Komitee für Grundrechte
und Demokratie



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INFORMATIONEN - Komitee-Rundbriefe 2001

 Informationen 5/2001 - November

Wieviele Kollateral-Tote in Afghanistan sind hinreichende Vergeltung?

Was können wir gegen den Krieg tun?

Andreas Buro

Unsere Bürger- und Bürgerinnen-Information "Krieg darf nicht die Antwort auf Terror sein! Die Gewaltspirale durchbrechen! Ein Gespräch unter Freunden über Terrorismus, Frieden und Gerechtigkeit" warnte vor einem militärischen Angriff auf Afghanistan zur Bekämpfung von Terrorismus. Mittlerweile führt die sogenannte "anti-terroristische Koalition" einen Krieg, der von Tag zu Tag immer mehr terroristische Züge annimmt und die Lebensgrundlagen der afghanischen Bevölkerung systematisch in Frage stellt.

Die Bevölkerung wurde bereits Opfer des terroristischen Taliban-Regimes, das mit Hilfe der USA, des pakistanischen Geheimdienstes und durch die Unterstützung US-amerikanischer und saudi-arabischer Öl-Multis seine Macht etablieren konnte. Davor war sie Opfer des Stellvertreter-Krieges zwischen Sowjetunion und USA in der Zeit des Ost-West-Konfliktes und den folgenden Bürgerkriegen mit unsäglicher Verwüstung von Land und Gesellschaft.

Angesichts der bestehenden Dürre- und Hungersituation im Lande und dem unmittelbar bevorstehenden eisigen Winter können die Menschen im Lande und insbesondere die Binnenflüchtlinge nicht mehr von außen versorgt werden. Glücklich, wer sich noch in die Lager an den Grenzen flüchten kann! Einen Bombardierungsstopp für humanitäre Hilfe weist der Bundeskanzler trotzdem, anscheinend aus Solidarität mit den USA, zurück. Auch der Respekt vor der anderen Kultur und Religion wiegt nicht schwer genug füreinen Bombenstopp in der Zeit des Ramadan. Merkwürdig! Nur Kollateralschäden? Wie anders sorgt man sich um die Toten von Manhattan und Washington und ehrt sie.

Schröder und Fischer sind statt dessen bemüht, die anti-terroristische Koalition zu stärken. Schröder-Freund Putin, der in Tschetschenien selbst einen terroristischen Feldzug gegen die Bevölkerung führt, ist auch mit von der Partie, wie auch die Türkei, der das europäische Parlament Folter und die Unterdrückung der Kurden vorwirft. Merke: Bundesgenossen sind nie Terroristen, das sind nur die von der anderen Seite. Die Neu- und Umdeutung der Verhältnisse wird sicher im arabisch-islamischen Bereich dem Westen viel Glaubwürdigkeit kosten.

Doch vielleicht geht es dem Bundeskanzler und seiner rot-grünen Regierung in erster Linie darum, Deutschland in den Rang einer weltweit operierenden Militärmacht zu bringen, um endlich mit England und Frankreich auch im militärischen Bereich gleichziehen zu können.

Rache und Vergeltung sind unchristliche ,barbarische` Verhaltensweisen. Der auf Menschenrechte bauende Rechtsstaat soll dazu dienen, sie zu überwinden. Deshalb halten wir gegenüber unkritischer Solidarität zur US-Administration daran fest, Freundschaft und Solidarität zu der vom Terror betroffenen Bevölkerung der USA heißt, diesem Lande zu helfen, nicht in die Gewaltfalle des Krieges zu laufen, und gemeinsam Perspektiven einer friedlichen und gerechteren Welt zu entwickeln und zu verwirklichen. Solche Solidarität wird Washington manchmal ärgern, aber dies muß im Sinne wirklicher Freundschaft ertragen werden.

