OM 2013

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30.03.2013


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Ostermärsche und -aktionen 2013

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Redebeitrag für den Ostermarsch Rheinland 2013 in Düsseldorf am 30. März

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Kathrin Vogler (in Düsseldorf)



- Sperrfrist: 30. März, Redebeginn: ca. 15 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



gestern vor genau zehn Jahren, am 29. März 2003, stand ich in einer Friedenskette, in der 40.000 Menschen Hand in Hand die Verhandlungsstätten des Westfälischen Friedens in den Rathäusern von Osnabrück und Münster miteinander verbanden. Mit dieser Aktion wollten wir gegen den bereits begonnenen Irakkrieg und für die Einhaltung des Völkerrechts demonstrieren, verhindern konnten wir ihn ja leider nicht.

Ich finde, es lohnt sich, heute noch einmal einen Blick zurück zu werfen, um die Folgen dieses Krieges für die Menschen in der ganzen Region anzusehen. Wenn wir das tun, dann stellen wir fest: Dieser Krieg war von Anfang an ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen das Völkerrecht. Er hat mindestens 120.000 Menschen das Leben gekostet, durch direkte Gewalteinwirkung, durch Hunger und Krankheit oder durch indirekte, schleichende Kriegsfolgen wie etwa durch abgereichertes Uran. Nicht nur im Irak, sondern auch in den USA und den anderen kriegsbeteiligten Ländern. Millionen Zivilisten wurden vertrieben, Soldaten erkrankten physisch und psychisch.

Die Gründe, die für den Einmarsch in den Irak angegeben wurden, erwiesen sich allesamt als Propagandalügen: Die angeblichen Massenvernichtungswaffen, die angeblichen Kontakte zu Al Qaida - alles nur gut gemachte Illusion. Der Irakkrieg war ein Krieg um geostrategische Einflusssphären, um Macht und Kontrolle, aber vor allem um die Ressourcen eines der ölreichsten Länder der Welt. Aber selbst aus dieser Perspektive betrachtet war die US-Regierung nicht besonders erfolgreich.

Zwar hat sie den Krieg gewonnen, aber das Öl aus dem Irak, das beziehen weiterhin russische und chinesische Firmen. Trotzdem erleben wir, dass genau dieselben Kriegslügen und Halbwahrheiten auch heute wieder zur psychologischen Kriegsvorbereitung eingesetzt werden - diesmal gegen Syrien und den Iran.

Seit zwei Jahren herrscht in Syrien ein blutiger Bürgerkrieg. Auf der einen Seite steht die Regierung Assad, die auf ihr Volk schießen lässt, wenn es protestiert und auf der anderen Seite steht eine ganze Reihe von sehr unterschiedlichen Milizen, die sich teilweise untereinander ebenso erbittert bekämpfen wie die Regierung, die ebenfalls Zivilisten angreifen und Menschenrechtsverletzungen begehen. Die UNO beziffert die Zahl der Opfer schon jetzt auf etwa 70.000. Wie das Deutsche Rote Kreuz heute bekanntgab, sind inzwischen schon zweieinhalb Millionen Menschen, das sind über 10% der Bevölkerung, bereits vor den Kämpfen geflohen.

Und was macht unsere Bundesregierung? Weniger als Nichts, denn das, was sie tut ist ebenso kontraproduktiv wie das, was sie unterlässt. Wenig hilfreich war schon die bedingungslose diplomatische Anerkennung des Oppositionsbündnisses "Nationale Koalition", denn es hat keine demokratische Legitimation und eine politische Lösung des Konflikts ist damit unwahrscheinlicher geworden.

Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung Waffenlieferungen an die Oppositionstruppen nicht kategorisch ausschließt. Merkel und Westerwelle sollten sich dafür einsetzen, dass das EU-Waffenembargo auch eingehalten wird. Denn noch mehr Waffen, egal für welche Seite, bedeuten noch mehr Tote, mehr Flüchtlinge und provozieren einen noch schlimmeren Rüstungswettlauf. Wie will man denn überhaupt sicherstellen, dass solche Waffen nicht in die Hände von Fundamentalisten oder schlicht von Verbrechern gelangen? Wie will man dafür sorgen, dass sie nicht nach dem Bürgerkrieg von Syrien aus in andere Länder weiterverkauft werden?

