Ostermärsche und -aktionen 2010

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03.04.2010


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Ostermärsche und -aktionen 2010

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2010 in Bremenhaven am 3. Apri

Liebe Friedensfreunde, meine Damen und Herren,

Werner Begoihn (in Bremerhaven)



- Es gilt das gesprochene Wort! -



leider ist das meiste noch immer aktuell, was ich auf den letzten Kundgebungen nach den letzten Ostermärschen gesagt habe.

Damit ich mich nicht allzu offensichtlich wiederhole, greife ich einige Stichworte auf, die in der letzten Zeit eine Rolle spielten.

1. Guantanamo

Art. 11 Abs. 1 der Menschenrechtserklärung der UNO von 1948 lautet:

"Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist solange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist."

Damit sind alle Insassen Guantanamos juristisch gesehen unschuldige Menschen. Es ist der Angriffskrieg, den die Regierung der USA gegen Afghanistan begonnen hat, der - selbst völkerrechtswidrig - dazu herhalten muss, die Freiheitsberaubung von Menschen als Gegner im so genannten Kampf gegen den Terror zu rechtfertigen.

Und da beginnt sich die Sache im Kreis zu drehen: Denn die Tatsache, dass man massenhaft so genannte Terroristen vorweisen konnte, wurde dazu genutzt, dem Krieg gegen Afghanistan zusätzliche Legitimität zu verschaffen.

In Staaten, die wir als Rechtsstaaten betrachten, gelten mindestens unausgesprochen ähnliche Grundsätze. Ich habe ins Strafgesetzbuch gesehen und da gefunden:

Paragrah 239. Er sagt, dass, wer Menschen einsperrt oder auf andere Weise ihrer Freiheit beraubt, mit 1 bis 10 Jahren Freiheitsstrafe bestraft wird, wenn die Freiheitsberaubung länger als eine Woche andauert.

Nun ist die Frage, wen soll man der Freiheitsberaubung beschuldigen und vor welchem Gericht?

Wenn in Deutschland jemand fälschlich bestraft wurde und unschuldig im Gefängnis gesessen hat, dann regelt das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen in seinem Paragraph 7, dass für jeden angefangenen Tag einer zu Unrecht verbüßten Freiheitsstrafe 25 EUR Entschädigung zu zahlen sind. Für die in Guantanamo erreichten Zeiten der Freiheitsberaubung würde man bei diesem Tarif auf etwa 80.000 EUR kommen - für jeden Häftling.

Statt nun diese unschuldigen Menschen in Freiheit zu setzen und sie angemessen zu entschädigen, wird in kleinlicher Weise darüber verhandelt, welche Staaten überhaupt Häftlinge aufnehmen, und im Bewusstsein vieler Menschen der Eindruck erzeugt, es läge an der fehlenden Bereitschaft anderer Staaten, dass Obama sein Versprechen, das Lager Guantanamo aufzulösen, noch nicht eingelöst hat.

2. Kunduz

Wie wir heute wissen, wurden am 3. September 2009 zwei Tanklastwagen entführt, die ohne militärischen Begleitschutz in einem Gebiet unterwegs waren, aus dem Aktivitäten der Taliban gemeldet worden waren. Die Tanklaster wurden zu einer Furt des Flusses Kunduz gelenkt, wo sie sich auf einer Sandbank festfuhren. Der Beginn der Entführung wird von Wikipedia mit 15.30 Uhr Ortszeit angegeben. Der Gouverneur der Provinz Kunduz informiert seinen Polizeichef gegen 19.15 Uhr, dass da was ist, und etwa eine Stunde später erfährt es auch das deutsche ISAF-Kommando. Bei dieser Darstellung frage ich mich, warum weiß es der Gouverneur vor seinem Polizeichef und warum dauert es so lange, bis auch das deutsche Kommando davon erfährt. Nach den Berichten ist die Furt etwa 15 km vom deutschen Lager entfernt. Warum dauerte es dann bis Mitternacht, die Lage zu klären? Und wie klar war die Lage, wenn sich sehr schnell herausstellte, dass bei dem in den frühen Morgenstunden des 4. September angeordneten und durchgeführten Bombenangriff eine beträchtliche Zahl von Zivilisten getötet wurde?

