Oster-
märsche
2005


vom:
26.03.2005


 voriger

 nächster

Ostermarsch 2005

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zum Ostermarsch in Düsseldorf am Samstag, 26. März 2005

Wir sind wieder da

Hanna Jaskolski (Düsseldorf)

-Sperrfrist: Redebeginn -

-Es gilt das gesprochene Wort -



Liebe Ostermarschierer,

wir sind wieder da, im 45. Jahr seit Beginn der Bewegung. Und die Bewegung fing an mit dem Thema, das brandaktuell ist. Davon werde ich berichten. Mal sind wir Ostermarschierer mehr, mal weniger, aber für die Medien nicht zu übersehen, wenn auch gerne die Teilnehmerzahl kleingeredet wird. Mutlos macht mich das nicht. Mutlos könnte mich nur die Tatsache machen, dass allzu viele Menschen die größte Gefahr für unser Überleben aus den Augen verloren haben, die Bedrohung durch Nuklearwaffen, als ob diese schon verschrottet und unsere Vision von der atomwaffenfreien Welt Wirklichkeit geworden wäre. Waren früher so viele auf der Straße, weil sie generell vor der atomaren Katastrophe Angst hatten, und bleiben sie heute zu Hause, weil sie der kalkulierten Angstmacherei vor den tatsächlichen und den angeblichen Massenvernichtungswaffen der sogenannten Schurkenstaaten auf den Leim gehen? Aber es gibt keine bösen und guten Atomwaffen. Alle müssen weg. Es sind weltweit +noch immer 30.000, und 5.000 davon sind in ständiger Alarmbereitschaft, und das 60 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki. Diese erschreckende Tatsache kommt einem fast nicht über die Lippen, aber schon bahnt sich noch Schlimmeres an. Die Atomwaffenstaaten haben bereits eine neue Atomrüstung in Gang gesetzt: die Erneuerung der Atomsprengköpfe, moderner nennt man sie und meint damit: effektiver fürs Töten, und die Erprobung von Mini-Nukes und Bunker-Busters. Sie tun dies ungeniert, obwohl sie gemäß Artikel VI des Atomwaffensperrvertrages zur nuklearen Abrüstung verpflichtet sind. Auch die regierungsamtlich beschlossene EU-Verfassung schert sich nicht darum, sondern setzt noch eins drauf, indem sie Aufrüstung zum Verfassungsgebot erhebt.

Noch immer ist von der Notwendigkeit der nuklearen Abschreckung die Rede, noch immer gehört zur Strategie der Nato die Option des nuklearen Erstschlages. Inzwischen wird aber schon jenseits des Atlantiks offen von präventiven Atomwaffeneinsätzen gesprochen, auch gegen Nicht-Atomstaaten. Das ist gegen alles Völkerrecht und erschreckend neu in dem nuklearen Krieg, der ja schon lange im Gang ist: Früher waren es die Atomwaffentests, die so vielen Menschen Krankheit und Tod gebracht haben, in den beiden letzten Golfkriegen und auch in Jugoslawien war es der Einsatz von Hunderten von Tonnen Uranmunition mit verheerenden Folgen. Liebe Leute! Ohnmachtgefühle und Fatalismus können wir uns bei diesem Wahnsinn nicht leisten.

Eine neue Etappe dieses gespenstigen Krieges scheint sich gerade anzubahnen. Diesmal soll der Iran dran glauben, falls er sich nicht den Forderungen der westlichen Atommächte beugt, auf sein Atomprogramm zu verzichten. Zugleich nehmen diese die atomare Bewaffnung von Israel, Pakistan und Indien hin, als sei es eine Selbstverständlichkeit. Unser Bundeskanzler hat gerade seinem amerikanischen großen Bruder schulterklopfend versprochen, weiterhin auf diplomatischem Weg den Verzicht des Iran auf die Entwicklung von Atomwaffen zu erwirken. Gerhard Schröder hat offenbar ganz vergessen, dass die Bundesrepublik im eigenen Land amerikanische Atomwaffen, und zwar 130, nicht nur duldet, sondern auch den Einsatz dieser Waffen im Kriegsfall ermöglicht. Auf dem Luftwaffenstützpunkt bei Büchel in der Eifel üben Bundeswehrsoldaten des Jagdbombergeschwaders 33 den Einsatz der dort lagernden Atombomben, sie machen sich damit fit für die Massenvernichtung zum Zeitpunkt, da die Einsatzbefehle von der Nato ergehen. Der Physiker Sebastian Pflugbeil hat kürzlich von der scheinheiligen Debatte um das iranische Atomprogramm gesprochen und im Besonderen von der Scheinheiligkeit der deutschen Politik in puncto nuklearer Bewaffnung.

Ich gehöre zu einer Gruppe von Friedensaktivisten, die sich mit dieser scheinheiligen Mittäterschaft nicht abfinden können und deshalb Wege und Mittel gesucht haben, diesen Skandal aufzudecken und die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Nach vielen gewaltfreien Aktionen - sogenannten Inspektionen - haben wir im vergangenen Jahr an die Soldaten in Büchel Flugblätter verteilt mit der Aufforderung, das Üben des Einsatzes mit den dort gelagerten Atomwaffen zu verweigern, weil diese Praktizierung der nuklearen Teilhabe mit deutschen Tornados völkerrechts- und grundgesetzwidrig sei. Ich hielt dies für eine erlaubte Meinungsäußerung in einem demokratischen Rechtsstaat. Das Amtsgericht in Cochem sah das anders und verurteilte mich zu vier Wochen Haft ohne Bewährung wegen Aufrufs zu einer Straftat. In der Urteilsbegründung ist zu lesen, dass durch derartige Befehlsverweigerung die Schlagkraft der Truppe gefährdet sei durch die Dezimierung der Einsatzkräfte. Auch bestehe dadurch eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Das bedeutet praktisch folgendes: Deutschland ist nur sicher, wenn die nukleare Schlagkraft der Nato, ausgeübt durch die Bundeswehr, nicht gemindert wird. Ich bin dagegen der Meinung, dass Deutschland sicherer wäre, wenn es sich zur atomwaffenfreien Zone erklären würde. Und ich bin auch der Meinung, dass Deutschland menschenfreundlicher wäre, wenn es dem kriegssüchtigen Militarismus unseligen Andenkens eine endgültige Absage erteilen würde. Sicherheit lässt sich nicht herbeibomben, schon gar nicht mit Atomwaffen. Der Frieden auch nicht. Geht das wohl mal in die Männerköpfe?

Hoffentlich fallen uns gegen den nuklearen Wahnsinn außer den "Inspektionen" und Flugblättern noch mehr phantasievolle Aktionen ein. Aber jetzt entscheidet erst einmal das Landgericht Koblenz in unserem Berufungsprozess, und zwar am kommenden Dienstag um 9.00 Uhr, ob nun das Völkerrecht gilt oder ob wir eingesperrt gehören. Wer das Ergebnis erfahren möchte, kann gerne bei uns anrufen.



E-Mail: hjaskolski@t-online.de

Website: www.jaskolski.de
 voriger

 nächster




       
Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
          
Themen   FriedensForum Ex-Jugo Termine   Aktuelles