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31.08.2012


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Antikriegstag 2012

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag zum Antikriegstag in Berlin am 31. August 2012

Liebe Freundinnen und Freunde,
sehr geehrte Damen und Herren,

Jens-Peter Steffen (in Berlin)



- Es gilt das gesprochene Wort -



den Begriff der Bannmeile gibt es nicht mehr. Laut dem "Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Verfassungsorganen des Bundes" nennt man den besonders geschützten Bereich um das Parlament seit 1999 "befriedeten Bezirk". Wir befinden uns in diesem befriedeten Bezirk. Und warum sind wir hier? Weil das Büro des keineswegs "befriedet" zu nennenden Waffenherstellers Krauss-Maffei und Wegmann sich hier befindet. Also in dem ums Parlament gezogenen Bereich, der zum Schutz der Verfassungsorgane unter besonderen Auflagen liegen soll.

Nun ist es in Zeiten der vielfältigsten Kommunikationswege sicherlich nicht mehr nötig, sich in Rufweite der politischen Mandatsträger aufzuhalten, um Entscheidungen im eigenen Sinne zu beeinflussen. Aber diese direkte Nähe zu Abgeordneten und Ministerien von einer der führenden Waffenschmieden Deutschlands bleibt ein weiteres Merkmal der fehlenden Transparenz beim Umgang mit deutschen Waffenexporten. Denn ein Entscheid über eine Waffenexporterlaubnis - besonders über eine die kritisch gesehen werden könnte - erfolgt nicht von heute auf morgen. Ihr gehen "Voranfragen" über das Ansinnen voraus, d.h. Lobbying lotet bereits die Möglichkeiten oder Bedenken gegen die Verwirklichung im langfristigen Vorfeld aus.

So drängt sich der bedenkliche Eindruck auf, dass die Waffenlobbyisten näher an die Geheimnisse des Bundessicherheitsrates kommen, als es selbst die deutschen Parlamentarier und schon gar die deutsche Öffentlichkeit können. Der Bundessicherheitsrat, dieses Gremium ohne Postadresse und mit Entscheidungen ohne Protokoll, ist die Eisbergspitze fehlender Transparenz in Sachen Rüstungsexporten: Man weiß dass es den Bundessicherheitsrat gibt, aber was unter der Wasseroberfläche der Geheimhaltung vor sich geht, dass bleibt der Öffentlichkeit - und ja auch dem Parlament - fast gänzlich unbekannt.

Also sind wir heute in diesem "befriedeten Bezirk" zusammengekommen, um für ihn einen wirklichen Frieden einzufordern. Um die Vorgänge, die Gefahren und die drohenden Folgen des Exports von immer noch mehr neuen Leopard-Panzern an Empfängerländer mit dokumentierten Verstößen gegen Menschenrechte ins öffentliche Bewusstsein zu bringen und seinen Stopp zu fordern.

Menschenrechte - Wir alle haben das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit unserer Person, wie es im Artikel 3 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948 heißt.

Jede Waffe ist ein hochpotentielles Mittel diese Menschenrechte zu bedrohen. Doch wir, die wir eine andere friedlichere Welt wollen, stehen wie vor einer ideologischen Wand an der geschrieben steht, dass eben Waffen diese Menschenrechte sichern würden. Und weiter heißt es: Schließlich spreche die Charta der Vereinten Nationen mit dem Recht der Souveränität den Staaten auch ihr Recht auf Selbstverteidigung zu. Dagegen fragen wir: Kann das Recht auf Souveränität und Selbstverteidigung eine Freikarte für alle Arten von Rüstungslieferungen sein? Wir fordern deutliche Grenzziehungen, weil ganz andere Gründe, Interessen und Ziele sich in solchen Exporten durchsetzen, als das sie der Wahrung der Charta dienen.

