Bundestagswahlen

Friedensbewegung in Wahlkampfzeiten

von Christine Schweitzer
Initiativen
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Es gibt drei Gründe, aus denen sich ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete für ein Anliegen von Bürger*innen interessiert, die als Kanäle für ein erfolgreiches Ansprechen von Politiker*innen dienen können: Der erste Kanal ist, dass die entsprechende Bürger*in im Wahlkreis des*der Politiker*in lebt und damit eine potenzielle Wähler*in ist. Zum zweiten könnte das Thema, das angesprochen wird, von besonderem Interesse für den*die Politiker*in sein - er*sie zum Beispiel in entsprechenden Ausschüssen, Unterausschüssen oder parlamentarischen Arbeitsgruppen tätig ist – was man über die Seite www.bundestag.de leicht herausfinden kann. Oder zum dritten, weil das Thema so hohe Wellen schlägt, dass eine Erwartungshaltung entsteht, dass sich alle damit beschäftigen. Solches sind oft Themen, die ausschlaggebend bei Wahlentscheidungen sind.

Einschlägige Ausschüsse und Unterausschüsse, die etwas mit Krieg und Frieden zu tun haben, sind neben dem Verteidigungsausschuss u.a. der Auswärtige Ausschuss, der Unterausschuss Abrüstung, der Unterausschuss Zivile Krisenprävention und der Unterausschuss Vereinte Nationen.

Sinngemäß trifft diese Aufzählung genauso für Kandidat*innen für den Bundestag zu, die noch keine Abgeordneten sind. Sie können natürlich noch nicht einzelnen Ausschüssen zugeordnet werden, aber sie äußern sich auf ihren Websites zu bestimmten Themen und zu ihrem Lebenslauf, ehrenamtlichem Engagement usw., was einem gute Hinweise auf ihre Interessensgebiete und mögliche Türöffner geben kann.

Die schlechte Nachricht dabei: „Frieden“ war leider noch nicht einmal zur Blütezeit der Friedensbewegung in den 1980er Jahren ein wirklich wahlentscheidendes Thema, auch wenn die Regierung von Bundeskanzler Schmidt sich wegen der Atomwaffen mit ihrem Koalitionspartner FDP zerstritt und 1982 durch ein Misstrauensvotum abgesetzt wurde . Derzeit sind die Forderungen der Friedensbewegung wohl eher ein Randthema, das – vielleicht  abgesehen von dem Streit in der SPD über die Anschaffung bewaffneter Drohnen – nur wenige Politiker*innen wirklich umtreibt. Dessen muss man sich bewusst sein und sollte deshalb eher auf die ersten beiden oben genannten Kanäle setzen – Wahlkreis und Interessensgebiete.

Die gute Nachricht ist: Selten sind Abgeordnete und Parteifunktionär*innen so ansprechbar wie in Zeiten des Wahlkampfs. Das gibt uns die Gelegenheit, sie mit unseren friedenspolitischen Forderungen zu konfrontieren.

Themen
Viele Friedensorganisationen sind im Moment dabei, sich darauf vorzubereiten, ihre Anliegen in den Wahlkampf einzubringen. Es werden sicherlich von einigen Initiativen und Bündnissen Wahlprüfsteine entwickelt werden, in der Vergangenheit geschah dies u.a. von der Aktion Aufschrei und dem Bund für Soziale Verteidigung. Andere treiben ein einzelnes bestimmtes Anliegen voran- so sucht z.B. das Netzwerk Friedenssteuer die Unterstützung für seine Forderung nach einem Friedenssteuergesetz.

Generell lässt sich sagen, dass sich derzeit wohl vier Hauptthemen abzeichnen, die bei dem Herantreten an die Politik eine Rolle spielen werden: Die Anschaffung bewaffneter Drohnen (s. auch den Schwerpunkt in diesem Heft zu dem Thema), Atomwaffen, die Erhöhung des Rüstungshaushalts auf die von der NATO geforderten 2 % des BIP und – ein Dauerbrenner - Rüstungsexporte. Daneben gibt es natürlich noch viele weitere mögliche Themen, von der verstärkten Förderung Ziviler Konfliktbearbeitung über Veränderung der Politik gegenüber Russland bis hin zu Deutschlands Agieren in internationalen Zusammenschlüssen und Organisationen wie der Europäischen Union und den Vereinten Nationen.