Wir sind gerade in letzter Zeit Zeugen eines Verwirrspiels, das mit dem Ziel veranstaltet wird, irgendwie glaubhaft zu machen, dass die Kanzlerin und ihre jeweiligen Verteidigungsminister erst so spät von den Tatsachen erfahren haben, dass sie ihre falschen Aussagen machten, weil sie es einfach nicht besser wussten.

Halten wir fest:

Bei diesem Angriff starben mehr Menschen als bei jedem von der Bundeswehr zuvor geführten oder angeordneten Angriff.

Damit zeigt sich einmal mehr, dass die Zweiteilung der NATO in einen Teil, der die Taliban bekriegt (genannt Operation Enduring Freedom) und einen Teil, der den Aufbau des Landes nach dem Krieg sichern soll (genannt ISAF) sich nicht durchhalten lässt. So gesehen beteiligt sich Deutschland am Angriffskrieg der NATO.

Deshalb erhebe ich auch an dieser Stelle die Forderung der Friedensbewegung: Die Bundeswehr soll so schnell wie möglich Afghanistan verlassen.

Wurde der Überfall auf Afghanistan 2001 als begrenzte Polizeiaktion dargestellt (und auch so begründet) mit dem Ziel Osama bin Laden zu fangen und Al-Caida zu zerschlagen - woran heute viele Politiker nicht mehr erinnert werden wollen -, so wurde in den späteren Jahren immer mal wieder ein baldiges Ende, mindestens ein entscheidender Durchbruch in Aussicht gestellt. Ich habe auf einer Kundgebung schon einmal den neuen und alten Verteidigungsminister der USA, Gates, zitiert, der im Februar 2008 gesagt hatte:

"Es ist so, wie die NATO-Bündnispartner erst in Sevilla diskutierten: Wenn wir jetzt die notwendigen Schritte ergreifen, wird die Frühlingsoffensive in Afghanistan unsere Offensive - und sie wird dem Feind der gewählten Regierung, die von der überwältigenden Mehrheit der Afghanen gestützt wird, eine heftige Niederlage bereiten."

Ich denke, wir sind es unserer Selbstachtung schuldig, dass wir nicht jeden Mist glauben, der uns zu Afghanistan erzählt wird, und dass wir darauf bestehen, dass die so genannte Kunduz-Affäre aufgeklärt und die nötigen politischen Konsequenzen gezogen werden.

3. Rüstungsexporte

Das Stockholmer Institut für internationale Friedensforschung (SIPRI) gibt Jahrbücher heraus, in denen Aspekte, die für den weltweiten Frieden erheblich sind, untersucht und beschrieben werden.

Danach bestreiten deutsche Firmen 10 % des weltweiten Waffenexports und stehen damit nach den USA und Russland auf dem 3. Platz einer zweifelhaften Weltrangliste.

Leider passen die mir zugänglichen Daten nicht so ganz zusammen. Denn an anderer Stelle wird der Umfang des weltweiten Waffenhandels für 2007 auf etwa 51 Milliarden US-Dollar geschätzt - 3 Promille des Welthandels -, bei den 5 Staaten, die am stärksten dazu beitragen, taucht Deutschland aber nicht auf.

Es hat aber einen Rüstungsexport ganz besonderer Art gegeben: 10.000 ausgemusterte Pistolen der Bundeswehr sind nach Afghanistan geliefert worden, um die im Aufbau befindliche Polizei auszurüsten. Das war 2005. 2009 gab es eine Sendung des NDR, die aufdeckte, dass schätzungsweise ein Viertel dieser Waffen verschwunden sind. Sie werden z. B. auf Schwarzmärkten gehandelt, sind dort sehr begehrt und es lassen sich Preise von deutlich über 1.000 Dollar damit erzielen.

