Information als Waffe

Die Nato perfektioniert die psychologische Kriegsführung

von Bernhard Trautvetter

Vom 23.-25.11.2015, also gerade während dieses Friedensforum in den Satz ging, fand in Essen die Jahreskonferenz des Joint Power Competence Centre statt. Das von der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung „Militärische Denkfabrik für die Welt“ genannte Zentrum hält seit 2005 Jahreskonferenzen ab, zu denen die Kalkarer Nato-Einrichtung selber sagt, sie hätte über die letzten zehn Jahre hunderte wichtiger politischer, militärischer, industrieller und akademischer Führungskräfte als TeilnehmerInnen verzeichnen können.

Diese Konferenzen versteht das Zentrum „of Excellence“ als Katalysatoren für Neuerungen in den Strategien der Militärs, hier ausgehend von der Luftwaffe. Ihre Bedeutung für die Strategie-Entwicklung im konzeptionellen Bereich wurde klar, als 2006 Drohnen unter dem Begriff „Unbemannte fliegende Vehikel“ Konferenzgegenstand waren.  General Hobbins, Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, betonte auf dieser Konferenz, dass unbemannte Fluggeräte in allen militärischen Bereichen wichtig für die Überlegenheit der NATO seien. General Hobbins fügte an: „Wir brauchen unbemannte Luftfahrzeuge, die so operieren können, wie bemannte ... Wir benötigen unbemannte Luftfahrzeuge, die bei Luftschlägen gemeinsam mit bemannten Fluggeräten fliegen können ... Und wir brauchen Kommandeure, die unbemannte und bemannte Systeme gleichermaßen effektiv einschätzen.“ (1) 

Die Drohnenkrieg-Strategie wurde auf der Konferenz des Jahres 2010 weiter unter dem Begriff „Expeditory Operation“ konkretisiert. Es ging dabei darum, wie Potenziale der Luftwaffe und weltall-gestützter Militärsysteme eine gemeinsame, agile und „expeditorische“ Vorgehensweise ermöglichen, auf den wiederholt verniedlichend „Theater“ genannten Schlachtfeldern die eigene maximale Handlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten.

Der Begriff „expeditorische Operation“ (EO) beschreibt einen nicht-erklärten Krieg gegen ein Land, das Angriffsziel von Drohnen-‚Expeditionen‘ wird, wie es unter anderem in Pakistan, Somalia, Jemen oder Syrien der Fall ist. Er ist eine geschickt gewählte Verharmlosung für die Aushebelung des Völkerrechts. Ist die rote Linie des Völkerrechtsbruches erst einmal überschritten, dann ist das wie ein Dammbruch, auf den dann die Institutionalisierung des Rechts des Stärkeren folgt. Dem entspricht das Selbstverständnis der NATO, ohne Rücksicht auf das Recht handeln zu können, weil man ja das Gute verkörpere ...

Mark Laity, Chief of Communications bei der NATO, hielt 2012 einen Vortrag zur “Strategic Communication“ (2), in dem er Einblicke in Inhalte gab, die in der Essener NATO-Konferenz zu erwarten sind: Die neue Frontlinie sei das Informations-Schlachtfeld. Jede Aktion sende eine Botschaft, aber Aktionen müssen „geformt werden“. Die NATO müsse Information genauso als Waffe benutzen wie Artillerie und Luftwaffe. Kriege könnten heute nicht ohne Medien gewonnen werden. Es gehe dabei um die Herausforderung, schnell und flexibel zu sein, Personalisierung sei wichtig, und damit der Zugang zu sozialen Medien, um die Menschen direkt ansprechen zu können. Die Ummünzung der Information wandte er am Beispiel des Fiaskos an, das die USA im Vietnamkrieg erlebt haben: „Wir kämpften den Vietnamkrieg nicht neun Jahre, sondern wir kämpften das Gleiche ein Jahr lang neun Mal.“ Sie haben gelernt, dass sie den Vietnamkrieg auch wegen der öffentlichen Empörung gegen das Massaker von My Lai, der Napalm-Angriffe auf wehrlose Dörfer und der Lüge in der Affäre von Tonking (3) verloren haben.

Die USA haben gelernt, wie Mark Laity zusammenfasst: Das Schlachtfeld ist nicht mehr notwendigerweise ein Feld. Es ist in den Köpfen der Menschen. Was zählt, ist, was sie für wahr halten.

So kann die Nato den Angriff auf ein Krankenhaus in Kundus weitgehend aus den Medien und damit aus der Erinnerung verdrängen. Man kann die Gegenseite dämonisieren und sich so darstellen, dass jedes Mittel durch den vermeintlich guten Zweck geheiligt wird. Das geht bis zur Drohung mit dem Atomkrieg, wie es Pentagon-Chef Carter am 8.11.2015 unter Verweis auf die Kriegsspannung an der Westgrenze Russlands tat, wo sich die Nato breit macht und einrichtet, um die Menschen und Staaten vor Ort vor an die Wand gemalten russischen Aggression mittels atomarer Abschreckung zu schützen, so als sei ein Überfall Russlands auf einen Nato-Partner wahrscheinlich.

 

Anmerkungen

1 http://media.aero.und.edu/uasresearch.org/documents/057-58_Contributing-Stakeholder_NATO-JAPCC.pdf

2 Siehe http://www.aco.nato.int/stratcom.aspx und http://www.smartcomms.org/wp-content/uploads/2011/11/Organizational-Issues.pdf

3 Diese Affäre deckte Snowdens Vorgänger Daniel Elsberg in den Pentagon Papieren auf: Die US-Navy ließ ein Schiff angreifen, schob den Angriff den Kommunisten zu und eröffnete danach den Bombenkrieg gegen Nordvietnam.

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Bernhard Trautvetter, Mitglied im Essener Friedensforum und Gründungsmitglied von Schule ohne Bundeswehr NRW, friedenspädagogisch und -politisch auch in der GEW NRW aktiv, Lehrer an einem Berufskolleg im Ruhrgebiet, Beiträge zu unterschiedlichen Themen u.a. in Zeitschriften wie neue deutsche schule, Friedensforum; eigene Website: www.fotolyrikart.eu.