Vielversprechend ist zum Beispiel, neu gewählte oder auch andere Abgeordnete einladen, die ICAN-Abgeordnetenerklärung (https://www.icanw.de/abgeordnetenerklaerung/ zu unterzeichnen oder mit kommunalpolitisch Aktiven über den ICAN-Städteappell (https://www.icanw.de/ican-staedteappell/) zu sprechen.

Zeitpunkte
Auch wieder sehr allgemein gesprochen, gibt es in Wahlzeiten drei Phasen, die für eine Einflussnahme genutzt werden können. Die erste ist, dass Parteien Wahlprogramme schreiben. Im März dürfte diese Phase allerdings schon im Wesentlichen abgeschlossen sein, aber eine Prüfung lohnt sich. Um Wahlprogramme – die i.d.R. von Parteidelegiertenversammlungen (Parteitagen) beschlossen werden – zu beeinflussen, lohnt es sich, nicht nur auf Abgeordnete und Möchte-gern-Abgeordnete zu schauen. Alle Delegierten, die zu Parteitagen fahren und Gruppen innerhalb von Parteien (Arbeitsgemeinschaften, Jugendorganisationen, Arbeitnehmervertretungen, kirchlich engagierte Delegierte) können solche Programme und die Diskussion um sie beeinflussen.

Die zweite Phase ist der Wahlkampf selbst. Möglichkeiten der Einflussnahme bieten sich u.a.:

  • in Gesprächen an Infoständen der Parteien auf der Straße,
  • durch schriftliche Anfragen an die jeweiligen Partei- und Wahlkreisbüros,
  • bei persönlichen Terminen mit Abgeordneten bzw. Kandidat*innen (hier nehmen Sie am besten ersten Kontakt meist über deren Mitarbeiter*innen auf)
  • bei Bürger*innensprechstunden, öffentlichen Frühstückseinladungen und dergleichen, die viele Kandidat*innen in ihrem Wahlkreis organisieren
  • bei Onlineveranstaltungen, sollten diese 2021 herkömmliche Wahlkampfveranstaltungen ersetzen und/oder
  • durch Anfragen auf der Onlineplattform www.abgeordnetenwatch.de – einem Portal zur Befragung von Abgeordneten des Deutschen Bundestags.

Und noch ein Tipp: Die Initiative https://abstimmung21.de/die-kampagne/ plant, parallel zur Bundestagswahl eine bundesweite Abstimmung von Top-durchzuführen. Welche Themen das sein sollen, wird vom 1. Januar bis 31. März 2021 festgelegt. Die Initiative „Sicherheit neu denken“ bemüht sich darum, Friedensthemen unterzubringen. Das Ziel der Initiative ist, für die Etablierung verbindlicher bundesweiter Volksabstimmungen zu werben.

Die dritte Phase beginnt, wenn sich Parteien zu Koalitionsverhandlungen zusammenfinden und einen Koalitionsvertrag schreiben. Das Zeitfenster hier ist nicht groß – oftmals werden solche Verhandlungen in wenigen Wochen abgeschlossen, aber eine gezielte Einflussnahme durch Politiker*innen der verhandelnden Parteien sind in der Vergangenheit schon möglich gewesen, um bestimmte Vorhaben unterzubringen oder zu streichen. Diese Politiker*innen muss man natürlich beizeiten schon angesprochen haben, so dass sie schon hellhörig sind und ohne großen Aufwand an das erinnert werden können, was sie u.U. während des Wahlkampfes gegenüber einer Friedensini versprochen haben.

In diesem Sinne: Packen wir’s an!

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.