Redebeitrag für die Hiroshima-Gedenkveranstaltung in Frankfurt am 4. August 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 04.08., Redebeginn: ca. 11 Uhr -

 

Erinnerung und Mahnung - 1945 Ende des II. Weltkriegs und Beginn der Drohung mit Atomkrieg

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde,

Es ist 73 Jahre her. Deutschlands Armee war vernichtend geschlagen, die meisten deutschen Städte lagen in Trümmern, auch unser Frankfurt.  Hitler hatte mit der  Bombardierung englischer Städte in dem Irrglauben begonnen, damit die Widerstandskraft der englischen Menschen zu schwächen. Dasselbe taten dann später die Briten und Amerikaner. Besonders in den letzten drei Kriegsjahren warfen Hunderte britische und amerikanische Flugzeuge Abertausende Brand-und Sprengbomben auf die deutschen Städte. Sie taten es aus dem gleichen Grund, wie die Nazi-Regierung begonnen hatte. Die Widerstandskraft und Unterstützung der Zivilbevölkerung sollte geschwächt werden, ein Aufstand gegen das Regime wurde erhofft. Die kriegstechnisch vollkommen unnützen, aber gegen das Kriegsvölkerrecht und die Genfer Konventionen verstoßenden Bombardierungen gingen bis wenige Tage und Wochen vor der Kapitulation weiter, so auch auf die mit Flüchtlingen gefüllte Stadt Dresden.  Und dabei waren doch eigentlich die Zivilbevölkerung durch die Genfer Konventionen geschützt, aber im Krieg gibt es kein „eigentlich“, keine Respektierung des „Kriegsvölkerrechts“ und der Ethik, schon gar nicht der christlichen Ethik.

Wir Deutschen und alle Europäer waren froh über das Ende des Krieges und hofften nun auf ein baldiges Ende auch des Japankriegs. Die japanische Armee war bereits geschlagen, und die Regierung beschloss die baldige Kapitulation,  besonders nach dem Einmarsch der Sowjetunion in die Mandschurei. Da passierte das Unerhörte und der Gipfel der Inhumanität: Wenige Tage vor der geplanten Kapitulation gab US-Präsident Truman die Order, noch  bevor sich Kaiser Hirohito ergeben habe, die beiden gerade fertig gewordenen Atombomben, die Plutoniumbombe über Hiroshima und drei Tage später die Uranbombe über Nagasaki abzuwerfen. So konnten die USA die Sofort- und Langzeitwirkung auf die Menschen und lebende Natur beobachten und auswerten, und außerdem Marschall Stalin konnte beeindruckt werden. Man hatte keine unbewohne Insel gewählt, auf der man die gewaltige Zerstörungskraft der neuen Waffen hätte demonstrieren und testen können, nein,  man hatte sogar die Vormittagsuhrzeit ausgewählt, in der die Bevölkerung auf den Straßen ist. Zehntausende Kinder, Frauen und Männer starben, sie verglühten oder verbrannten, zerbrachen, wurden verwundet oder starben an der radioaktiven Strahlung.  

Nach Kriegsende begann, wie wir alle wissen, das Wettrüsten mit Atomwaffen. Der Wahnsinn der Politiker, Militärs und Techniker schuf 50.000 Atombomben, je 25.000 für die amerikanischen und sowjetischen Depots. Mit ihnen hätte die Erdoberfläche viele Male total ausgelöscht werden können. Erst später erfuhren die Menschen der Welt, wie nahe sie einem die Erde zerstörenden Atomkrieg gewesen waren. So sagte in mehreren Reden der frühere Oberbefehlshaber der amerikanischen  Atomstreitkräfte, General Lee Butler, der nach Kriegsende ein erbitterter Gegner der Atomwaffen geworden war „wir sind im Krieg dem atomaren Holocaust nur durch eine Mischung von Sachverstand, Glück und göttlicher Fügung entgangen, und ich befürchte, das letztere hatte den größten Anteil daran“.

 

Meine Damen und Herren,

diese Aussage ist nicht nur Geschichte, sondern bittere Gegenwart. Nachdem der sowjetische Präsident Gorbatschow durch seine Weisheit und Klugheit vermocht hatte, den kalten Krieg, der jederzeit ein heißer werden konnte, zu beenden, kehrte durch die falsche Politik der NATO, sowie der Präsidenten George W.Bush und Trump (USA) und des Kremlchefs Putin der gefährliche kalte Krieg zurück. Beide Seiten rüsten ihr Heer und besonders die Atomstreitkräfte enorm auf und drohen damit.

Trump drohte mit der Totalzerstörung Nordkoreas, jetzt auch Irans, das bei antiamerikanischem Fehlverhalten eine Reaktion erfahren werde, „wie es bisher in der Menschheitsgeschichte noch nicht vorgekommen ist“. Putin hatte während der Krimkrise die russischen Atomraketen aktiviert, und die NATO hatte US Atomraketen  nahe des Baltikums stationiert und in Polen Raketenabfangeinrichtungen.  

