Hiroshima-
tag 2009

update:
13.08.2009


 voriger

 nächster

Hiroshima- u. Nagasakitag 2009

 Reden/Berichte/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag zur Veranstaltung am 6. August 2009 im Hiroshimapark in Kiel

Lotosblüten für Hiroshima und Nagasaki

Barbara Saul-Krause (in Kiel)



- Es gilt das gesproche Wort -



Lieber Benno Stahn,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Albig,
sehr geehrte Frau stellvertretende Stadtpräsidentin Hirdes,
liebe Anwesende, liebe Freunde,

vielen Dank, dass ich hier im Namen der Friedensbewegung Kiel sprechen kann.

Ich spreche auch im Namen der IPPNW, einer Vereinigung von internationalen Ärzten, die 1982 gegründet wurde (International Physicians for the Prevention of Nuclear War). Damals wie heute ging es darum, die Bevölkerung über die atomaren Gefahren der Kernkraft, als auch der Atomwaffen zu informieren. Die Vereinigung erhielt dafür den Friedensnobelpreis 1984.

(Begründer waren der amerikanische Kardiologe Bernhard Lown und sein russischer Kollege Evgenij Chazov.)

Ich möchte Ihnen zuvor den Aufbau meiner Rede kurz skizzieren, um den Zusammenhang zwischen den Inhalten deutlich zu machen.

Ich werde zuerst über die Folgen des Atombombenabwurfes auf Hiroshima und Nagasaki sprechen.

Dann über die Verbreitung der Atomwaffen, im weiteren über die Aufrüstung generell, von der die Atomwaffen eine Folge sind.

Dann komme ich zu den Ursachen, der Frage, was hat das mit uns Menschen zu tun?

Um dieser Frage nachzugehen, skizziere ich kurz den Konflikt zwischen friedvoll und aggressiv sein und differenziere zwischen Kampf und Krieg, als einem Ausweg daraus.

Ich zeige einige gegenwärtige Strömungen auf, die Zuversicht machen, diesen Konflikt lösen zu wollen und komme am Ende meiner Rede auf Forderungen und Aktionen, die notwendig sind, um eine Deeskalation und damit die Chance für Frieden zu schaffen.

Da es mir wichtig erschien, diese Zusammenhänge deutlich zu machen, ist die Rede etwas länger und ich bitte um Ihre Nachsicht und Geduld.

1) Was bewegt uns, jährlich hier zusammen zu kommen?

Wir haben nicht wirklich Neues zu sagen, was nicht schon die meisten, die hier sitzen, wüssten. Wir kommen zusammen, um den Opfern von Hiroshima und Nagasaki zu gedenken und ihr Leid in Erinnerung zu halten als Mahnung für alle.

Wir kommen auch zusammen, um uns zu solidarisieren gegen Mutlosigkeit, Ohnmachtsgefühle und Resignation in Anbetracht der aggressiven Rüstungspolitik, die mehr denn je betrieben wird. Man möchte meinen und hoffen, dass die Finanzkrise auch die Waffenindustrie in die Knie zwingt. Das Gegenteil ist weltweit der Fall.

Darum müssen wir das so oft Gesagte immer wieder sagen, bis es uns, wie uns Berthold Brecht lehrt, "wie staub im Mund zerfällt".

2) Info über Hiroshima, Nagasaki:

Hier einige Fakten zu den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki:

Die Abwürfe der Uranbombe, "little boy" genannt, auf Hiroshima, heute vor 64, am 6. August 1945 und der Abwurf der Plutoniumbombe, "fat man" genannt, auf Nagasaki, drei Tage später, markierten den Beginn des nuklearen Zeitalters.

Wer konnte helfen vor 64 Jahren? Die Ärzte nicht ! Die medizinische Versorgung für die Bevölkerung Hiroshimas brach vollkommen zusammen. 270 von 300 Ärzten und mehr als 1.500 von 1.800 Krankenschwestern und Pflegern waren verletzt oder sofort tot.

92% der 76.000 Gebäude waren beschädigt oder zerstört.

Die Bevölkerung Hiroshimas durchlitt die typischen Folgen einer Atombombenexplosion:

1. Die initiale Hitzewelle erreichte Temperaturen von bis zu 4000 Grad Celsius. Riesige Feuerstürme entstanden gleichzeitig an mehreren Orten.

