Netzwerk Friedenskooperative



Aktionstag gegen Irak-Krieg 26.10.2002


vom:
24.10.2002


 vorheriger

 nächster
 Artikel

Aktionstag gegen Irak-Krieg 26.10.2002:

  Reden

Rededisposition: Die Rede wird weitgehend frei gehalten

Rede in Spangdahlem an der US-Airbase, 26.10.2002

Clemens Ronnefeldt

- Es gilt das gesprochene Wort -
Sperrfrist: Redebeginn, 14 Uhr, 26.10.02



Liebe Freundinnen und Freunde,

wir stehen hier vor der US-Airbase, auf der Tarnkappenbomber auf dem Zwischenstopp in die Golgregion aufgetankt werden. Die Bundesrepublik Deutschland ist durch die Zulassung dieser Kriegsvorbereitung bereits jetzt am drohenden Krieg gegen den Irak beteiligt.

Um deutlich werden zu lassen, in welchen größeren Zusammenhang dieser drohende Krieg eingebettet ist, möchte ich einige dieser Hintergründe aufzeigen.

Am 2. Juni 2002 verlangte Präsident Georg W. Bush in einer programmatischen Rede vor Absolventen der US-Militärakademie West Point, "jeder Zeit bereit zu sein, um ohne Zeitverlust in jeder dunklen Ecke der Welt zuschlagen zu können. Unsere Sicherheit verlangt von allen Amerikanern, resolut nach vorn zu schauen und bereit für präventive Schläge zu sein, wann immer das notwendig ist, um unsere Freiheit und unser Leben zu verteidigen". "Der Krieg gegen den Terror wird nicht in der Defensive gewonnen", so der US-Präsident, "wir müssen die Schlacht auf dem Boden der Feinde führen,ihre Pläne vereiteln und den schlimmsten Bedrohungen begegnen, bevor sie auftauchen". Diesen Worten lassen derzeit verschiedene grundlegende US-Militärstrategien Taten folgen.

Am 17.7.2002 veröffentlichte die Los Angeles Times Auszüge aus den neuesten Richtlinien zur Verteidigungsplanung (Defense Plannig Guidance) für die Jahre 2004-2009. Bisher gingen die US-Militär-Planungen davon aus, zwei große Kriege an unterschiedlichen Orten gleichzeitig führen zu können, mit dem neuen Dokument wird erstmals betont, an jedem Ort der Welt "die Initiative zu ergreifen" und mit "nicht erwarteten Angriffen" Gegner künftig zu überraschen.

Die Geschwindigkeit, mit der die US-Führung künftige Angriffskriege als neue Art der Ordnungspolitik umsetzt, scheint derzeit Freunde (falls - von Tony Blair einmal abgesehen - überhaupt noch vorhanden) wie Feinde gleichermaßen zu überraschen und zu lähmen.

 zum Anfang


Aktionstag gegen Irak-Krieg 26.10.2002
Die neue Aufteilung der Welt unter US-Kommandos

Am 1. Oktober 2002 bereits wird die Welt neu aufgeteilt. Es wird zum ersten Mal in der Geschichte keinen Winkel der Erde mehr geben, der nicht unter einem der nationalen Militäroberkommandos der USA steht. Für die Verteidigung Nordamerikas wird ein militärisches Oberkommando (NORTHCOM) völlig neu eingerichtet. Die Zuständigkeit des Oberkommandos Europa (EUCOM), dem bereits jetzt der größte Teil Afrikas untersteht, wird künftig erstmals auch den ehemaligen Konkurrenten Russland umfassen, zum Pazifischen Oberkommando (PACOM) kommt die Antarktis hinzu. Unverändert bleiben die Zuständigkeiten für Mittel- und Südamerika (SOUTHCOM) sowie für Nordostafrika, Persischer Golf, Zentralasien und Pakistan (CENTCOM).

Wie Otfried Nassauer in der FR-Dokumentation am 15.7.02 ausführlich dargelegt hat, entsteht am 1.10.02 ein neues militärisches US-Machtzentrum, "ein Oberkommando, dem Frühwarnsysteme und Satelliten, Raketenabwehrsysteme und strategische Angriffs- raketen, strategische Mittel für konventionelle und nukleare Angriffsoptionen unterstellt werden. Washington plant eine integrierte Kommandozentrale für - auch präventive - strategische Angriffe, strategische Vergeltungsangriffe und strategische Verteidigung".

Bereits Ende Juni 2002 fällte die US-Regierung die weit reichende Entscheidung, die beiden eh schon je für sich sehr mächtigen Oberkommandos für den Weltraum (SPACECOM) und das der Strategischen Streitkräfte (STRATCOM) in einer einzigen Behörde auf der Offut Air Force Base in Nebraska zusammenzuführen. "Mit dem neuen strategischen Oberkommando wird einer der entscheidenden und umstrittenenen Grundgedanken der jüngsten Überprüfung der Nuklerarstrategie und -streitkräfte der USA, des Nuclear Posture Review, erstmals umgesetzt. Defensive und offensive Elemente werden ebenso integriert wie konventionelle und nukleare Angriffsoptionen. ... Vereinfacht: Washington will zuschlagen können, bevor es getroffen wurde. ... Besondere Besorgnis ruft auch die Tatsache hervor, dass präemptive, nukleare Angriffe nicht ausgeschlossen werden. Das Argument: Viele potenzielle Ziele, äußerst tief unter der Erde oder in Gebirgen gelegene Bunker zum Beispiel, könnten mit konventionellen Waffen nicht gesichert zerstört werden" (O. Nassauer, FR, 15.7.02).

