Komitee für Grundrechte
und Demokratie



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INFORMATIONEN - Komitee-Rundbriefe 2001

 Informationen 1/2001 - März

Presseerklärung in Sachen Castortransporte und Grundrecht auf Demonstration

Das Recht zu demonstrieren ist ein urdemokratisches Grundrecht aller Bürgerinnen und Bürger!

Wolf Dieter Narr / Roland Roth

Für Ende März 2001 ist rund um Gorleben ein Castor-Transport regierungsamtlich angekündigt worden.

Gegen diesen Transport wird es aus zwei hauptsächlichen Gründen erneut Bürgerproteste in demonstrativer Form geben. Der erste Grund des Protestes besteht darin, daß trotz aller anders lautenden Ankündigungen und Beschlüsse ein definitives Ende der Atomenergieerzeugung und -verbreitung in der Bundesrepublik Deutschland und darüber hinaus mit hier und heute verbindlichen Terminen nicht verläßlich festgesetzt worden ist. Dem Ziel, auch die Wiederaufarbeitung von Atommüll fortsetzen zu können, dient der Transport aus La Hague. Der zweite Grund, gegen die Castor-Transporte zu protestieren, ergibt sich folgerichtig aus dem fehlenden Konzept, wie mit dem angefallenen, strikt keinen Tag weiter vermehrten Atommüll mit äußerster Sicherheit für die kommenden Generationen zu verfahren ist.

Das
Komitee für Grundrechte und Demokratie setzt sich seit seiner Gründung für ein unverkürztes Recht aller Bürgerinnen und Bürger ein: ihre Interessen, ihre Sorgen und Befürchtungen, ihren politischen Willen demonstrieren zu können. Das Recht auf Demonstration (Art. 8 GG) ist ein zentrales demokratisches Recht. Dieses Recht allein gestattet es Bürgerinnen und Bürgern, sich kollektiv, vorbereitet und spontan, außerhalb der etablierten Institutionen zu äußern. In diesem Sinne ist das Demonstrationsrecht ein geradezu essentielles Korrektiv repräsentativ vermittelter Demokratie.

Weil das Demonstrationsrecht als demokratisches Urrecht so bedeutungsvoll ist, hat das Komitee seit Brokdorf 1981 Demonstrationen aller Art beobachtet. Um mit Hilfe einer großen Zahl von entsprechend informiert erfahrenen Beobachterinnen und Beobachtern dafür zu sorgen, daß über Demonstrationen und deren Verlauf zweiäugig, das heißt allein dem Grundrecht verpflichtet, mit verläßlichen Informationen berichtet werde. Dauernd ist das Bürgerrecht zu demonstrieren von allen möglichen, grundrechtlich jedoch unmöglichen Einschränkungen bedroht. Immer erneut werden Demonstrationen schon im Vorfeld durch einseitige Presseverlautbarungen, durch amtliche Auflagen und ähnliches als "gewaltsam", als Gewalt heckend verschrieen, eingeschränkt, ja verboten. Statt grundrechtsgemäß und gemäß ihrer grundgesetzlichen Pflicht, die Polizei dazu einzusetzen, den friedlichen Verlauf von Demonstrationen zu gewährleisten, wird Gewalt zuweilen geradezu herausgekitzelt oder werden vereinzelte Protestäußerungen zum Anlaß genommen, Demonstrationen insgesamt, als seien sie als solche gewalttätig, repressiv zu traktieren. Zu letzterem dient auch im Vorfeld und im Verlauf von Demonstrationen ein überzogener, sachlich und grundrechtlich nicht haltbarer Gewaltbegriff, der auf der einen Seite gewaltfreie Sitzblockaden von vornherein zur Gewalt" transformiert, auf der anderen Seite jedoch polizeiliche Gewalt, die oftunverhältnismäßig eingesetzt wird, pauschal legitimiert.

Aus aktueller Sorge melden wir uns heute vor den nächsten Demonstrationen rund um die Castortransporte zu Wort. Demokratisch grundrechtlich unmögliche Einschränkungen und Vorkehrungen gegen die voraussichtlichen Demonstrationen sind zu unserer Kenntnis gekommen.

