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21.04.2011


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Redebeitrag für den Ostermarsch 2011 in Hamburg am 23. April

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, liebe Genossinnen und Genossen,

Christin Bernholds (in Hamburg)



- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 23. April, Redebeginn: ca 13 Uhr -



die brutalsten und sicherlich verwerflichsten Verbrechen werden von Bundeswehrsoldaten momentan in Afghanistan und anderen Kriegseinsätzen begangen. Die Bundesrepublik Deutschland (BRD) steigert die Möglichkeiten, ihre wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen zur Not auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen - besonders durch die Transformation der Bundeswehr zu einer Freiwilligen- und Berufsarmee im Kriegseinsatz. Aber wir sollten nicht vergessen, dass der offen ausgetragene Krieg lediglich die Spitze des imperialistischen Eisbergs ist und wir sollten vor allem nicht vergessen, was hier in Deutschland, an der Heimatfront geschieht, um die neoimperialistische Außenpolitik der BRD möglich zu machen.

Die Bundeswehr sorgt seit geraumer Zeit systematisch dafür, dass sie in zivile Institutionen und die Teile der Gesellschaft integriert wird, die bislang nicht mit der Bundeswehr kooperierten. Schritt für Schritt gewöhnt man sich daran, dass Jugendoffiziere und Wehrdienstberater immer stärker in Schulen, Arbeitsämtern und Hochschulen für Kriege werben und junge Menschen rekrutieren. Man gewöhnt sich auch daran, dass Werbung für die Bundeswehr und militärische Einsätze in Zeitungen, im Fernsehen und im Radio gemacht wird. Daran dass der Katastrophenschutz eine militärische und keine zivile Aufgabe ist. Und daran, dass Militärs am Tisch sitzen, wenn über den Umgang mit Sozialprotesten und Infrastruktursicherung im Inneren entschieden wird. Im Jargon der modernen Sicherheitspolitik nennt man diesen Prozess, wie wir ja heute schon gehört haben, zivil-militärische Zusammenarbeit. Sie hat das Ziel, ziviles und militärisches Leben miteinander zu vernetzen und letztlich zivile Mittel dem militärischen Zweck unterzuordnen, wie es zum Beispiel immer mehr mit der sogenannten Entwicklungshilfe passiert. Irgendwann wird öffentlich überhaupt nicht mehr bewusst wahrgenommen werden, dass die zahlenmäßige Steigerung militärischer Aufgaben und Präsenz bei Bundeswehreinsätzen im Inneren auch eine qualitative Änderung mit sich bringt. Zumal die Zahl der sogenannten Amtshilfefälle stetig zunimmt. In den letzten Jahren wurde die Bundeswehr z.B. bereits gegen die Anti-G8-Proteste sowie gegen die Castordemonstranten eingesetzt.

Auch in Hamburg kann man diese schleichenden Prozesse zur Absicherung der Heimatfront beobachten. Wie in anderen Teilen der Republik sitzen Militärs in den Katastrophenschutzstäben und den Koordinierungsgremien, Reservisten werden aktiviert, Kriegskonferenzen ausgerichtet, Patenschaften für Kriegsschiffe übernommen, Kriegsgerät beim Hafengeburtstag gefeiert usw.

Eine besondere Bedeutung kommt der Agitation an Schulen zu. Seit drei Jahren versuchen die Militärs peu á peu sogenannte Kooperationsabkommen mit den Landesschulministerien abzuschließen, um sich institutionalisierten Zugang zu den Klassenzimmern zu sichern. Neun dieser Vereinbarungen gibt es schon - auch in Bundesländern mit "roter" oder "rot-grüner" Landesregierung. Die Kooperation mit den Bildungseinrichtungen ist für die Bundeswehr deshalb so wichtig, weil dort mehrere Ziele auf einmal verfolgt werden können. Schüler wie Lehrer und Referendare werden 1. indoktriniert, um die Zustimmung zu Deutschlands neoimperialistischen Kriegen zu steigern. Die Bundeswehr nennt dies "Öffentlichkeits- und Informationsarbeit" 2. werben die Militärs massiv um Jugendliche, weil sie neues Kanonenfutter für ihre Einsätze benötigen. Dafür wird gezielt die Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen, die von der Krise der kapitalistischen Gesellschaft verschärft worden ist, für ihr Anliegen ausgenutzt.

