krisenprävention" formuliert in seiner Stellungnahme zum 2. Umsetzungsbericht folgendes: "Dem Beirat ist bewusst, dass der Aktionsplan nach innen wie nach außen ein außerordentlich ambitioniertes Vorhaben der Bundesregierung darstellt. Mit ihm hat erstmals der Gedanke einer kohärenten ressortübergreifenden und die vielfältigen nichtstaatlichen Akteure einbeziehenden Außenpolitik konkret Gestalt angenommen. Das hat indes nach unserem Eindruck zugleich auch die strukturellen Hindernisse, die sich aus der fortbestehenden Ressortbindung von Entscheidungen, divergierenden Routinen und konfligierenden Interessen ergeben, deutlicher hervortreten lassen. Die außerordentlich komplexe Aufgabenstellung des Aktionsplans kollidiert daher nahezu unverändert mit unzureichenden Instrumenten für ihre Umsetzung."
(10) Mit sechs konkreten Empfehlungen möchte der Beirat die Verwirklichung der Ziele des Aktionsplans vorantreiben. Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung hat gemeinsam mit dem Forum Menschenrechte eine Stellungnahme zum 2. Umsetzungsbericht veröffentlicht, in der die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen und die Einführung einer politischen Steuerung des Aktionsplanes gefordert werden.(11) Auch die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung hat sich mit einer ausführlichen Stellungnahme zum 2. Umsetzungsbericht geäußert(12). Beide Stellungnahmen kritisieren den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit des Aktionsplans, unterstützen die konkreten Forderungen des Beirats und ergänzen sie mit eigenen Vorschlägen, die insbesondere die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Stellen betreffen.

Gemeinsame Strategie der Gruppen, die am Entstehen des Aktionsplans beteiligt waren bzw. an der Umsetzung der darin formulierten Maßnahmen interessiert sind, ist also eine gleichzeitig kritische und konstruktive Begleitung der offiziellen Regierungspolitik. In anderen Politikfeldern, z.B. der Umweltpolitik, hat eine solche Strategie in der Vergangenheit beachtliche Erfolge erzielt. Es bleibt zu hoffen, dass dies im Bereich der zivilen Krisenprävention/ zivilen Konfliktbearbeitung auch gelingt.



Anmerkungen:



1http://archiv.bundesregierung.de/artikel/17/444117/attachment/444120_3.pdf



2http://www.konfliktbearbeitung.net/downloads/file285.pdf



3Aktionsplan "Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung", http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/Themen/Krisenpraevention/Downloads/Aktionsplan-De.pdf, S. 1)



4Diese Berichte stehen wie der Aktionsplan auf der Webseite des Auswärtigen Amtes zu Download zur Verfügung, http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/Themen/Krisenpraevention/Downloads/Aktionsplan-Bericht1-de.pdf bzw. http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/Themen/Krisenpraevention/Downloads/Aktionsplan-Bericht2-de.pdf



51. Bericht, S. 7, s. Endnote 4.



62. Bericht, S. 14, s. Endnote 4



7FriEnt ist eine Kooperation zwischen BMZ, GTZ mit Entwicklungsorganisationen und einem Forschungsinstitut mit der Aufgabe, das Thema Friedensförderung in allen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit besser zu verankern.



8Zum Programm zivik (zivile Konfliktbearbeitung) des Instituts für Auslandsbeziehungen e. V. (ifa) in Berlin vgl. http://www.ifa.de/foerderprogramme/zivik/warum-zivik/



9Vgl. "Das Afghanistan-Konzept der Bundesregierung" vom 9. September 2008, http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Infoservice/Broschueren/AFGHKonzeptBuREG.pdf



10S. Endnote 4.



11Vgl. http://www.konfliktbearbeitung.net/downloads/file1135.pdf



12Vgl. http://www3.gkke.org/fileadmin/files/publikationen/2008/GKKE_46-zivile_krisenpraevention.pdf






Ute Finckh ist Vorsitzende des Bundes für Soziale Verteidigung (BSV).

E-Mail: info (at) soziale-verteidigung (Punkt) de

Website: www.soziale-verteidigung.de
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