Demos
13.10.2001


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12.10.2001


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Demonstrationen 13.10.2001

 Echo / Presse

Pressesplitter 10.-12.10.2001

diverse Medien

WDR Hörfunk Nachrichten, 12.10.01 Friedensdemo in Paris

WDR Hörfunk Nachrichten, 11.10.01 Friedensdemos in Berlin und Stuttgart

Berliner Zeitung, 12.10.2001 Zehntausende für Frieden auf der Straße

Tagesspiegel, 12.10.2001 Friedenbewegung bringt Tausende auf die Straße

SZ, 12.10.2001 Fusion der Engagierten

Berliner Morgenpost, Lokales, 11.10.2001 Gegen den Krieg

Taz vom 11.10.01 Der Schock sitzt zu tief

Westfalenpost, Politik vom 11.10.2001 Das Friedensbiotop ist verödet

ND vom 11.10.2001 Krieg und Terror: Aufstehen für Frieden und Gerechtigkeit



Quelle: WDR HF Nachrichten, 12.10.01

Friedensdemo in Paris

In Paris haben gestern Abend mehrere tausend Menschen für Frieden demonstriert. Aufgerufen hatten die kommunistische Partei Frankreichs, Gewerkschaften und Menschenrechts-Organisationen. In dem Aufruf hieß es, Massaker wie die Attentate in New York und Washington seien durch nichts zu rechtfertigen. Doch sei die Ungerechtigkeit der Welt der Nährboden für Hoffnungslosigkeit und Hass. Dem könne man nicht mit der Logik eines Rachekrieges begegnen. Die Demonstranten forderten eine stärkere Rolle der Vereinten Nationen.



Quelle: WDR HF Nachrichten, 11.10.01

Friedensdemos in Berlin und Stuttgart

Die Veranstalter zweier bundesweiter Friedensdemonstrationen am Samstag in Berlin und in Stuttgart rechnen mit mehr als 30.000 Teilnehmern.

Den Aufruf "Kein Krieg! Aufstehen für den Frieden!", der sich gegen eine militärische Eskalation in der Terror-Krise wendet, haben inzwischen rund 140 Initiativen und Organisationen unterzeichnet. Darunter sind Jugendgruppen, Kirchen- und Gewerkschaftskreise, Schüler- und Studentenvertretungen, Globalisierungskritiker und die Netzwerke der traditionellen Friedensbewegung. Ein Sprecher der Veranstalter sagte, die Angriffe auf Afghanistan töteten auch Zivilisten. So lasse sich die Terrorgefahr nicht beseitigen. Krieg löse keine Konflikte.





Quelle: Berliner Zeitung, 12.10.2001

Demos

Zehntausende für Frieden auf der Straße

Zu einer Großdemonstration für Frieden werden am Sonnabend mehrere zehntausend Menschen in Berlin erwartet. Vor dem Protestmarsch unter dem Motto "Kein Krieg! Aufstehen für den Frieden!" gibt es um 13 Uhr Auftaktkundgebungen am Brandenburger Tor und vor dem Roten Rathaus und am "Tränenpalast" neben dem Bahnhof Friedrichstraße. Die Abschlusskundgebung ist für 14.30 Uhr auf dem Gendarmenmarkt geplant.

"Aus vielen Städten werden Teilnehmer mit Bussen kommen", sagte Laura von Wimmersperg von der Berliner Friedenskoordination, die die Demonstration veranstaltet. Dem Aufruf haben sich 140 Initiativen und Organisationen angeschlossen, darunter die katholische Friedensbewegung "Pax Christi", das "Netzwerk Friedensinitiative", die Globalisierungskritiker von "Attac" und Jugendgruppen. "Der Krieg in Afghanistan wird den Terrorismus nicht beenden", sagte Peter Strutynski von der "Initiative Friedensratschlag". Bomben und Raketen erzeugten neuen Hass und Terror. Ziel müsse es sein, dem Terrorismus durch Beseitigung der Ursachen von Armut, Elend und Ausgrenzung den Nährboden zu entziehen, sagte Strutynski. Auch der Berliner Landesverband der NPD kündigte seine Teilnahme an der Demonstration an. Die NPD wolle an ihre bisherigen Protestaktionen anknüpfen, sagte Parteisprecher Ansgar Scholz. Die Organisatoren der Friedensdemo wollen eine Teilnahme der rechtsextremen Partei verhindern. Es werde alles dafür getan, um sich von den Rechten abzugrenzen, sagte Hans-Peter Richter für die Organisatoren. Bei der Polizei sei Schutz angefordert worden, um NPD-Anhänger von der Demo abzuhalten. Eine Kundgebung gegen Aufrüstung im Weltraum ist für Sonnabend ab 11 Uhr auf dem Potsdamer Platz geplant. Dazu rufen Künstler und Friedensgruppen auf. Sie rechnen mit 500 Teilnehmern. Am Donnerstag war ein Friedensmarsch verschiedener Pankower Schulen auf geringe Resonanz gestoße: Nur 200 Jugendliche zogen von der Danziger Straße zum Roten Rathaus. (epd, dpa/lo.)