Nein, ich bin überzeugt davon, dass mehr Waffen die Lösung des Konflikts nicht beschleunigen würden. Im Gegenteil. Es fehlt in Syrien ganz offensichtlich nicht an Waffen und Munition, sondern es fehlt an ernsthaften Bemühungen für eine politische Lösung und dafür sollte sich die EU stark machen.

Dann hat sich die Bundesregierung scheinbar großzügig bereiterklärt, in diesem Jahr noch fünftausend syrische Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Ganz ehrlich, davon bin ich nicht sehr beeindruckt: Fünftausend, das sind gerade mal zwei Promille derjenigen, die schon jetzt auf der Flucht sind. Und der Exodus geht ja weiter. Eine genauere Vorstellung davon, wer da kommen darf, hat unser Innenminister auch schon: Vor allem Christen sollen es sein.



Liebe Freundinnen und Freunde,

diese Haltung ist zutiefst zynisch! Unter der Gewalt in Syrien leiden alle, Christen, Juden, Drusen, Muslime und Atheisten gleichermaßen. Es ist ganz unerträglich, dass der Innenminister hier Unterschiede machen will. Wer in Not ist, dem muss geholfen werden, Herr Friedrich!

Und dann hat die Bundesregierung - übrigens mit Zustimmung von SPD und Grünen - auch noch die Stationierung von bis zu 400 Bundeswehrsoldaten mit Patriot-Raketenabwehrsystemen an der türkisch-syrischen Grenze beschlossen. Lediglich DIE LINKE hat dazu geschlossen Nein gesagt. In der Bundestagsdebatte am 14.12. sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold:

"Wir stimmen der Verlegung dieser Systeme zu, weil wir der festen Überzeugung sind: Sie wirken deeskalierend."

Dazu kann ich nur sagen: Bei der SPD kann man Eskalation und Deeskalation offenbar nicht mehr so recht auseinanderhalten! Die Politik der türkischen Regierung ist jedenfalls alles andere als deeskalierend. Die Regierung Erdogan bietet den Kämpfern der syrischen Opposition nicht nur Rückzugsräume auf ihrer Seite der Grenze. Es gibt auch ernst zu nehmende Berichte, dass türkische Geheimdienstler und Militärs die Rebellen trainieren und ausrüsten. Wenn das im Schutz der NATO-Raketen geschieht, macht sich die Bundesregierung hier zur Konfliktpartei und wird mitschuldig!

Eine weitere Tatsache ist, dass die Stationierung von NATO-Raketenabwehrsystemen in der Türkei zumindest von Russland ganz und gar nicht als Deeskalationsmaßnahme verstanden wurde. Eine politische Lösung für Syrien ist aber ohne die Zustimmung Russlands kaum möglich. Und natürlich bleibt der Verdacht, dass die Patriot-Raketen nicht nur in Richtung Syrien zielen, sondern auch in Richtung Iran. Auch hier kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Modell Irak wiederholt werden soll: ein fieser Machthaber, der angeblich über Atomwaffen verfügt und Terroristen ausstattet - das scheint doch schon wieder ein Fall für die NATO oder für eine neue Koalition der Willigen zu sein!



Liebe Freundinnen und Freunde,

da müssen wir wachsam bleiben. Lasst uns nicht müde werden zu sagen: Von Deutschland muss Frieden ausgehen!

Was könnte die Bundesregierung tun, um den Frieden im Nahen und Mittleren Osten zu fördern? Zunächst einmal müsste sie etwas unterlassen, nämlich die Genehmigung von Rüstungsexporten. Selbst wenn die Bundesregierung keine Genehmigung für direkte Exporte nach Syrien erteilt - sie genehmigt weiter fleißig Lieferungen in die Golfstaaten, nach Saudi-Arabien oder Katar. Und diese Regierungen unterstützen jeden islamistischen Warlord mit Geld, Waffen und Knowhow.

