Buchbesprechung

Über die andere Welt, die möglich ist!

von Leila Dregger

Dieter Duhms neues Werk, "Terra Nova - globale Revolution und Heilung der Liebe", macht da weiter, wo Naomi Klein aufhört, wenn sie in ihrem neuen Buch schreibt, die Klima-Bewegung müsse ein Ziel haben, "sonst ist die Angst einfach nur lähmend". In „Terra Nova“ beschreibt der Bestsellerautor der 68er-Studentenbewegung ("Angst im Kapitalismus") eben dieses mögliche Ziel. Terra Nova ist die "andere Welt", von der die Globalisierungsbewegung immer sagte, dass sie möglich sei.

Angesichts der Schrecken des heutigen Turbokapitalismus bietet "Terra Nova" die lang erwartete Theorie für die heutigen revolutionären Bewegungen. Revolution ist für Duhm dabei ein Begriff, der das Innere des Menschen mit einbezieht: "Die Revolution kann gewonnen werden, wenn sie mit der Gewissheit eines positiven Zieles verbunden ist. Wir brauchen eine Revolution, die den Geist anerkennt, die Lust und die Liebe, die Existenzberechtigung aller Mitgeschöpfe und die religiöse Sehnsucht der Menschen. (...) Wir brauchen eine Revolution, nach deren Sieg es keine Verlierer gibt, weil ein Zustand erreicht ist, der allen hilft."

Gleichzeitig ist Terra Nova ein Forschungsbericht nach fast vierzig Jahren Arbeit an einem Gegenmodell zur bestehenden Zivilisation: Der Soziologe und Psychoanalytiker ist Mitgründer des "Heilungsbiotops 1 Tamera", das 1978 gegründet wurde und seit 20 Jahren im Süden Portugals arbeitet. Die Erfahrungen und die Erkenntnisse dieser internationalen Friedensforschungsgemeinschaft mit 170 BewohnerInnen, mit Forschung an ökologischer, ökonomischer, sozialer Nachhaltigkeit und einem global gespannten politischen Friedens- und Aktionsnetzwerk fließen ebenso in das Buch ein wie eine Vielzahl von Beispielen aus Chaostheorie, Ökologie und Geistes- und Religionsgeschichte.

Die Schlussfolgerung, zu der der Autor angesichts vieler Beobachtungen kommt, ist: Die Erde ist heilbar, und das in überraschend kurzer Zeit. Angesichts der planetarischen Zerstörungen und Grausamkeiten, die Duhm mit großer Anteilnahme beschreibt, ist das eine überraschende Behauptung. "Spontan- oder Selbstheilung", so der Autor in einem Interview, "ist kein Wunder, sondern einfach etwas, das die Wissenschaft noch nicht erklären kann. Und doch geschieht sie zu häufig, als dass wir sie ignorieren können. Heilung ist die Kooperation mit dem Holon, dem Ganzen des Lebens. Diese Prinzipien können wir auf die ganze Erde anwenden."

So wie auch in verwüsteten Regionen binnen kürzester Zeit wieder Biotope aufblühen, wenn die notwendigen Parameter wie Wasser und fruchtbarer Boden wieder intakt sind, so kann auch die Erde wieder regeneriert werden, wenn die menschlichen Parameter intakt sind. In seiner politischen Vision, untermauert durch die Erfahrung von Tamera, sieht er "an Stelle der alten Megasysteme dezentrale, kleine, weitgehend autarke Systeme für die Grundversorgung des Menschen mit materiellen Gütern (Wasser, Nahrung, Energie) sowie für die Versorgung mit Kultur, Geist und Eros. Diese Bewegung führt zu einer allmählichen Auflösung der Nationalstaaten. ... Die neue planetarische Gemeinschaft wird sich rapide ausbreiten, sobald die ersten funktionierenden Modelle existieren."

So radikal diese These ist, Duhm geht noch weiter: Diese andere Gesellschaftsordnung wird nach seiner Analyse nur aufzubauen sein durch eine radikale Selbstveränderung des Menschen, durch die Auflösung dessen, was er das "menschheitliche Trauma" nennt: "Unter dem Hammer der mehrtausendjährigen Gewalt zerbrach die Liebe. Hinter dem Unglück unserer Zivilisation steht ein kollektives Unglück in der Liebe. Die globale Friedensbewegung wird die Mächte der Zerstörung nur überwinden können, wenn sie hier, im Liebesbereich, eine glaubwürdige Alternative gewonnen hat." Wie das aussehen kann, beschreibt er anhand der vierzigjährigen Forschungsarbeit von Tamera.

Fazit: Es ist eines dieser herausfordernden Bücher, für die man ein neues Ressort erfinden müsste, z.B.: radikale Zukunftsperspektiven. Man sollte sich viel Zeit für das Studium nehmen. In mir hat die Lektüre echte Zukunftsfreude ausgelöst: Die Erde ist tatsächlich heilbar.

Dieter Duhm (2015) Terra Nova - Globale Revolution und Heilung der Liebe. Verlag Meiga. ISBN 978-3-927266-52-0, 240 S., 17,80 €

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