2. Etwa die Hälfte der Energie einer atomaren Explosion wurde zu einer Druckwelle, die mit Überschallgeschwindigkeit alles dem Erdboden gleichmachte.

3. Hunderttausende von Volt wurden in Form elektrischer Energie freigesetzt und zerstörten in Sekundenbruchteilen Kommunikation und Energieversorgung.

4. Es folgte die Strahlenbelastung, insbesondere durch Gamma- und Neutronenstrahlung innerhalb der ersten Sekunden nach der Explosion. Die dadurch aufgetretene Akute Strahlenkrankheit führte unter anderem zu furchtbaren Durchfällen, inneren Blutungen, und lebensbedrohlichen Infektionen, und damit häufig im Verlauf weniger Tage zum Tod.

5. Es kam zu Spätschäden, die durch die Folgen der Bestrahlung ungeborener Kinder entstanden und somit Fehlbildungen verursachten, sowie zu Krebserkrankungen als Langzeitschäden bestrahlter Menschen.

Die Folgen einer Atombombenexplosion sind jederzeit wieder genauso möglich.

Seit über 60 Jahren ist die Erforschung der gesundheitlichen Auswirkung von Strahlen stark von militärischen und industriellen Interessen beeinflusst und der Öffentlichkeit vorenthalten worden.

Mit diesen zynisch-grausamen Experimenten, von Präsident Truman und seinen ranghöchsten Militärs politisch gewollt, wurden Hunderttausende entweder sofort getötet, oder sie erlagen qualvoll in der folgenden Zeit ihren Trümmerfrakturen, Verbrennungen und Verstrahlungen. Viele Überlebende erkrankten später an Leukämien und anderen Krebsarten, alle hatten schwerste seelische Schäden erlitten. 140.000 Tote in Hiroshima, 80.000 Tote in Nagasaki waren bis Ende 1945 zu beklagen. Durch Spätfolgen erhöhte sich die Zahl der Toten auf Hunderttausende.

Lt einer jüngst veröffentlichen US-Studie vom Labor für Athmoshpären- u. Weltraumphysik der Universität Colerado würde bei einem regionalen Atomkrieg mit 100 Atomwaffen von der Stärke der Hiroshima-Bombe die mittlere Temperatur auf der Erde um 1,25 Grad C sinken.

Das hätte globale Ernteverlust und Hungersnöte zur Folge.

Bereits 1949 hatte auch die Sowjetunion Atombomben, es folgten (1953) Großbritannien, (1964) Frankreich und China, (1967 )Israel, (1998) Indien und Pakistan, Nord-Korea.

Der Nichtverbreitungsvertrag für Atomwaffen trat 1970 in Kraft.

Er zielte auf die Eindämmung der Zahl der Atommächte und auf die Legitimierung des damaligen Zustands. Bei der Überprüfungskonferenz 1995 wurde der Vertrag unbefristet verlängert. Vertragspartner sind derzeit 188 Länder.

Zwischen 1945 und 1995 gab es insgesamt 2058 Atombombentests, davon etwa 570 überirdisch.

Die 50-60 jährigen unter ihnen haben die atomare Strahlung als Kinder abbekommen und in ihren Zähnen Caesium gelagert, was die Politiker nicht etwa veranlasste diese Tests zu verbieten, sondern sie seit 1963 unterirdisch zuzulassen. (Pakistan und Indien haben in den letzten Jahren insgesamt 12 Tests durchgeführt. )

Viele Völker, die Opfer der Tests geworden waren, wurden niemals entschädigt. England akzeptiert die Spätfolgen der Atombombentests von australischen und englischen Arbeitern und Soldaten bis heute nicht. Frankreich hat 2006 zugegeben, dass die Tests bei der polynesischen Bevölkerung zu mehr Krebsfällen geführt haben.

Von der US-Armee wurden bei der Bombardierung Bagdads sog. mini-nukes und "bunker-busters" eingesetzt, eine moderne Entwicklung von mit Uran angereicherte Bomben, die dadurch eine stärkere Durchschlagskraft haben. Es war von den Politikern und Militärs skrupelos hingenommen worden, dass es dadurch auch zu Strahlenschäden und somit zur Strahlenkrankheit kommt, selbst bei den eigenen Soldaten, die nichts von der Bestrahlungsgefahr wussten.

