Bedrohter Diskurs

Buchbesprechung: Deutsche Stimmen zum Ukrainekrieg

von Christine Schweitzer
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege

Für den Band „Bedrohter Diskurs“ haben die beiden Herausgeber, der Aktivist Hermann Theisen und der Verleger Helmut Donat, 57 Autor*innen gewinnen können, die jeweils auf wenigen Seiten ihre Sicht auf den Krieg, seine Ursachen und seine Begleitumstände darstellen.

Unter den Autor*innen sind etliche prominente Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und Politiker*innen, darunter u.a. Franz Alt, Christoph Butterwegge, Jochen Cornelius-Bundschuh, Eugen Drewermann, Margot Käßmann, Heribert Prantl, Michael von der Schulenburg, Kathrin Vogler und Sahra Wagenknecht. Daneben gibt es auch Aufsätze von Friedensaktivist*innen wie z.B. Clemens Ronnefeldt und Angelika Wilmen.

Die meisten Beiträge sind Variationen dessen, was im Klappentext angekündigt wird: Sie „verdeutlichen, was sich im bisherigen Diskurs kaum artikulieren ließ. Dazu gehört, dass es in dem Meinungsstreit, von alten wie neuen Kalten Kriegern forciert, um eine Militarisierung der Gesellschaft geht und dass es, um weiteres Blutvergießen und Elend zu verhindern, darauf ankommt, den Krieg durch Verhandlungen zu beenden, jedweden ‚Siegfrieden‘-Parolen eine Absage zu erteilen und zu einer Politik der Entspannung zurückzukehren, die nicht den Krieg, sondern den Frieden als ‚Ernstfall‘ begreift.“ Die Artikel können hier nicht im Einzelnen zusammengefasst werden – das ist bei 57 Beiträgen sowieso nicht möglich, aber die Darstellung aus dem Klappentext fasst die Kernthesen gut zusammen.

Nur einige wenige Autor*innen wählten andere Themen. Drei Beispiele: Jochen Cornelius-Bundschuh, ehemaliger Bischof der badischen Kirche, schreibt über die deutsch-französische Aussöhnung als Modell für eine zukünftige Aussöhnung zwischen Russland und der Ukraine. Ute Finckh-Krämer, ehemalige Bundestagsabgeordnete der SPD und langjährige Friedensaktivistin, geht das Thema der Versöhnung über die Rolle der Diaspora an, bei der sie praktische Ansätze der fortgesetzten Kooperation von Menschen aus beiden Ländern beobachtet hat. Der wahrscheinlich jüngste Autor, Max Weber (*1990), weist darauf hin, dass die Mehrzahl der jüngeren Menschen der sog. „Generation Y“ (zwischen 1981 und 1995 Geborene) in einer Umfrage Anfang 2023 mehrheitlich die Lieferung von Kampfpanzern ablehnte. Er wünscht sich, dass von dieser Generation „wichtige Vorschläge für eine neue Friedensordnung“ kommen würden.

Das Buch ist empfehlenswert für Menschen, die nicht unbedingt ein ganzes Buch am Stück über den Krieg lesen wollen, sondern sich Positionen in kleinen Häppchen zu Gemüte führen möchten. Oder die eine Quelle für Zitierenswertes von Prominenten suchen. Aber es gibt auch deutliche Schwächen: Sehr viel wiederholt sich, und ein roter Faden ist nicht erkennbar. Dazu kommt: Lediglich elf der Beiträge wurden von Frauen verfasst und nur vier von Menschen, die nach 1970 geboren wurden. Damit fehlen wichtige Perspektiven in dem Buch.

Theisen, Hermann und Donat, Helmut (Hrsg.) (2024): Bedrohter Diskurs. Deutsche Stimmen zum Ukrainekrieg. Bremen: Donat Verlag, ‎368 S., ISBN 978-3949116216, 24,90 Euro

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Krisen und Kriege
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.