Der deutsche Verteidigungsminister hat den Deal mit Saudi-Arabien in erster Linie als eine sicherheitspolitische Entscheidung hingestellt. Saudi-Arabien sei ein Verbündeter des Westens und einer der wichtigsten Stabilitätsanker in der Region sagt de Maiziere. Im Originalton klingt das so: "Menschenrechtsüberlegungen müssen eine Rolle spielen, doch überwiegen die internationalen Sicherheitsinteressen".

Wir sehen das ganz anders. Für uns konstituiert sich in Waffen und damit zugleich in ihrem Verkauf immer auch der potentielle Angriff auf die Menschenrechte.

Für uns sind die Menschenrechte universell und gleichermaßen gültig. Diesen von vielen mitgetragenen Satz wirklich durchzusetzen ist nach wie vor ein großes und verpflichtendes Ziel. Denn wir erleben eine ganz andere Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit hat Noam Chomsky schon vor Jahren eine mehrschichtige "Relativität der Menschenrechte" genannt. Chomsky weiter: "Kurz, das Engagement für die Menschenrechte ist instrumenteller Natur. Wenn sie bestimmten Interessen dienen, sind sie wichtig und werden als bedeutendes Ideal präsentiert; ansonsten herrscht das pragmatische Kriterium" - bei dem nur danach gefragt wird, ob "das Engagement für die Menschenrechte" die eigene politische und ökonomische Macht befördert oder nicht." (1)

Wir wollen nicht nur diesen Bezirk befrieden. Wir wollen dass von Deutschland aus - und heute meint das zugleich von Europa aus - wirklich Frieden ausgeht. Das bedeutet auf dem Weg zu einer Welt in der der Einsatz von Waffen nicht mehr nötig ist, einer Welt, geprägt durch eine Kultur des Friedens, die strikte Regulierung aller Waffenexporte mit dem Ziel Nullexport und dazu begleitend eine entschieden vorangetriebene Konversion von Waffenproduktion.

Deutschland hat auf dem Weg zu Strukturen gemeinsamer Sicherheit und des Ausgleichs eine Vorbild- und eine Vorreiterrolle zu spielen. Deutschland muss die Gültigkeit seiner Argumentation für die in jedem Falle ernst zu nehmende Rolle der Menschenrechte im bislang gescheiterten Prozess eines internationalen Waffenhandelskontrollab-kommens durch ein eigenes restriktives Exportverhalten demonstrieren.

Es ist keine neue Weisheit, aber sie sei trotzdem wieder erwähnt: Eine internationale Rüstungskontrolle und Abrüstung setzt eine nationale Rüstungskontrolle und Abrüstung voraus.

Den Leo an die Kette legen heißt nichts anderes, als dass wir die Rücknahme der Exporterlaubnis der Leopard-Panzer an Saudi-Arabien und an andere Staaten fordern.

Auf politischer Ebene muss es die Auflösung des vordemokratischen Bundessicherheitsrates und die volle öffentliche Transparenz über alle Ansinnen von Rüstungsexporten geben. Das ist dem checks and balances einer parlamentarischen Demokratie systemgemäß.

Nicht nur der Leo muss an die Kette - alle Waffen- und Rüstungsexportgüter gehören an die Kette und müssen durch eine internationale Politik gemeinsamer Sicherheit und Zusammenarbeit schließlich auf den Müllhaufen der Geschichte landen. Das ist ein wesentlicher Beitrag zur Befriedung hier und überall.

Dafür zu demonstrieren und zu streiten, das hat uns hier zusammengebracht.

Dank an alle fürs Kommen!



Anmerkungen

(1) Noam Chomsky, "Die politische Ökonomie der Menschenrechte. Politische Essays und Interviews." Zusammengestellt und aus dem Englischen übersetzt von Michael Schiffmann. Grafenau 2001 (2. Aufl.).



Jens-Peter Steffen ist Ko-Sprecher der "Kooperation für den Frieden" und Mitarbeiter der IPPNW.

E-Mail: steffen (at) ippnw (Punkt) de

Website: www.ippnw.de
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