Wir sehen daran, mit welchen destruktiven Verhaltensweisen wir es zu tun haben.

Weltweit gibt es etwa 30.000 Atomwaffen, 5.000 davon sind in ständiger Abschussbereitschaft.

Derzeit lagern noch 8-30 US-Atomwaffen in Büchel bei Koblenz, die durch deutsche Soldaten eingesetzt werden können. Ramstein mit ehemals über 100 US-Atomwaffen wurde geschlossen.

Es ist also möglich!

Europaweit lagern noch etwa 240 nukleare Bomben. Sie sind für NATO-Aufgaben vorgesehen.

Einige dieser Atombomben haben die 13-fache Sprengkraft der Hiroshimabombe. Deutschland hat eine sog. "Nukleare Teilhabe" im Rahmen der NATO. Die gelagerten Atombomben würden von deutschen Piloten aus Bundeswehr-Flugzeugen abgeworfen werden.

Die NATO propagierte 2008 in einem Strategiepapier (,Towards a Grand Strategy for an Uncertain World"), die Bereitschaft zum atomaren Erstschlag und zu einer Eskalationsdominanz.

Griechenland, Türkei und Kanada sind ein Beispiel, dass man das nicht mitmachen muss.

Sie sind erfreulicherweise aus der nuklearen Teilhabe ausgeschieden.

Im Weißbuch der Bundeswehr von 2007 heißt es jedoch, dass Deutschland auch in Zukunft an den nuklearen Aufgaben teilhaben will, entgegen dem NVV = Nucleare-Nicht-Verbreitungs-Vertrag (Atomwaffensperrvertrag) aus dem Jahr 1970, in dem es heißt:

"Alle Nicht-Atomwaffenstaaten, die Vertragsparteien sind, verpflichten sich, Atomwaffen nicht anzunehmen, herzustellen oder weiterzugeben".

Der Besitz oder das Aufbewahren von Atomwaffen auf deutschem Boden verstößt also gegen den NVV!

Entgegen der Aussage im Weißbuch der Bundeswehr von 2007, hören wir 2009 Politikerstimmen, die ein atomwaffenfreies Deutschland wollen.

Wahlpropaganda? Wieso nicht schon früher?

Was sagt unsere Bevölkerung dazu?

Rund 90 % der Bundesbürger

(93 % der Bundesbürger) sind, lt einer FORSA-Umfrage aus dem Jahr 2004 der Meinung, dass Atomwaffen grundsätzlich völkerrechtswidrig sind, weder produziert noch gehortet werden dürfen.

(92 %) verlangen die umgehende Verschrottung ihrer Atomwaffen.

(89 %) verlangen den Abzug der auf deutschem Boden gelagerten US-Atombomben.

3) Wie sieht die Aufrüstung heute aus?

Die Waffenindustrie boomt im Unterschied zu zivilen Industrien.

Die Rüstungsausgaben steigen weltweit pro Jahr um 6 Prozent, rechnete das Friedensforschungsinstitut Sipri (Stockholm International Peace Research Insitute ) im Juni 2007 aus. Im 10-Jahres-Vergleich wuchsen die Rüstungsausgaben aller Staaten zusammen um 37 %., das sind 900 Milliarden offizieller Länderstatistiken, ohne die Geschäfte illegaler Waffenhändler, die in Milliarden vermutet werden.

Anne Gramm kommentiert dazu erfreulicherweise in den KN " dass es nur 40 Milliarden benötigte, um 7 Millionen Menschen das Leben zu retten durch sauberes Trinkwasser, Impfungen und Nahrung. Das wäre friedensstiftend.

Der Verteidigungsetat Deutschlands hat in diesem Jahr mit 31,2 Milliarden einen Höchststand erreicht. Zum Vergleich, der Umweltetat ist 1,3 Milliarden .

Wir sind an 6. Stelle mit den Rüstungsausgaben weltweit!