4. Kosovo

Nach dem Überfall der NATO auf den Rest Jugoslawiens im März 1999 - wie inzwischen jeder wissen kann, war die drohende humanitäre Katastrophe eine Erfindung der Kriegsbefürworter - nach diesem Überfall wurde auch der Rest noch weiter zerstückelt. Schließlich erklärte sich der Kosovo, bis dahin völkerrechtlich Teil Serbiens, zum eigenständigen Staat, eilig anerkannt z. B. von Deutschland.

Gerade eine Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 30. März erinnert noch einmal daran, wie zweifelhaft das Vorgehen der deutschen Regierung war. Es heißt dort:

"Für den Herbst wird eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs über die völkerrechtlich umstrittene Unabhängigkeit des Kosovo erwartet. Der Verteidigungsminister sagte, die deutsche Position zur Unabhängigkeit des Kosovo sei "klar, artikuliert und fest." Sie werde auch durch die Entscheidung des Gerichtshofes "zunächst" nicht beeinträchtigt."

Man wird sehen, zu welcher Auffassung der Gerichtshof in dem Rechtsgutachten kommt, das Serbien vor der UN-Vollversammlung beantragt hatte.

Interessanterweise hat die Süddeutsche zu einer Meldung verlinkt, in der ein ehemaliger UCK-Agent schwere Vorwürfe gegen hochrangige Politiker des Kosovo erhebt. Im Internet findet man viele Hinweise darauf, dass das Kosovo Drehscheibe für Drogen- und Menschenhandel ist und Serben, Juden und Roma Diskriminierungen und Angriffen ausgesetzt sind.

Damit wird deutlich, wer eine humanitäre Katastrophe im Kosovo herbeigeführt hat.

5. Geschichte der Ostermärsche

Die ersten Ostermärsche in Deutschland gab es vor 50 Jahren. Das vorrangige Ziel der deutschen Ostermärsche war es, die Atombewaffnung Deutschlands zu verhindern und eine weltweite atomare Abrüstung zu erreichen.

Wie weit die Welt noch davon entfernt ist, atomwaffenfrei zu sein, ergibt sich aus einer Aufstellung von SIPRI, dem schon genannten Stockholmer Institut, wonach über 4.000 Atomsprengköpfe weltweit gefechtsbereit stationiert sind. Insgesamt gibt es sogar über 20.000.

Auch in Deutschland lagern bei Büchel noch einige Atomwaffen in so genannten Unterflurmagazinen. Die Magazine dort können maximal 44 Atomwaffen aufnehmen, Schätzungen gehen von 10 bis 20 Atomwaffen aus, die dort noch lagern.

Ich denke, das sind immer noch zu viele. Deswegen erheben wir hier noch einmal die Forderung aus unserem Demonstrationsaufruf:

Entfernung aller Atomwaffen aus Deutschland - Abschaffung aller Atomwaffen weltweit.

In Bezug auf den Nah-Ost-Konflikt möchte ich mich darauf beschränken, meiner Überzeugung Ausdruck zu geben, dass kein Weg an Verhandlungen vorbeiführt.

Zum Schluss möchte ich an Hugo Spohler erinnern, den auch im Wortsinne großen alten Mann der Bremerhavener Friedensbewegung, der hier lange Jahre die DFG-VK repräsentiert hat. Die Abkürzung steht für Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinte Kriegsdienstgegner und es war Hugo, der Generationen von Kriegsdienstgegnern beraten und sie ermutigt hat, den Kriegsdienst zu verweigern. Hugo starb 80-jährig im Dezember 2008.

Ich erinnere mich insbesondere an die so genannten feierlichen Gelöbnisse, bei denen er nach Möglichkeit dabei war, um ihnen durch seine Mahnung an die Weltkriege ihre hohle Feierlichkeit zu nehmen und die Gewöhnung an das Militaristische zu erschweren.

Er verteilte da selbst gemachte Flugblätter mit Karikaturen gegen den Krieg und eigenen Gedanken. Ein Spruch auf einem dieser Blätter lautete:

"Ich habe Zeit, sagte der Krieg.

Ihr seid ja so vergesslich."

Seien wir nicht vergesslich.



E-Mail: werner (Punkt) begoihn (at) t-online (Punkt) de
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