Berichte aus NRW belegen, dass die Kooperationsabkommen als Hilfsmittel wunderbar funktionieren. Die veröffentlichten Zahlen offenbaren auch, dass die Schulbesuche bundesweit rapide in den letzten Jahren zugenommen haben. 2009 hat die Bundeswehr mit knapp 7.250 Veranstaltungen 160.000 Schülerinnen und Schüler erreicht. Dass das Bundesverteidigungsministerium gemeinsam mit dem Oberkommando der Bundeswehr angesichts der Bundeswehrstrukturrefom eine Charmeoffensive in allerlei Medien aufgelegt hat passt leider nur allzu gut in dieses Bild.

Auch die Hochschulen spielen eine gewichtige Rolle für das Militär. Abgesehen von den sogenannten "Informationsveranstaltungen zur deutschen Sicherheitspolitik" und den ausgewiesenen Anwerbungsversuchen, werden hier Kriegsrelevante Forschungs- und Lehrprojekte durchgeführt...manchmal sogar, ohne dass man das so einfach mitbekommt! Wer ahnt denn schon, dass nicht nur die Forschung zur Entwicklung von Waffensystemen vom Bundesamt für Verteidigung finanziert wird, sondern teilweise sogar Psychologische Studien oder Sportwissenschaften, um die Ausdauer der Soldaten zu verbessern? Im Jahr 2009 hat das Bundesverteidigungsministerium Drittmittel in Höhe von 7,6 Mio. Euro an deutsche Hochschulen vergeben!

Kommen wir aber nochmal auf Hamburg zurück.

Auf die Frage, ob Hamburg auch ein Kooperationsabkommen oder eine ähnliche Vereinbarung mit der Bundeswehr abschließen will, antwortete der neue Senat am 19. April, dass es keine Vorbereitungen für die Erstellung einer solchen Vereinbarung gebe. Das muss auch in Zukunft so bleiben, liebe FriedensfreundInnen und wir müssen uns dafür einsetzen! Olaf Scholz und die SPD müssen auch in dieser Frage Farbe bekennen. Die SPD kann entscheiden, ob sie den Weg der Kriegstreiber Schrörder, Struck und Steinmeier fortsetzt oder ob sie zumindest in kleinen Punkten beginnt, mit ihrer nun fast 100jährigen Kriegstradition in Deutschland zu brechen.

Wer für Frieden ist, muss nicht nur die Kriege und Militäroperationen in Afghanistan, Pakistan, in Libyen und im Irak sofort beenden. Er muss auch dafür sorgen, dass die moderne Militarisierung der Heimatfront sofort gestoppt wird. Die Indoktrination von jungen Menschen für Kriegseinsätze, die Rekrutierung der Bundeswehr und ihre Darstellung als ganz normaler Arbeitgeber und Teil der Gesellschaft, die Forschung und Lehre für militärrelevante Projekte - all das ist ein Bestandteil der deutschen Kriegspolitik! Wir müssen uns gegen diesen Trend stellen, der der Bundesregierung erst ihr letztes, stärkstes und opferreichstes Mittel, die Kriegspolitik, ermöglicht.

Die Bundeswehr muss aus den Schulen, Hochschulen und Arbeitsämtern verschwinden! Die Kooperationsabkommen müssen aufgelöst werden!

Nur wenn wir den neuen deutschen Militarismus zurückdrängen, besteht die Möglichkeit, dass das Schlachten am Hindukusch ein Ende hat.



Christin Bernholds ist Landessprecherin der Linksjugend [`solid] Hamburg. Vita siehe hier

E-Mail: christin (Punkt) bernhold (at) gmx (Punkt) de

Website: www.linksjugend-solid-hamburg.de
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