FF2009-5


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 Initiativen

Bericht vom Widerstandscamp in der Eifel

Vier bunte Wochen in Büchel

Marion Küpker

Auf dem NATO-Luftwaffen-Stützpunkt lauern nicht nur Atomwaffen! Vier Wochen lang - vom 13. Juli bis 9. August - gingen kreative Aktionen vom Gaaalischen Dorf, unserem Widerstands-Camp in der Eifel, aus. Es gelang uns, den geregelten Ablauf auf dem Fliegerhorst Büchel zu stören und die Diskussion in der Region um das Thema der illegalen US-Atomwaffenstationierung, aber auch der dortigen Uranwaffen sowie der langsam durchsickernden Bücheler Kriegsbeteiligung in Afghanistan zu bereichern. Wie uns dieses gelungen ist und um unsere Erfahrungen geht es in diesem Artikel.

Wie die Herren der Lüfte zeichnen die Tornados elegant Kunststücke an den Himmel. Diese jungen Piloten - die "Creme de la Creme" mit all ihren herausragenden Auszeichnungen bei Flug- und Sportwettbewerben und ihren guten Gehältern - stammen aus einer Region, wo dieser Beruf bei vielen zur Familien-Tradition gehört. Sie sind keine gewöhnlichen Fußsoldaten, sondern fühlen sich als die eigentliche Landessicherung, deren modernste Technik in ihren Händen liegt! Aber es gibt auch die anderen, die für andere Aufgabenbereiche zuständig sind. Unser tägliches Aufeinandertreffen war gemischt, vom offensichtlichen Ignorieren, Provozieren, aber auch gegenseitiger Achtung und Humor gekennzeichnet.



Narretei gegen Kriegstreiberei

Und da kamen wir nun immer wieder in Kleinstgruppen - "als bunte Narren", um ihnen schon früh morgendlich ab 6.30 Uhr bei Arbeitsantritt mit unserem pinken entmilitarisierten Bundeswehrgeländewagen am Haupttor in Morgenmänteln mit Kaffeetassen, Transparenten wie z.B. "Obama, your illegal nukes are here!" oder u.a. der Broschüre "Alternativen zum Militär" der DFG-VK Gruppe Kiel aufzulauern, um sie über die völkerrechtswidrigen Kriege und alles was damit zu tun hat, zu informieren. Als die herbeigerufene Polizei zur Personalienfeststellung meist ganz aus Cochem heraneilte, war es bereits wieder 7.15 Uhr und damit der Arbeitsverkehr vorbei. Frühstück im Camp machten in der Regel die AktivistInnen, die sich morgens zur Mahnwache aufgemacht hatten und teilten anschließend amüsiert die Reaktionen auf unsere neuesten Transparente mit und wer von ihnen das meiste Infomaterial los wurde.

Infostände, Flugblätter verteilen vor den einschlägigen Supermärkten und Plakate verkleben, ob für unsere Konzerte und Kundgebung oder für den ökumenischen Gottesdienst, führten zu vielen Kontakten. Unsere Konzerte waren sehr schlecht besucht, u.a. begründet durch die regionalen Parallelveranstaltungen wie das "Nature One" - und "Lott" -Festival, wo ca. 80.000 junge Menschen ihr Wochenende verbrachten. Weitere Gründe sind der gesellschaftliche Stand, den die Luftwaffe hier hat und der starke Gegenwind, den Leute erfuhren, wenn sie sich mit uns öffentlich solidarisierten. Mit den Gruppen die bandbreite, rbm655 und audio injection und unseren super Camp-Gitarristen Jan und Toni hatten wir aber trotzdem eine tolle Party.



Das "Rosen Go In"

Die erste angekündigte gewaltfreie Aktion zivilen Ungehorsams, das "Rosen Go-In" fand bereits in der zweiten Camp-Woche statt. An ihr nahmen Mitglieder des Initiativkreises gegen Atomwaffen, der GAAA, und eine Person vom Deutschen Friedensrat und eine weitere aus Belgien teil. Die Besonderheit dieser Go-In Aktion war die Teilnahme des Pfarrers Engelke, der bereits vor vielen Jahren erklärte, wenn nach der 7. Umrundung des Fliegerhorstes immer noch Atomwaffen da sein sollten, dann wäre auch er zu weitergehenden Aktionen zivilen Ungehorsams bereit. Ziel der Aktion war es, den Soldaten auf dem Militärgelände Rosen zu übergeben und sie aufzufordern, das Militärgelände zu verlassen, nach dem Motto: "Wenn wir Hausfriedensbruch begehen, dann sollen die Soldaten Kriegsbruch begehen!" Am Fliegerhorst waren Polizei und Bundeswehr mit viel Personal sehr gut vorbereitet, um ein Eindringen auf jeden Fall zu verhindern. Allerdings rechneten sie nicht mit einem Eindringen in die zum Flugplatz gehörende Kaserne Cochem-Brauheck, wo die Truppenunterkünfte des JaboG 33 liegen. Die Aktivisten fuhren mit Autos schnell an das dortige Haupttor ran und drangen in das Gelände ein, bevor es versperrt werden konnte. Dreien (u.a. dem Pfarrer) droht jetzt ein Verfahren wegen Hausfriedensbruch. Die regionale Rhein-Zeitung, die fast täglich über unsere Aktionen berichtete, titelte überspitzt: "Aktivisten stürzten Kaserne ins Chaos".