Herr Bartels, der Verteidigungsexperte der SPD und Direktkandidat von Kiel, beschwichtigte uns 2005?, dass dies Umrüstungen seien und nicht mehr ausgegeben worden sei als früher, was nicht stimmt.

Die Rüstungsexporte Deutschlands sind lt. Sipri in den letzten 5 Jahren um 70 % gestiegen.

Deutschland ist mittlerweile der 3. größte Waffenexporteur der Welt, hinter den USA und Russland! Im Jahr 2004 wurde etwa die Hälfte aller Länder dieser Welt mit deutschen Waffen im Gesamtwert von etwa 4 Milliarden Euro ausgestattet.

Erwähnenswert ist, dass ein Drittel der Ausfuhrgenehmigungen von Waffen an Länder erfolgt, die gleichzeitig Entwicklungshilfe erhalten.

Um Ihnen unsere allgemeine militärische Haltung, die unsere Kultur durchdringt, bewusst zu machen, zitiere ich Ihnen einen Artikel aus der KN von Herrn Jörn Genoux vom 22. Juli 2009, mit der Überschrift:

Die Wehrtechnik im Norden ist gut aufgestellt! (Juchhu ist der Tenor). Die Firmen setzten im vergangenen Jahr 450 Millionen mehr als im Vorjahr für Rüstungsgüter um.

Die Betriebe wollen ihre Exportaktivitäten noch verstärken. Schließlich bestünden weitere Bedrohungen durch regionale Konflikte, Terrorismus und Piraterie!

Er verleugnet dass es hier um ein Riesengeschäft geht und wir die kriegerischen Auseinandersetzungen im Ausland mitschüren.

Ein Beispiel hierzu: Schon 2005 erteilte unsere rot-grüne Landesregierung die Genehmigung zur Ausfuhr von zwei Dophin U-Booten an Israel, die auf besonderen Wunsch so ausgestattet wurden, dass sie den Abschuss von atomar bestückten cruise missiles erlauben. Nun gibt es jüngste militärische Drohungen von Israel gegen den Iran und es wurde bekannt, dass Israel mit den von Deutschland bereits gelieferten U-Booten den Suezkanal durchfahren hat. Israel verfügt insgesamt über 3 in Deutschland produzierte U-Boote. Genehmigt und im Bau sind 2 weitere. Ein offener Brief der IPPNW an die Bundeskanzlerin vom 24. Juli 2009 fordert den Stop deutscher Waffenlieferungen nach Nahost. Sie finden ihn und auf unserem Info-Tisch zur Unterschrift (und im Internet unter www.ippnw.de).

Die beiden U-Boote wurden in Kiel bei HDW hergestellt. Bedenkt man, dass Israel über schätzungsweise 4-500 Atomsprengköpfe verfügt, so sind heute mit deutscher Hilfe etwa 1 Milliarde Menschen durch israelische Atomwaffen bedroht. Israel ist dadurch natürlich auch bedroht.

Die "Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg" teilen die Aussage der Organisation "Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost".

Es heißt darin: "Es ist an der Zeit, dass die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, die vorgibt aus historischen Gründen eine besondere Verantwortung für die in Israel lebenden Juden wahrnehmen zu wollen, konstruktive Beiträge zum Schutz sowohl der israelischen als auch der palästinensischen Bevölkerung einleitet. Die praktizierte Waffenbruderschaft mit der israelischen Armee schürt das Feuer. Sie verstößt zudem gegen die Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland, die Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete strikt untersagt."

Horst-Eberhard Richter, Arzt und Psychoanalytiker und einer der großen alten Männer der Friedensbewegung, hat hierzu jüngst in einer Rede folgendes gesagt: "Es wird entscheidend darauf ankommen, in der Gesellschaft einerseits den Abscheu vor der unermesslichen Grausamkeit eines Nuklearkriegs neu zu erwecken, andererseits die Zuversicht in die Kräfte der Menschlichkeit zu stärken."

Albert Schweitzer und mit ihm namhafte Wissenschaftler und Nobelpreisträger setzten sich schon 1958 für die Abschaffung der Atomwaffen ein.

Unterstützen wir daher die Kampagne "Unsere Zukunft - atomwaffenfrei", die von den "Mayors for Peace", den "Bürgermeister für den Frieden", initiert worden war.