So hat es kürzlich aus nicht triftig ausgewiesenen Gründen, wie schon in früheren Fällen, eine grundrechtswidrige Hausdurchsuchung gegeben. Sie dient vor allem der Verunsicherung. Sie zerstört außerdem das wechselseitige, gerade bei Konflikten nötige Vertrauen in grundrechtlich verläßliche, wechselseitig gültige Verfahren.

So werden von verschiedenen Seiten Sitzblockaden von vornherein, alswürde mit ihrer Hilfe "Gewalt" geübt, diskriminiert und werden ihrerseits vorausgreifend gewaltüberzogen.

So wurde erneut, grundrechtlich schlechterdings unhaltbar, amtlicherseits erwogen - inzwischen nur in der Form verworfen - Käfige bereitzustellen, um Teilnehmende an Demonstrationen, die aus irgendeinem Grund mißliebig aufgefallen sind, vorübergehend aus dem Verkehr zu ziehen.

So ist gerade dieser Tage bekannt geworden, daß und wie Bewohner und ganze Anwesen im Wendland 1997 großzügig überwacht worden sind, ohne daß solche Überwachung zureichend begründet worden wäre oder begründet werden könnte.

Wir protestieren gegen diese einschüchternden und Unruhe erzeugenden grundrechtswidrigen Vorkehrungen und Praktiken.

Wir appellieren an die zuständigen Behörden und ihre Vertreterinnen und Vertreter, alles zu unterlassen, was den friedlichen Verlauf der Demonstrationen gefährden könnte. Statt dessen sind sie gehalten, alles zu tun, die demokratische Offenheit der Bürgerproteste zu ermöglichen.

Es geht nicht an, daß die Politiker die Polizei einseitig dazu mißbrauchen, Castortransporte gegen die Bürgerproteste durchzuschlagen. Der staatliche Gewalteinsatz ist nicht nur den Grundrechten und dem darauf bezogenen Prinzip der Verhältnismäßigkeit verpflichtet. Der staatliche Gewalteinsatz soll zuallererst die Ausübung eines Grundrechts garantieren.

Am unverkürzten gewaltfreien Demonstrationsrecht wird aller Verhalten im Vorlauf, während der Demonstrationen und danach zu messen sein. Wir werden argusäugig beobachten und berichten.

Aktionsinfos:

Protest gegen den Castor-Transport

Als Komitee beteiligen wir uns nicht an dem Protest gegen den Transport vonhochradioaktivem Müll in das Zwischenlager in Gorleben, sondern beobachten diesen. Alle, die nicht mit beobachten, seien jedoch hier auf zwei Organisationen verwiesen, die den Protest organisieren und sich über Beteiligung und Unterstützung freuen.

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (Drawehner Str. 3, 29439 Lüchow, Tel.: 05841/4684; Infos unter:
http://www.bi-luechow-dannenberg.de) informiert, organisiert und koordiniert nach dem Motto: Wann, wenn nichtjetzt? Wo, wenn nicht hier? Wer, wenn nicht wir?

X-tausendmal quer (Artillerieabschaffen Str. 6, 27283 Verden, Tel: 04231/957566,
http://www.X1000malquer.de) organisiert eine gewaltfreie und entschlossene" Sitzblockade, die zuerst auf den Gleisen in Wendisch-Evern (nahe Lüneburg) stattfinden soll. Gesammelt werden auch Absichts- und Solidaritätserklärungen hierzu.

Auf folgende Veröffentlichungen sei hingewiesen:

Einstieg oder Ausstieg? Fragen und Antworten zum Atomkonsens" (DIN A 6, 32 Seiten), Tolstefanz, 29439 Jeetzel 41, Tel./Fax: 05841/4521, 10 Ex. 10,00 DM gegen Vorkasse

Mathias Edler: Demonstranten als Staatsfeinde" - Staat" als Feindbild? Bürgerinitiative, Medien und Staatsgewalt im Streit um die Castor-Transporte in das Atommüll-Zwischenlager Gorleben; ISBN 3-928117-13-0, i.E., Alte Jeetzel Buchhandlung und Verlag Lüchow, 202 Seiten, 24,80 DM



E-Mail: narrwd@zedat.fu-berlin.de
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