Neben den humanitären Argumenten gründet sich unsere Ablehnung des Krieges auf die Gefahr einer internationalen Konfrontation, die im wahrsten Sinne zu einem Weltkrieg ohne Grenzen mit Kulturkampf-Charakter eskalieren kann. Wir befürchten ferner, daß in einem solchen Konflikt nicht nur die Menschenrechte, sondern auch die bürgerlichen Freiheiten und demokratischen Rechte in unserer eigenen Gesellschaft zerstört werden. Die Schilys sind in diesem Sinne überall bereits tätig. Wird es einen jahrelangen, von beiden Seiten terroristisch geführten, internationalen Krieg geben, so wird man unsere Gesellschaften nicht wiedererkennen können.

Zur Zeit ist das Kartell der etablierten Parteien so sehr auf ihr Aufrüstungs- und Militäreinsatzkonzept fixiert, daß die konkrete Politik durch die sozialen Bewegungen kaum beeinflußt werden kann. In der Gesellschaft wachsen jedoch mit den Meldungen über die wirklichen Auswirkungen des Krieges in Afghanistan Zweifel und Proteste. Dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für andere europäische Länder und sogar für die USA. Hier gilt es anzusetzen.

Die wichtigste Aufgabe der Friedensbewegung sehe ich darin, eine breite Diskussion innerhalb der Bevölkerung anzustoßen. Nach den bisherigen Erfahrungen können hierfür bereits bestehende lokale Gruppierungen für Vorträge und Diskussionsabende genutzt werden. Besondere Gottesdienste mit integrierten Gesprächen über den Krieg, privat organisierte Lesungen der BürgerInnen-Information des Komitees, die ja in Dialog-Form verfaßt ist, und viele andere Formen des Gespräches werden bereits betrieben. Mahnwachen, die Verteilung von Handzetteln mit kurzen Argumentationen, Erklärungen örtlicher Gruppierungen dienen als Anstoß für Treffen und Diskussionen. Das Angebot zum Gespräch ist zunächst an die Menschen und Gruppierungen zu richten, die hör- und denkbereit , also offen und sensibel für die Gefahren aus dem militärisch-gewaltsamen Konfliktaustrag sind. Sie können zu Gruppenbildungen beitragen und als Multiplikatoren in ihrem Umfeld wirken.

Ein zweiter sehr wirksamer Schritt sind öffentliche Stellungnahmen aus dem lokalen oder regionalen Bereich. Sie können auch aus beruflichen Zusammenschlüssen, also von Ärzten, Pfarrern, Gewerkschaftern,Müttern, SchülerInnen kommen - der Phantasie sind bei Jung und Alt keine Grenzen gesetzt. In solchen Erklärungen geht es nicht nur um die Ablehnung von Krieg, sondern auch um die rechtsstaatliche Verfolgung von Terroristen, internationale Strafgerichtsbarkeit gegen jeglichen Terror, die Untersuchung der Ursachen von massenhafter Empörung, die zum Nährboden von Terrorismus werden kann, und wie Politik verändert werden muß, um mehr Gerechtigkeit in der Welt zu erreichen. Die Frage darf nicht tabu sein, in welchem Ausmaß die westlichen Gesellschaften selbst ein wichtiger Teil des Terrorismus-Problems sind.

In den 80er Jahren waren vielfältige Basisaktivitäten sehr erfolgreich, um das öffentliche Klima gegen den Wahnsinn der gegenseitigen Bedrohung mit atomaren Mittelstreckenraketen zu wenden. Es ist durchaus nicht unrealistisch, auch heute durch solche Aktivitäten eine Wende in der Wahrnehmung von Terrorismus und terroristischem Anti-Terrorismus zuerreichen, denn die Bedrohung kommt nun den Menschen wieder sehr nahe. Wenn eine Mobilisierung vor Ort erfolgt ist, können auch größere Demonstrationen mit Gewicht und eine EU-weite Mobilisierung gelingen. In diesen Auseinandersetzungen werden Friedensbewegung und Globalisierungsgegner sehr viele ihrer Gemeinsamkeiten entdecken und eng zusammenarbeiten.



E-Mail: andreas.buro@gmx.de
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