Ziel der Kampagne ist es, dass Deutschland bei der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages im Jahre 2010 vor den Vereinten Nationen sagen kann: Deutschland ist atomwaffenfrei. Wir haben die nukleare Teilhabe beendet, als einen Schritt zu einer atomwaffenfreien Welt.

Es sind dazu viele Aktionen geplant, u.a. ein langer Marsch, der heute auf Sylt startete, am 1. Sept. in Kiel Station machen wird und in Bayern enden wird. Die gesammelten Unterschriften sollen im Mai 2010 in NY der Atomwaffen-Sperrvertragskonferenz übergeben werden.

Oberbürgermeister Albig ist einer von rund 300 (285 aktualisieren) deutschen Bürgermeistern, der die Stadt Kiel in dieser Organisation vertritt.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Albig,

könnten Sie bitte in Ihrer Funktion als Bürgermeister für den Frieden, sich ausschließlich für eine zivile Produktion bei HDW einzusetzen, damit hoffentlich ausschließlich, Handelsschiffe, Yachten u.a. zivile Güter produziert werden?

Es wäre zu hoffen, dass das militärische Erbe und Geistesgut Kiels, einmal Vergangenheit würde. Dieses militaristische Denken hat die Stadt Kiel begründet und grausamer weise 1945 nahezu dem Erdboden gleichgemacht.

4) Frieden und Aggression

Wir brauchen also ein substantiell Neues Denken, wenn die Menschheit überleben will," dies sagte Albert Einstein bereits vor Jahrzehnten.

Wie könnte dieses Denken aussehen?

Militärs und viele Politiker denken, mit Abschreckung und Waffen Frieden zu schaffen, was die Kultur der meisten Völker seit Jahrtausenden prägte.

Wir, die Friedensbewegung, denken, dass nur die Reduktion von Waffen Frieden schaffen kann.

Wir sehen also, dass wir anders denken und nicht von dem gleichen Frieden reden.

Können wir die Idee des Friedens zu einer gemeinsamen, Völkerverständigenden machen?

Was macht die gemeinsame Idee eines Friedens so schwer?

Alexander Mitcherlich, ein Arzt und Psychoanalytiker vermutete 1969 in seinem Buch

"Die Idee des Friedens und die menschliche Aggressivität", dass wir den Frieden auch fürchten. Das Gefühl, der Möglichkeit, kollektiver aggressiver Äußerungen beraubt zu sein, wird ubw als ein äußerst bedrohlicher, schutzloser Zustand aufgefasst.

Wir befassen uns auch ungern mit unserer eigenen Aggressivität, weil sie uns in Konflikt bringt mit unserer Moral, weshalb es so viele Mühe bereitet, die eigene Aggression angemessen einzuschätzen. Sie wird im eigenen Urteil leicht verharmlost. Ungemein scharfsichtig sehen wir die Bosheit, mit der andere uns begegnen und das seit Jahrtausenden. Schon in der Bibel ist über den Stachel im Auge des anderen zu lesen.

Unser Selbstverständnis, dass wir von Natur aus friedlich sind und uns nur verteidigen müssen, weil die Mitmenschen aggressiv sind, ist grundlegend falsch. Es bringt uns in einen moralischen Konflikt mit unseren aggressiven Trieben, die deshalb abgewehrt werden müssen, wie Siegmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, beschreibt.

Am heftigsten wehrt man sich bekanntlich gegen das, was man im eigenen Inneren niederhalten muss.

Die Balance zu halten zwischen der notwendigen aggressiven Fähigkeit und ihrem Gebrauch zur Zerstörung, ist schwer.

Ernst Bloch, ein Philosoph, unterschied deshalb zwischen dem menschenfreundlichen Kampf, also dem Widerstand der sozial-humanen Vernunft, der geburtshelferich sei - also dem was wir tun - und dem vernunftswidrigen Krieg, der die Schädigung und Vernichtung des Mitmenschen, auch die eigene Vernichtung einbezieht. Immer und von Anfang schließt der Krieg die Tötungsabsicht gegen den Artgenossen ein. Dies war von unseren Soldaten und Verteidigungsminister Jung nicht gewollt, weil wir auch in einem Krieg die Guten bleiben wollten. Er scheute sich deshalb, von einem Afghanistankrieg zu sprechen. Seit letzter Woche darf geschossen werden, und es wurde offensichtlich, was es bisher zu verleugnen galt: der Krieg schließt die Tötungsabsicht des Artgenossen ein.

