Ostermärsche und -aktionen 2010

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07.04.2010


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Ostermärsche und -aktionen 2010

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2010 in Frankfurt/oder am 4. April

Liebe Freundinnen unhd Freunde,

Gerhard Hoffmann (in Frankfurt/Oder)



- Es gilt das gesprochene Wort! -



Am 19. April 1945 schworen auf dem Appellplatz des Konzentrationslagers Buchenwald die Überlebenden

"Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Eine neue Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel."

Ihr Schwur entsprach dem Wunsch der überwiegenden Mehrheit der von Krieg und Verheerung betroffenen Menschen.

Sie hielten es nicht für möglich, dass es Interesse geben könnte, die Vernichtung in bisher nicht gekanntem Ausmaß fortzusetzen, als am 6. und 9. August 1945 amerikanische Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki fielen.

Kurz war das Aufatmen nur. Mit der Wahl des ersten Deutschen Bundestages im August 1949 postulierte Bundeskanzler Konrad Adenauer die Integration in neue Bündnissysteme.

Der damalige Innenminister Gustav Heinemann trat damals aus Protest gegen die Remilitarisierungspolitik von seinem Amt zurück - ein Mann, der Lehren aus der Geschichte zu ziehen in der Lage war.

Dem weltweiten Wunsch nach Frieden entsprach der Stockholmer Appell vom 19. März 1950, dem Aufruf zur Ächtung der Atombombe. Über 500 Millionen Menschen unterzeichneten den Appell.

Die Forderung der Menschen nach einer neuen Welt des Friedens wurde diffamiert, abgetan als kommunistischer Infiltrierungsversuch.

Die kleine weiße Friedenstaube aber flog übers Land und stieg in den blauen Himmel, zeugend von der Sehnsucht der Menschheit.

Die um 1960 in Deutschland entstehende Ostermarschbewegung, der erste Ostermarsch endete am Ostermontag mit 1.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern beim Truppenübungsplatz Bergen-Hohne, unweit Bergen-Belsen, wandte sich entschieden gegen die Atomwaffen. Da hatte Konrad Adenauer gerade behauptet, die neue Generation von taktischen Nuklearwaffen sei

"nichts weiter als die Weiterentwicklung der Artillerie. Selbstverständlich können wir nicht darauf verzichten, dass unsere Truppen auch in der normalen Bewaffnung die neueste Entwicklung mitmachen."

Gelogen hatte Adenauer, infam gelogen und seine Nachfolger machen es ihm bis heute nach, jeder und jede.

Die Ostermärsche erreichten 1980 etwa 700.000 Menschen und die wollten sich mit den Lügen nicht abfinden. Was tut man in Deutschland mit einer Massenbewegung? Man diskreditiert sie als kommunistisch gesteuert und erklärt sie zum Sicherheitsrisiko. Und weil bis heute, was den deutschen Militarismus betrifft, schamlos gelogen wird, werden die Gegner von Krieg und Militarismus ebenso schamlos diskreditiert.

Aber ich bin in der DDR aufgewachsen, sah mit großer Sympathie, wie viele Menschen im Westen sich gegen Remilitarisierung und Atombewaffnung wehrten. Ich sah mit großer Sympathie die Ostermarschbewegung Kampagne für Demokratie und Abrüstung als unabhängige neue soziale Bewegung.

Und ich sah kritisch die Versuche in der DDR, Schwerter zu Pflugscharen umzuschmieden. Ich führte viele Gespräche, weil ich einseitiges Schmieden nicht für tragfähig hielt.

Die DDR gibt es nicht mehr. Die Forderungen von damals: Abrüstung von Atomwaffen, Frieden schaffen ohne Waffen, Einrichtung eines sozialen Friedensdienstes, Abschaffung des Wehrkundeunterrichts, Einstellung der Produktion und des Vertriebs von Kriegsspielzeug usw. gibt es auch nicht mehr. Einige von denen, die die Forderungen damals vehement verteidigten, stimmen im Bundestag für wahnsinnige Rüstungsetats, für Kriegseinsätze und scheinen überzeugt davon, dass Deutschland am Hindukusch zu verteidigen sei - wofür gerade wieder drei junge Leben geopfert wurden. Mit militärischem Pomp werden drei neue Namen eingraviert in das Berliner Kriegsmal, das weder ein Ehrenmal, noch ein Denkmal ist.

Ich sehe überall Kriegsbücher, -broschüren, - filme, - DVD`s, raffinierte Kriegsspielzeuge in unübersichtlichen Massen, ich sehe Jugendoffiziere der Bundeswehr an Schulen für das Kriegshandwerk werben - inzwischen nicht mehr nur vereinzelt, ich sehe Kinder in Panzertürmen und in Hubschraubern und bei Zielübungen an Waffen der Bundeswehr, ich sehe, dass 2003 2.250 Bundeswehsoldaten nach Afghanistan geschickt wurden, heute sind es schon 5.350, ohne dass Aussicht auf Beendigung des Krieges besteht, ich sehe, dass nach wie vor amerikanische Nuklearwaffen in Deutschland stationiert sind und ich erfahre von so genannter wehrtechnischer und wehrmedizinischer Forschung an zivilen Hochschulen und Universitäten, für die 2008 1,1 Milliarden Euro verteilt wurden. Und ich sage mit Wolf Biermann - wahrlich nicht mein favorisierter Autor - wir sind "vom Regen in die Jauche" gekommen.

Ja, Deutschland ist wieder wer und seit Helmut Kohl ist die Bundesrepublik mit Hilfe vieler Steuermilliarden zur militärischen Weltmacht geworden. Deutschland ist fest umzingelt von Freunden, aber beim Export von Waffen sind unter den Regierungen Kohl, Schröder und Merkel alle Skrupel verloren gegangen. Krieg ist wieder Fortsetzung der Außenpolitik mit anderen Mitteln.

Ich stelle für mich fest: Die zwei eingangs zitierten Sätze aus dem Schwur von Buchenwald besitzen höchste Aktualität. Wir sind es den Opfern von Faschismus und Krieg schuldig, darum zu ringen, die Sätze Wirklichkeit werden zulassen.

Ich stelle für mich fest: Meine Position zu Schwertern, die zu Pflugscharen umgeschmiedet werden könnten, die ich damals hatte, ist nicht aufrechtzuerhalten, ich fühle mich heute den Schmieden zugehörig. Und es stimmt mich zuversichtlich, dass im fünfzigsten Jahr der Ostermärsche an fast allen europäischen Standorten von Atomwaffen, in Belgien, Holland, Großbritannien, Italien, Frankreich, in der Türkei protestĦert wird, dass in Deutschland siebzig Ostermärsche stattfinden und dass wir uns in dieser Bewegung bewegen, mit der eindeutigen Forderung:

Schluss mit dem Krieg in Afghanistan und zurück mit den in der Welt agierenden Soldaten der Bundeswehr, sofort und für immer!

Weg mit den Atomwaffen, sofort und für immer!

Und eines zum Ende, Bertolt Brecht schrieb:

"Unsere Niederlagen
beweisen nichts, als dass
wir zu wenige sind,
die gegen Gemeinheit
kämpfen."


Deshalb bin ich hier und meine, es ist hoch an der Zeit, dass wir mehr werden.



Gerhard Hoffmann ist aktiv bei derVVN-BdA
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