Als einer der ersten wies Herbert Kremp am 27.2.02 in der "Welt" darauf hin: "Die Bush-Doktrin wird sich in ihrer Entwicklung nicht auf die Beseitigung der terroristischen Untergrundmächte und ihrer Helfer beschränken. Ihre konsequente Verfolgung impliziert die Ausweitung in drei Richtungen:

 Kontrolle der vorder- und zentralasiatischen Transferstaaten vom Kaukasus bis zum Hindukusch;

 Verhinderung der islamistischen Machtergreifung in Saudi-Arabien;

 Konzentration des Interesses auf den Iran, Indien und China, wo neue MachtAgglomerationen entstehen."

Kremp bescheinigte der Bush-Doktrin: "Sie diktiert einen Verhaltenskodex am Rande der Unterwerfung".

Hinter der US-Militärpolitik steht die US-Wirtschaftspolitik

"Wenn der irakische Diktator Saddam Hussein wissen will, wie lange er voraussichtlich noch an der Macht sein wird, dann muss er dreierlei im Auge behalten:

amerikanische Meinungsumfragen, die Kurse an der Wall Street und den Sitzungskalender von Senat und Repräsentantenhaus: Denn US-Präsident George Bush wird seinen immer wieder angekündigten Angriff auf Bagdad letztlich von innenpolitischen und wirtschaftspolitischen Faktoren abhängig machen", begann Wolfgang Koydl seinen Artikel "Bereit fürs Abenteuer in Bagdad"(Süddeutsche Zeitung, 19.7.2002).

Nach Enron- und Worldcom-Konkursen stehen Vizepräsident Cheney als ehemaliger Chef des weltweit größten Ölindustriezulieferers "Hulliburton" wie auch Georg W. Bush als ehemaliger Top-Manager des Öldienstleistungsunternehmens "Harken Öl" wegen Bilanzfälschungen und ihrer Verwicklung in Insidergeschäfte in der öffentlichen Kritik - und vor den Kongress-Zwischenwahlen im November 2002 unter enormen Druck.

Bereits am 22.4.02 berichtete die Frankfurter Rundschau, dass die US-Rüstungsindustrie "einen Boom wie seit 20 Jahren nicht mehr" erlebt und führte aus: "Sollten die Pläne für eine Militäroffensive gegen Irak wahr werden, kann die US-Rüstungsindustrie auf weitere Wachstumsimpulse hoffen. Rüstungsaktien sind nach Einschätzung von Experten in jedem Fall auf längere Sicht eine sichere Anlage. Allein bei den vier Branchenriesen Lockheed Martin, Northrop Grumman, Raytheon und General Dynamics stiegen die Aktienwerte seit den Anschlägen vom 11. September zusammen um 44 Prozent. Nicht nur, dass der Krieg kurzzeitig die Produktion ankurbelt, indem Nachschub an Bomben, Ersatzteilen und sonstigen Rüstungsgütern geliefert werden muss. Vor allem ist es die Hoffnung auf eine längerfristige Serie lukrativer Aufträge, die die Aktienkurse ´dramatisch
in die Höhe schießen lassen, sagt Paul Nisbet von JSA Research, einem Forschungsinstitut der Luftfahrtbranche. Der Afghanistankrieg hat die Waffenarsenale an mancher Stelle weitgehend geleert, so dass jetzt erst einmal nachgefüllt werden muss. So weitete Boeing in St. Charles/Missouri den Schichtdient aus, um die Produktion von JDAM- Präzisionssystemen für die ´smart bombs anzukurbeln. Derzeit sind die Vorräte so erschöpft, dass nach Meinung mancher Experten ein Angriff auf Irak gar nicht möglich wäre". Im Herbst 2002 werden voraussichtlich die Mindestmunitionsmengen für einen Irak-Krieg wieder erreicht sein.

"Offensichtlich sei, dass die Kriegshandlungen die Investitionen in die US-Rüstungsindustrie erhöhten und der Wirtschaft mehr Dynamik gäben, um aus der bereits vor dem 11. September drohenden Rezession herauszukommen", schrieben die katholischen Bischöfe Brasiliens Ende 2001 in ihrer Monatsanalyse (zit. nach FR, 8.12.01).

Die neuen geplanten US-Präventivkriege werden vielleicht noch einige Jahre den Niedergang der US-Wirtschaft hinauszögern können und etliche tausende unschuldiger Opfer nach sich ziehen; ohne eine grundlegende Reform der US- wie auch der gesamten Weltwirtschaft wird der wirtschaftliche Niedergang der einzigen Weltmacht wohl kaum noch aufzuhalten sein.