So leicht sieht man es einer Aggression nicht an, wem sie dient, der Vernunft oder Triebbedürfnissen, die der Vernunft spotten.

Sigmund Freud, plädierte deshalb schon 1930 für die Abschaffung der Wehrpflicht, als einer Knechtschaft und Schulung von Körper und Geist, in der barbarischen Kunst des Tötens. Er rief 1932 alle Ärzte auf, gegen den Krieg zu kämpfen.

In der Erziehung zum Krieg liegt die Verewigung des Kriegsgeistes, der sich auch in Strassennamen und Plätzen zeigt. Wir kennen in Kiel den Blücherplatz, die Scharnhorst-, Moltke-, Gneisenaustrasse, um nur einige Militärs zu nennen.

Sehr geehrte Frau Hirdes, wie sieht es mit der Umbenennung des Hindenburgufers in Reich-Pietsch-Ufer aus? Ich hörte, dass dies in der Ratsversammlung beschlossen worden war.

5) Was haben wir der menschlichen Aggression entgegen zu setzen?

Das Mitfühlen, die Liebe zum Menschen, mildert, entschärft diese Aggression, da ihr an der Erhaltung des Menschen gelegen ist, nicht an ihrer Zerstörung. Aber diese "Entschärfung", wie Mitscherlich meinte, ist eine schwer erworbene und deshalb keine vererbbare Eigenschaft. Frieden muss also gelehrt werden, wie Rechnen und Schreiben, muss von jeder Generation erforscht " definiert und immer wieder erarbeitet werden.

Lt. H.E Richter, gibt es keine Sicherheit gegen das Böse. Es gibt nur eine gemeinsame Sicherheit, die darauf beruht, dass der Versöhnungswille stärker ist als der Wille, die Welt durch Gewalt vom Bösen zu befreien.

Neben dem Wissen um diese Aggression, sind Strukturen in Frage zu stellen, die diese Aggressionen fördern.

Wir brauchen Strukturen, die eine gemeinsame Sicherheit voranbringen

Wir brauchen ein Friedensministerium statt des Verteidigungsministeriums, mit dessen finanziellen Mitteln, da das Erarbeiten von Frieden auch einer rechtzeitigen Verteidigung dienen kann.

Der so schwer erträgliche Verzicht auf Gewalt müsste eine Prämisse sein. So ein Friedenskonzept, wissend um die Aggressionen, müsste den in der Gesellschaft aufkommenden Hassgefühlen, Neid usw um jeden Preis Auswege eröffnen, wie dies Kultur, Sport u.a. bereits tun. Also dort dürfte gerade nicht gespart werden, um den Frieden im eigenen Land zu bewahren.

Ich möchte nun nach der Analyse der zuvor berichteten Schwierigkeit im Umgang mit der Aggression,

6) Haltepunkte für eine Zuversicht geben:

1. Es gibt positive Zeichen für Fortschritte bei der atomaren Abrüstung. Zwischen den USA und Russland wird über einen Nachfolgevertrag für START 1 verhandelt. Das würde die Anzahl der Sprengköpfe bei den größten Atomwaffenbesitzern verringern. Und auch britische Militärs diskutieren den Sinn ihrer Atomwaffen.

2. Die Haltung des amerikanischen Präsidenten ist ein Beispiel für neues Denken.

Sie lasen vielleicht auch letzte Woche in den KN, dass er sich mit einem weißen Polizisten, dem ein schwarzer Professor rassistisches Verhalten gegen ihn vorwarf, an einen Tisch setzte und darüber diskutierte.

Ein weiteres Beispiel für Neues Denken, was dem vorhergesagten ähnelt, ist die Wahrheitskommission in Südafrika, die sich bekriegenden Parteien zusammenbrachte, damit ein Zusammenleben nach dem Bürgerkrieg wieder möglich wurde.

3.Die internationale Kampagne von 2004, "atomwaffenfrei bis 2020, wird jetzt auch von dem EU-Parlament unterstützt, das in einem Verfassungsentwurf beschloss, Wege zufinden, um atomwaffenfreie Welt zu schaffen.

