Sicherheitskonferenz

Gerangel um Geld

Beim Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf – und das war auch die zentrale Ansage, mit der die US-Delegation bei der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar 2017 aufschlug. Die Konferenz war dieses Mal mit besonderer Spannung erwartet worden, handelte es sich doch um den ersten größeren Auftritt der neuen US-Regierung von Donald Trump, die zudem schon im Vorfeld angekündigt hatte, in Sachen transatlantischer Lastenteilung Klartext reden zu wollen. Bereits im Vorfeld um Ausgleich bemüht war da Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die mit Blick auf den US-Verbündeten unmittelbar vor Tagungsbeginn in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel mit dem vielsagenden Titel  „Wir haben verstanden“ veröffentlichte.

Für die US-Seite gab Vizepräsident Mike Pence die Richtung vor. In seiner Münchner Rede betonte er zwar einerseits, dass die NATO – trotz der ein oder anderen missverständlichen Aussage des US-Präsidenten – weiterhin von zentraler Bedeutung für die USA sei; andererseits vergaß er aber nicht nachzuschieben, dies sei nur dann auch künftig der Fall, sollten die EU-Verbündeten bereit sein, einen höheren Anteil der Kosten zu übernehmen: „Lassen Sie es mich an dieser Stelle deutlich sagen: Der Präsident der Vereinigten Staaten erwartet von seinen Verbündeten, dass sie ihre Zusagen einhalten. Und für die meisten bedeutet das, dass die Zeit gekommen ist, mehr zu tun.“

Gemeint ist hier die Umsetzung der auf dem NATO-Gipfel in Wales im September 2014 vereinbarten – nicht bindenden – Absichtserklärung, dass alle Mitglieder spätestens bis 2024 mindestens zwei Prozent ihres BIP für das Militär ausgeben sollten. Um sich die Dimensionen zu vergegenwärtigen, über die hier geredet wird: Bei einem geschätzten Wirtschaftswachstum von zwei Prozent jährlich müsste der deutsche Verteidigungshaushalt, um das Zwei-Prozent-Ziel zu halten, von 37 Mrd. Euro (2017) auf über 75 Mrd. (2024) anwachsen. Dennoch ließen es sich sowohl Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als auch Kanzlerin Angela Merkel in ihren Reden auf der Sicherheitskonferenz nicht nehmen, sich zum Zwei-Prozent-Ziel zu bekennen. Allen Lippenbekenntnissen zum Trotz dürfte beiden sehr wohl klar sein, dass dies kaum realistisch umsetzbar sein dürfte. Der Rekurs auf das Zwei-Prozent-Ziel dürfte aber den „Vorteil“ haben, dass alles unterhalb von derart exorbitanten Steigerungen dann wiederum als vergleichsweise moderat verkauft werden kann.

Mit am ärgerlichsten ist dabei, dass die Bundesregierung beharrlich den Eindruck erweckt, als sei die Bundeswehr in den letzten Jahren systematisch kaputt gespart worden – nichts könnte weiter von der Realität entfernt liegen: Im Jahr 1999 belief sich der Rüstungshaushalt noch auf (umgerechnet) etwa 24,3 Mrd. Euro. 2006 waren es dann 27,8 Mrd. Euro, um bis 2010 auf 31,1 Mrd. weiter anzuwachsen. Gemäß dem Sparbeschluss der Bundesregierung vom Juli 2010 hätte der Haushalt dann bis 2014 wieder auf 27,6 Mrd. Euro abgesenkt werden müssen. Doch der Beschluss wurde schnell wieder kassiert: 2014 waren es 32,5 Mrd. Euro, die in den Militärhaushalt gepumpt wurden. Doch das war nichts gegen die saftigen Erhöhungen der folgenden beiden Jahre: 2016 belief sich der Haushalt auf 35,1 Mrd. Euro, und für 2017 sind nun sogar 37 Mrd. eingestellt. Mitte März 2017 gab nun das Finanzministerium zudem auch die „Eckwerte“ mit der mittelfristigen Finanzplanung bis 2021 heraus, die nochmalige saftige Erhöhungen vorsehen: Bis 2021 soll der Etat weiter auf 42,3 Mrd. anwachsen.

Woher das Geld kommen soll, dafür hatte dann Jens Spahn, Staatssekretär im Finanzministerium, auch gleich einen Vorschlag parat: „Etwas weniger die Sozialleistungen erhöhen in dem einen oder anderen Jahr – und mal etwas mehr auf Verteidigungsausgaben schauen.“ Auch aus Sicht von Spahns Chef, Finanzminister Wolfgang Schäuble, ist mehr als genug Geld und Bereitschaft vorhanden, den Militäretat aufzupäppeln – alles nur eine Frage der Prioritäten: „Schauen Sie, wir haben in den letzten zwei Jahren jährlich etwa bis zu 20 Milliarden Euro für Integration, für Fluchtursachen-Bekämpfung, für Migrationssteuerung gemacht. […] Kontinuierlich den Verteidigungshaushalt erhöhen – geht. Man kann sich nicht alles leisten, aber wenn man die Prioritäten richtig setzt, ist es möglich. Den Spielraum dazu haben wir.“

Trotz solch schwindelerregender Zuwächse kommentierten die Medien in dieser Angelegenheit überwiegend, hierdurch werde das Zwei-Prozent-Ziel weiterhin deutlich verfehlt. Ein Ziel, wohlgemerkt, das – eigentlich – bislang unisono allenfalls als grobe Richtlinie und nicht als bindende Verpflichtung verstanden worden war. Erst seit Kurzem wird nun nicht nur von den USA so getan, als handele es sich um eine in Stein gemeißelte Zusage der EU-Verbündeten. Da drängt sich der Verdacht auf, dass vielen PolitikerInnen der Druck von US-Seite angesichts einer gegenüber steigenden Rüstungsausgaben skeptischen Bevölkerung gerade recht kommt. Die scheint der Bundesregierung aber bislang erfreulicherweise nicht auf den Leim zu gehen: Einer N24-Emnid-Umfrage zufolge sprachen sich unmittelbar nach der Münchner Sicherheitskonferenz nur 25 Prozent der Befragten dafür aus, den deutschen Rüstungsetat auf Wunsch der USA zu erhöhen.

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