Straßentheater und Clowns

Für die dritte Woche wurde ein Straßentheaterstück gegen die Atomwaffen eingeübt und in den umliegenden Städten Trier, Koblenz, Mainz und Mayen aufgeführt. Aus Trier kam hierdurch sogar ein geläuterter Ex-Soldat zum Camp zu Besuch, der noch 2005 in Büchel stationiert war, und seine Erfahrungen mit uns teilte. Junge Menschen aus der Region kamen animiert durch die Berichterstattung der Medien, die aber oft wieder fort gingen (Kulturschock), da sie z.T. sehr konfrontative Aktionen mit den Soldaten wollten oder ihnen die warme Dusche fehlte. Mit vielen netten Besuchern diskutierten wir angeregt, hatten aber auch nachts einmal ungebetene jugendliche Gäste, die uns mit themenbezogenen Stammtischparolen provozieren wollten und einige unserer Transparente und Fahnen stahlen - was ja bei den Fahnen sehr symbolträchtig ist. Da drei dieser "Provokateure" von der Polizei aufgegriffen wurden, kam es hier noch zu einer angenehmen gemeinsamen Aussprache.

In der vierten Woche ging es verstärkt frech rund: die Clownsarmee trainierte und behinderte anschließend am Hiroshimatag zusammen mit RadfahrerInnen den Verkehr im Kreisel vorm Haupttor, die Ordensleute für den Frieden und Mitglieder des Internationalen Versöhnungsbunds umrundeten den Fliegerhorst, blaue Friedensballons schwammen auf der Mosel gegen unser atomares Untergehen, "Flashmob"-Aktionen, beispielsweise "Schlafen gegen Atomwaffen -Träumen vom Weltfrieden" mit Bettzeug am Haupttor, die so plötzlich endeten wie sie begannen, so dass die herbeigerufene Polizei "zu spät" kam, eine "Fernsehnacht" mitten auf der Verkehrsinsel vor der Fliegerhorst-Zufahrt führte zu ratloser Polizei, die um Eis gebeten wurde, die Fahrrad-Aktionstour "Auf Achse für den Frieden" zeigten uns ein Straßentheaterstück.



Weitere Inspektions- und Go-In Aktionen

Die "UN Blaudrachen-Inspektion": selbstgebastelte Drachen flogen in der Einflugschneise des Jagdbomber-Flugplatzes und "beobachteten" das Geschehen auf dem Stützpunkt, wobei sich ein Drache über den Zaun losmachte. Einigen vom Bund für Soziale Verteidigung (BSV) und Ban All Nukes generation (BANg) droht jetzt laut Polizei eine Anzeige wegen Störung des Flugverkehrs.

Bei einer weiteren Go-In Aktion schnitten drei AktivistInnen den Maschendraht am Fliegerhorst Büchel auf, um durch den dahinter liegenden NATO-Draht zu robben. Niemals zuvor hatte sich die GAAA an den NATO-Draht getraut, um jetzt von anderen zu lernen, dass mensch mit Handschuhen diesen ganz einfach auseinander halten kann und er überhaupt kein Hindernis darstellt. Am Zaun befestigten sie ein Transparent mit der Aufschrift "Keine Uranwaffen! GBU-24 +TAURUS auch ILLEGAL!", da diese Uranwaffen neben den ca. 20 US-Atombomben (B-61) in Büchel stationiert sind. Der Taurus, die modernste Abstandswaffe der Welt, wurde im Jahre 2005 durch den deutsch-schwedischen Konzern TAURUS Systems GmbH (EADS/LFK-Lenkflugkörpersysteme GmbH [67 %] und Saab Bofors Dynamics) entwickelt. Die deutsche Luftwaffe unterhält 600 dieser gefährlichen Marschflugkörper. Zudem kann der Taurus mit Atomsprengköpfen - auch mini-nukes - bestückt werden (laut Veröffentlichung von T. Rödl, Sprecher d. DFG-VK), ähnlich wie der mini-nuke Atomsprengkopf B-61 11 auf die US-Atombomben in Büchel passt. Die belgische Aktivistin überreichte einem der Feldjäger zwei Broschüren über die gesundheitlichen Folgen von Uranwaffen mit der Bitte, sie an den deutschen und den US- Kommandanten zu übergeben. Zum ersten Mal erhielten AktivistInnen für solch eine Aktion eine Anzeige wegen "schweren Landfriedensbruchs".

Weitere Hintergrundinformation und schöne Bilder findet ihr unter:
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14082, http://www.arbeiterfotografie.com/galerie/reportage-2009/index
-2009-08-07-09-buechel-atomwaffen.html
und auf unserer Webseite: http://www.bye-bye-nuclear-bombs.gaaa.org.

Die Aktionen endeten am Nagasakitag, dem 9. August, mit einer Demonstration und Kundgebung, u.a. mit Elisabeth Bernhard, Trägerin des rheinland-pfälzischen Friedenspreises 2009. Ein Friedenspfahl, gespendet vom Bürgermeister von Mutlangen, wurde am Haupttor gesetzt mit Aufschrift "Möge Friede auf Erden herrschen".





Marion Küpker ist Koordinatorin der GAAA und Internationale Koordinatorin gegen Atom- und Uranwaffen der DFG-VK.

E-Mail: marion (at) gaaa (Punkt) org
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