4. bietet die Globalisierung die Chance zu mehr Verständnis. Es könnte lt. Mitscherlich, eine "Weltinnenpolitik" entstehen lassen, statt einer Weltaußenpolitik. Es ist damit das Verstehen Verständigung gemeint, was das Außen Innen erlebbar macht, also die Projektionen auf andere selbstkritisch und deshalb schmerzhaft bei sich erkennt und damit zurücknimmt. Durch dieses Verstehen kommt es zur Verständigung.

Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen, ich komme zum Ende meiner Rede,

es ist notwendig, dass wir wachsam bleiben und kämpfen, wie es Bloch definiert hat.

Bruno Bettelheim, ein Kinderanalytiker, der 1938 1 J im KZ Buchenwald eingesperrt war, beschreibt, wie sich kleines Nachgeben bis zur Selbstaufgabe steigern kann und fatale Automatik anzunehmen vermag. Das bloße Stillhalten ist eben auch bereits ein politisches Verhalten und wie uneingestanden auch immer, eine faktische Unterwerfung.

Deshalb ist es notwendig, gerade in dieser Phase der beginnenden Gespräche zwischen den USA und Russland und den derzeitigen Bekundungen einiger deutscher Parteien für eine atomwaffenfreie Zukunft, dass wir den Abrüstungswillen mit unserem wachsamen Engagement begleiten und

Folgendes fordern:



1.dass Deutschland mit seiner Zustimmung zu Obamas Abrüstungszielen, einer Welt ohne Atomwaffen, wie er sagt, Ernst macht und ihn in aller Freundschaft auffordert, die militärisch nutzlosen Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen.



2.Einstellung der Mitarbeit an der Einsatzplanung von Atomwaffen



3.Beendigung der Bereitstellung von Kampfbombern und Soldaten für ihren Einsatz.



4.Verhinderung der Weiterverbreitung u. Abschaffung von Massenvernichtungswaffen



5.Abrüstung weltweit initiieren



6.Nichtinstallierung der Raketenabwehr in O-Europa



7.Stärkung der Rüstungskontrolle und Reduktion der Rüstungsausgaben



8.Keine Hermesbürgschaften für Waffenexporte



9.Zivile Konfliktverarbeitung statt Militärintervention



10.Konversion militärischer Industrien in Kiel und S-H


Es ist Bundestagswahl und die Parteien nehmen die Bevölkerung in den Wahlkreisen besonders wahr. Eine gute Chance, das Thema nukleare Abrüstung ins Bewusstsein zu rücken. Konfrontieren wir sie damit.

Fragen sie z.B. die CDU, warum sie den Abzug der Atomwaffen blockiert. Sagen sie den Parteien, dass sie nur Parteien und Kandidaten wählen, die ein atomwaffenfreies Deutschland wirklich schaffen wollen.

Informationen über Anregungen zu Aktionen und eine Postkartenaktion an die Bundeskanzlerin zum Wahlauftakt erhalten Sie am Stand. ( der IPPNW)

Wenn wir sehen, wie verantwortungslos, schamlos und fahrlässig, Industrie und Politiker mit den Produkten der Atomenergie im Lager von Asse umgehen - zur Erinnerung, Plutonium hat eine Halbwertzeit von 24.00 Jahren - sollten wir unsere Mündigkeit und Wissen einsetzen und uns gegen jede Form von Waffen und Energie wehren, die strahlenbedingte Schäden verursachen.

Aus diesem Grund findet am 5. September in Berlin eine Anti-Atom-Großdemo statt.

Informationen dazu finden sie an dem Stand der DFG-VK.

Eine atomwaffen - und atomenergiefreie Welt ist möglich! Lassen wir uns dies nicht ausreden!

Beginnen wir den gemeinschaftlichen Schritt der Humanisierung unserer Gesellschaft.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.



Barbara Saul-Krause ist aktiv bei der IPPNW-Regionalgruppe Kiel.

E-Mail: b (Punkt) saul-krause (at) web (Punkt) de

Website: www.ippnw.de
 voriger

 nächster




       


Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
        
Themen   FriedensForum Termine   AktuellesHome