No to War – Afghanistan

Kriegsdienstverweigerung

von Rudi Friedrich
Schwerpunkt
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Es hat in Deutschland und auch anderen Ländern mehrfach Aufrufe gegeben, den Kriegsdienst in Afghanistan zu verweigern. Das hat aber nicht zu einer großen Zahl von Verweigerungen geführt. Zu Mali gibt es keine Informationen.

Während des 20-jährigen Krieges in Afghanistan gab es Kriegsdienstverweigerung bei den Soldaten und Soldatinnen der westlichen Allianz wie auch der afghanischen Armee. Wirklich belastbare Zahlen gibt es nicht, sondern nur immer wieder mal abgegebene Schätzungen und Hinweise.

Für die USA liegen solche Informationen für einige Jahre nur als Gesamtstatistik vor, betreffen also sowohl den Irak- wie den Afghanistankrieg. So kommt Will S. Hylton 2015 in einem Beitrag für das New York Times Magazin zu folgender Einschätzung über die Zahl der Soldat*innen, die sich zwischen 2001 und 2012 aus den US-Streitkräften unerlaubt entfernt haben: „Die tatsächliche Zahl, basierend auf den Angaben von Armee, Navy, Luftwaffe und Marines dürfte bei 50.000 liegen.“ (1)

Übrigens spiegelt dies auch die Realität wider, denn die Soldat*innen waren durchaus auch sowohl in Irak wie Afghanistan eingesetzt worden. So berichtete Chelsea Manning, die ja als Whistleblowerin viel dafür riskiert und erlitten hat, die Kriegsrealität öffentlich zu machen: „Es begann alles in den ersten Wochen im Jahre 2010, als ich die Entscheidung traf, der Öffentlichkeit ein Archiv von geheimen Dokumenten zu übergeben, die einen zugleich erschreckenden und guten Einblick in die Kriege in Irak und Afghanistan geben. Nachdem ich über Monate meinen Einsatz in Afghanistan 2008 vorbereitete, 2009 in den Irak wechselte und schließlich 2009 und 2010 im Irak war, erkannte ich schnell und vollkommen klar, welche Bedeutung diese Dokumente für die ganze Welt haben.“ (2)

Für Deutschland gibt es Zahlen über die Anträge auf Kriegsdienstverweigerung bezogen auf die gesamte Truppe. So waren von 2015 bis 2019 insgesamt 1.103 Anträge eingegangen. Es ist aber nicht klar, wie viele Anträge von Soldaten bzw. Soldatinnen und wie viele von Reservist*innen gestellt wurden. Ebenso gibt es keine Informationen dazu, inwieweit der Einsatz im Afghanistankrieg Auslöser für die Entscheidung zur Kriegsdienstverweigerung gewesen sein könnte. (3) Für Soldat*innen wurde es zunehmend schwieriger, als Kriegsdienstverweigerer*innen anerkannt zu werden. Zudem wurde von ihnen die Rückerstattung von Ausbildungskosten z.B. für ein Studium verlangt.

Die wohl bekanntesten deutschen Verweigerer sind Jürgen Rose und Florian Pfaff. Jürgen Rose weigerte sich 2007, die Verlegung von Tanklastzügen der Bundeswehr nebst der benötigten Bedienungsmannschaften nach Afghanistan zu organisieren. Florian Pfaff verweigerte 2003 seine indirekte Mitwirkung am Irakkrieg. Beide schieden aber nicht aus dem Militär aus. (4)

Für Großbritannien liegen uns keine Zahlen vor. Es gab einige Verweigerer, die an die Öffentlichkeit gingen und auch strafrechtlich verfolgt wurden. So wurde z.B. der Kriegsdienstverweigerer Michael Lyons 2011 zu sieben Monaten Haft verurteilt (5), der Verweigerer Joe Glenton 2009 zu neun Monaten Haft. (6)

In Afghanistan selber gab es sehr hohe Desertionsraten. So gab das US Defense Department an: „Einer von vier Soldaten hat innerhalb der letzten 12 Monate seit September 2009 den Dienst beendet.“ Als Grund dafür wird unter anderem angegeben, dass sie über Jahre hinweg unter schwierigen Bedingungen eingesetzt waren, ohne ihre Familie sehen zu können. (7)

Es gab zwei wichtige Veranstaltungen, die unter dem Namen „Winter Soldier“ in Erinnerung an entsprechende Antikriegsanhörungen des Vietnamkrieges stattfanden, auf denen ehemalige Soldaten und Soldatinnen der westlichen Allianz über ihre Erfahrungen in Irak und Afghanistan berichteten. (8) Eine „Winter Soldier“-Anhörung fand 2008 in den USA statt, eine kleinere 2009 in Freiburg. (9)

Insgesamt gab es also durchaus viele Tausend Soldaten und Soldatinnen, die sich den Kriegen in Afghanistan verweigert oder entzogen haben oder auf andere Art und Weise dagegen aktiv geworden sind. Nur ein Bruchteil von ihnen ist an die Öffentlichkeit gegangen. Ihre Erklärungen waren allerdings über all die Jahre ein sehr wichtiger Teil der Antikriegsbewegung.

Anmerkungen
1 The New York Times Magazin, 23. Februar 2015. Deutsch: https://de.connection-ev.org/article-2145
2 Chelsea Manning: Chelsea Manning on five years in prison. Guardian, 27. Mai 2015. Deutsch: https://de.connection-ev.org/article-2146
3 Antwort der Bundesregierung, 30.6.2020. Bundestagsdrucksache 19/20480
4 Wikipedia: Jürgen Rose (Publizist), https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Rose_(Publizist); Wikipedia: Florian Pfaff, https://de.wikipedia.org/wiki/Florian_Pfaff
5 War Resisters’ International: Britain: Conscientious objector Michael Lyons sentenced to 7 months’ imprisonment, 5. Juli 2011. https://de.connection-ev.org/article-1405
6 Connection e.V.: Britischer Verweigerer des Afghanistankrieges Joe Glenton aus der Haft entlassen. 28.7.2010. https://de.connection-ev.org/article-1118
7 Wikipedia: History of the Afghan Armed Forces (2002-2021). https://en.wikipedia.org/wiki/History_of_the_Afghan_Armed_Forces_(2002-2021), siehe auch: https://de.connection-ev.org/article-2318
8 Iraq Veterans Against the War: Winter Soldier – Iraq and Afghanistan, 2008. https://www.ivaw.org/wintersoldier
9 Video- und Audioaufzeichnungen vom Hearing Winter Soldier, 17.3.2009. https://de.connection-ev.org/article-681

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