Die USA sind ein wirtschaftlicher Koloss auf tönernen Füßen

Der Spiegel erschien am 8.7.02 mit dem Aufmacher "Der neue Raubtierkapitalismus - Mit Gier und Größenwahn in die Pleite", in dem Parallelen zwischen 1929 und 2002 hergestellt wurden. Der Titel beschreibt m.E. zutreffend die derzeitige Verfassung der US-Wirtschaft. Einer der führenden US-Ökonomen, Paul Krugmann, erklärte Anfang 2002, dass sich die Enron-Pleite einmal rückblickend als bedeutsamerer Wendepunkt für die US-Gesellschaft erweisen würde als der Einsturz des World Trade Centers.

Wilfried Wolf wird nicht müde, immer wieder auf die Grunddaten der US-Wirtschaft hinzuweisen, so z.B. in seinem Beitrag "Terror der Ökonomie", junge Welt, 27./28.7.02:

Obwohl die USA weltweit rund die Hälfte aller Auslandsdirektinvestitionen tätigen, sieht es in der Gesamtschau derzeit sehr düster aus:

 Nach fünf Jahren Haushaltsplus wird das am 30.9.02 endende US-Wirtschaftsjahr mit einem Minus von 165 Milliarden US-Dollar schließen.

 Die per Gesetz auf 5590 Milliarden Dollar festgelegte Obergrenze für die öffentliche Verschuldung musste im Juni 2002 - mit Verweis auf höhere Gewalt - angehoben werden.

 Die Schulden der privaten Haushalte liegen aktuell bei 108 Prozent des Bruttoinlandproduktes, was einen Spitzenwert innerhalb der OECD-Staaten darstellt.

 Das Nettovermögen der privaten Haushalte, bereinigt um die Inflation, sank von einem Spitzenwert im ersten Quartal 2000 bis zu seinem vorläufigen Tiefpunkt im 3. Quartal 2001 um 12,3 Prozent oder umgerechnet ca. 400 Milliarden Dollar, was 40 Prozent des Bruttoinlandproduktes entspricht.

 Wegen der weltweiten Konjunkturschwäche und der Abwertung des Dollars vergrößerte sich das US-Leistungsbilanzdefizit im ersten Quartal 2002 auf ein Rekordminus von 112 Milliarden Dollar. Schon seit vielen Jahren krankt die US-Wirtschaft daran, dass sie unverhältnismäßig mehr Waren importiert als exportiert.

 Japanische Anleger halten rund ein Drittel aller US-Staatsanleihen. Hält die Krise in Japan weiter an und wird dieses Kapital in Zukunft entweder an der asiatischen Heimatfront oder im zunehmend lukrativeren Euroland angelegt, gerät die US-irtschaft noch tiefer ins Trudeln.

Während der US-Verteidigungshaushalt bis 2007 auf die astronomische Summe von 451 Milliarden US-Dollar angehoben werden soll, erwägen 17 US-amerikanische Bundesstaaten, die Schulwoche auf vier Tage zu reduzieren, weil sie die Lehrkräfte nicht mehr bezahlen können.

Mögliche Schritte der Bundesregierung

Erste Schritte im Hinblick auf eine eigenständige Politik der Bundesregierung, die dem Grundgesetz, dem Völkerrecht und der Humanität verbunden wären, könnten im Hinblick auf den geplanten Irak-Krieg sein:

 Die Aufkündigung der "bedingungslosen Solidarität" im so genannten "Anti-Terror-Krieg".

 Der Rückzug der deutschen ABC-Spürpanzer aus Kuwait und der Seefernaufklärer "Breguet Atlantic" vom Horn von Afrika.

 Die Verweigerung von Überflugrechten durch den deutschen Luftraum für US-Angriffsflüge.

 Die Verweigerung jeglicher finanzieller Unterstützung für einen US-Irak-Feldzug.

 Der Aufbau einer internationalen Allianz, die die europäischen Staaten inklusive Russland sowie China und Indien umfasst, und unter dem Dach der UN eine zivile Lösung der Irak-Frage durch die Wiederzulassung von UN-Inspektoren bei gleichzeitiger Aufhebung des Embargos anstrebt.

Damit die Bundesegerierung diese Schritte einleitet, ist wachsender Druck von unten gefragt, so wie wir heute hier und an vielen anderen Orten weltweit in heute aufbauen. Neben zahlreichen Unterschriften-Kampagnen kann vor allem die Selbstverflichtungskampagne zu Protest, Widerstand und/oder Aktionen zivilen Ungehorsams im Falle eines US-Angriffes eine breite Basis herstellen und dem Krieg entgegen wirken. Dazu wünsche ich uns langen Atem!

Kontaktadresse: Clemens Ronnefeldt, Ortsstr.13, 56288 Krastel, Tel.: 06762/2962, Fax: 06762/950511


Clemens Ronnefeldt ist Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes

E-Mail:   BuC.Ronnefeldt@t-online.de
Internet: http://www.versoehnungsbund.de
 zum Anfang

 vorheriger

 nächster
  
Artikel

       

Bereich

 Netzwerk 

Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
         
 Themen   F-Forum  Termine  Jugo-Hilfe Aktuell