Diese Drohungen sind sehr ernst gemeint, auch wenn es den Machthabern und der Propaganda in den Medien immer wieder gelingt, durch raffinierte Fernsehauftritte uns Zivilbevölkerung zu verdummen. Aber wer aufmerksam die Reden und Medien verfolgt, der hört seit Monaten vermehrt die Meinungen, Deutschland und  Europa müsse eine starke Europäische „Selbstverteidigungsarmee“ und eigene Atomwaffen „zur Abschreckung“ besitzen, weil wir nicht mehr vom „amerikanischen „Schutzschild“ bewahrt werden können.

Dürfen wir es uns gefallen lassen, dass unsere Kinder, Enkel und Urenkel wieder durch die Forrmel „ wer Frieden will, muss den Krieg vorbereiten“ in einen Krieg geführt werden, wie vor 79 Jahren, oder müssen wir nicht mit der Macht der Demokratie eine Friedenspolitik durchsetzen, denn „ wer Frieden will, muss Frieden, nicht Krieg, vorbereiten“.  Die Milliarden an Euro, Dollar und Rubel, die jedes Jahr wieder für Kriegswaffen ausgegeben werden, „sind des Teufels“, wie es Egon Bahr, der mit Willy Brandt die Versöhnungspolitik mit dem Osten schuf, gesagt hatte. Nein, nicht für den Teufel wollen wir Bürger mit unseren Steuern die Milliarden zur Verfügung stellen, wir fordern endlich eine wahre Friedenspolitik. Dazu gehören kluge und erfahrene Diplomaten und Persönlichkeiten aus der Friedensforschung, der Wirtschaft, der Psychologie und Medizin, nicht nur angelernte Politiker und Militärs.

 

Meine Damen und Herren,

hier spricht kein Politiker zu Ihnen, sondern ein Arzt, der die Schrecken des 2. Weltkriegs in der Heimat und in Feindesland miterlebte und bei seinen Reisen nach Hiroshima und Nagasaki sowie in die Kriegsgebiete Jugoslawiens und Iraks bei vielen humanitären Reisen das furchtbare Leid der Menschen gesehen hat. Deshalb wollen wir heute trotz unserer Freude und Dankbarkeit, dass es uns in Frankfurt und überhaupt in Deutschland so gut geht, die Erinnerung an den letzten Krieg und an Hiroshima und Nagasaki wach  halten, und alle Aktivitäten unterstützen, die zur Verhütung von Krieg und besonders Atomkrieg beitragen.  Wir wollen die Regierungen und Parlamente  daran erinnern, dass bereits 1996 der Weltgerichtshof  die Drohung und den Einsatz von Atomwaffen als Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht beurteilt hat, und dass alle Signatarländer des „Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags“ seit vielen Jahren sich verpflichtet hatten, ihre Atomwaffen kontinuierlich bis zu Null abzubauen und keine neuen zu erwerben. Die Atommächte haben sich jedoch nicht an die Verpflichtung gehalten. Daher ist es jetzt so wichtig, dass wir unsere Regierung und die Regierungen der Welt drängen, den von den Vereinten Nationen  zur Unterschrift und Ratifizierung in New York vorgelegten internationalen „ Vertrag zur Ächtung und zum Verbot aller Atomwaffen“ zu unterschreiben und parlamentarisch zu ratifizieren. Darüber wird Herr Sascha Hach, diplomierter Friedensforscher und Politologe sowie Gründungsmitglied der ICAN –Deutschland, in seinem Vortrag detailliert berichten.

Zum Schluss möchte ich an den Initiator und Mitgründer der ärztlichen antinukleären Friedensbewegung „Internationale Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieg-IPPNW“, Prof. Bernard Lown, erinnern, der seit 1983 immer wieder betont hat, „ nur eine informierte und überzeugt engagierte Bürgerschaft kann den Gang der Geschichte vor dem Abgrund wenden“.

Deshalb hat unsere ärztliche antinukleäre Bewegung IPPNW vor 11 Jahren die zivilgesellschaftliche, also bürgerliche, antinukleäre Bewegung ICAN gegründet, die unabhängig ist von einer Berufsbezeichnung,. Diese „Internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen, ICAN“, wurde vor sieben Monaten in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, weil es ihr gelang, 122 Nationen für die Unterschrift des neuen UN-Vertrags zur Ächtung und zum Verbot der Atomwaffen zu gewinnen.

 

Meine Damen und Herren,

wir müssen unserer Regierung und der Weltbevölkerung zurufen:

„Wir wollen eine kriegspräventive Friedenspolitik, keine militärische und insbesondere keine  atomare Aufrüstung. Wir werden den von Hitler Deutschland begonnenen und gegen alle Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts geführten 2.Weltkrieg nicht vergessen, aber ganz besonders werden wir Hiroshima und Nagasaki nicht vergessen. Wir fordern Friedenspolitik und das Verbot von Atomwaffen und die Entfernung der amerikanischen Atombomben aus Deutschland !

 

Prof. Dr. Ulrich Gottstein ist IPPNW Ehrenvorstand und ICAN-Mitglied.