Diese Geschäfte mit dem Tod müssen zuallererst beendet werden!

Dann sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass das Völkerrecht wieder gestärkt wird und die Vereinten Nationen ihre Rolle als Schlichter und Vermittler erfolgreich spielen können. Das Völkerrecht verbietet ganz klar die militärische Intervention zum Zweck des Regimewechsels - und das muss so bleiben! Dazu gehört auch, auf alle Angriffsdrohungen gegenüber anderen Staaten zu verzichten. Das Angriffsverbot des Grundgesetzes muss endlich wieder ernst genommen werden!

Wir stehen solidarisch an der Seite aller Menschen, die für Demokratie und Menschenrechte kämpfen, die ihre Gesellschaften zum Besseren verändern wollen. Aber wir sagen kategorisch NEIN zu Militärinterventionen, denn diese sind durch nichts zu rechtfertigen.

Im Nahen und Mittleren Osten braucht es gleich zwei Friedensprozesse: Einen offiziellen zwischen den Staaten, bei dem es um Kooperation, wirtschaftliche Beziehungen, Abrüstung und regionale Konfliktbearbeitung geht. Und parallel dazu einen Friedensprozess der Bevölkerungen, in dem die Menschen dieser konfliktgeladenen Region miteinander erste Versöhnungsschritte gehen können. Beide Prozesse kann die Bundesregierung unterstützen - wenn sie sich nicht weiter einseitig verhält und wenn sie die Bundeswehrsoldaten und die Patriots aus der Türkei wieder abzieht.

Statt Militär einzusetzen sollte die Bundesregierung die Zahl der Fachkräfte im Zivilen Friedensdienst deutlich erhöhen und dabei auch grenzüberschreitende Projekte fördern.

Der politische Friedensprozess muss auch dafür sorgen, dass die Menschen in Palästina und Israel endlich die Perspektive eines eigenen palästinensischen Staates verwirklichen können. Ohne einen lebensfähigen Staat für die Palästinenserinnen und Palästinenser wird es keine sichere Zukunft für Israel geben. Deswegen war die Enthaltung der Bundesregierung in der UN-Vollversammlung bei der Aufwertung Palästinas zum "Beobachterstaat" halbherzig und feige. Wer ernsthaft eine Zweistaatenlösung und einen Friedensprozess will, muss auch die Schritte dahin wollen und unterstützen. Es geht nicht an, von den Palästinenserinnen und Palästinensern immer Geduld zu fordern, während die israelische Rechtsregierung den illegalen Siedlungsbau in Jerusalem und im Westjordanland immer weiter vorantreibt.

Und zu guter Letzt: Kriegsdienstverweigerer und Deserteure sollten in Deutschland endlich sichere Aufnahme finden. Es ist ein Skandal, dass die Verfolgung wegen Kriegsdienstverweigerung bei uns noch immer kein hinreichender Asylgrund ist!



Liebe Freundinnen und Freunde,

Bertha von Suttner, die Friedensnobelpreisträgerin und Mitgründerin der Deutschen Friedensgesellschaft hat vor über hundert Jahren geschrieben: "Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut soll immer wieder mit Blut abgewaschen werden."

Dieser Satz beschreibt sehr gut, wie unvernünftig, wie irrational Krieg ist.

Wir haben uns heute auf den Weg gemacht, weil wir überzeugt sind, dass eine andere, eine vernünftige Politik möglich ist. Lasst uns das Blut mit dem klaren, reinen Wasser der Menschlichkeit abwaschen! Ich wünsche dem Ostermarsch Rhein-Ruhr 2013 viel Erfolg.

Shalom und Sala`am!



E-Mail: kathrin (Punkt) vogler (at) bundestag (Punkt) de

Website: www.kathrin-vogler.de
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