Quelle: Tagesspiegel, 12.10.2001

Demonstration

Friedenbewegung bringt Tausende auf die Straße

Großdemonstration gegen den Krieg am Sonnabend / Polizei: Innenstadt dürfte mal wieder dicht sein

Katja Füchsel

Nach dem amerikanischen Gegenschlag erlebt die Friedensbewegung in Deutschland jetzt eine Renaissance: Allein in Berlin werden für den bundesweiten Aktionstag am Sonnabend 50 000 Menschen erwartet. "Kein Krieg! Aufstehen für den Frieden!", lautet das Motto der Demonstration, der sich mehr als 60 Organisationen, Verbände und Gruppen angeschlossen haben.

Es ist die Angst vor dem Krieg, die die Menschen nach den Anschlägen in den USA auf die Straße treibt. Um 13 Uhr wollen sich die Demonstranten am Samstag an zwei Treffpunkten versammeln, dem Brandenburger Tor und dem Roten Rathaus. Parallel zu der Großdemonstration wird auf dem Potsdamer Platz für den Frieden protestiert, hier lautet das Motto zwischen 11 und 17 Uhr: "Stoppt die Militarisierung des Weltraums!" Die Demonstranten fordern die Abschaffung von Atomwaffen und Raketen. Am S-Bahnhof Friedrichstraße treffen sich um 13 Uhr ebenfalls friedensbewegte Demonstranten. Unter dem Motto "Für ein anderes Berlin" wollen sie zum Neptunbrunnen in Mitte marschieren.

Machtvoller dürfte das Protest-Aufgebot wirken, das vom Roten Rathaus und dem Brandenburger Tor aus auf den Gendarmenmarkt zu marschieren will. "Die Innenstadt wird am Samstag dicht sein", sagt eine Sprecherin der Polizei - und rät mal wieder: "Den Bereich weit umfahren." Die Liste der aufrufenden Organisationen liest sich wie ein "Who is who" der Friedensbewegten: Netzwerk Friedenskooperative, Ohne Rüstung leben, Bundesausschuss Friedensratschlag, Berliner Friedenskoordination, Deutsche Friedensgesellschaft...

Aber es sind auch Gruppen vertreten, die sich bislang nicht unbedingt als pazifistisch ausgewiesen haben. Die Globalisierungsgegner von "Attac" beispielsweise. Auch wenn sich die Organisation immer wieder von Gewalt distanziert hat, konnte sie nicht verhindern, dass ihr Name erst mit den Krawallen von Göteborg und Genua richtig bekannt geworden ist. Gegenwärtig machen die Gruppen auch im Internet mobil: Es wird um Spenden gebeten, Mitfahrgelegenheiten werden organisiert, "Flyer" und "Flash-Banner" unter die Leute gebracht. Das Friedenszeichen können sich die Anhänger als "Logo" runterladen.

Rund 6000 Teilnehmer protestierten gestern Abend vor dem Roten Rathaus "Gegen Terror und Krieg". Hauptredner auf der von der PDS organisierten Kundgebung gegen die Militäraktion der USA in Afghanistan waren die PDS-Bundesvorsitzende Gabi Zimmer und PDS-Spitzenkandidat Gregor Gysi. Er kritisierte die Bundesregierung, weil sie die Militäraktion unterstützt. Verbrechen wie die Terror-Anschläge in den USA könnten durch keine Ideologie auch nur ansatzweise gerechtfertigt werden, sagte Gysi. Er forderte, die Verantwortlich "am besten vor einem internationalen Gerichtshof" zur Rechenschaft zu ziehen.





Quelle: SZ, 12.10.2001

Fusion der Engagierten

Die Friedensbewegung globalisiert sich, hat auf der Straße aber weiter einen schwachen Auftritt

Von Juan Moreno

Hans Peter Richter ist schon lange, ach was, schon ewig dabei. Seit den Achtzigern, seit der Zeit, als es noch Ostermärsche gab, über die in den Nachrichten auch berichtet wurde, damals, als die Polizei Otto Schily auf Händen trug, nicht umgekehrt. " Sehr lange her ist das", sagt er.

Noch bis zum Wochenende nennt er sich "Büroleiter des Organisationsbüros des Trägerkreises zur Demonstration am 13. Oktober in Berlin". Richter organisiert eine Veranstaltung mit, die das Motto hat: "Kein Krieg! Aufstehen für den Frieden! Für Solidarität und soziale Gerechtigkeit!", und für das steht, was über sechzig Organisationen zu den Angriffen der Amerikaner und Briten auf Afghanistan zu sagen haben. Darunter ATTAC Deutschland, die Organisation von Globalisierungsgegnern, der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, die Schülervertreter, die PädagogInnen für den Frieden, Ärzte zur Verhinderung des Atomkriegs und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. "Früher wäre es uns nicht gelungen, all diese verschiedenen Gruppierungen zu vereinigen", sagt Richter. "Seit Seattle gelingt das besser. Die Schnittmenge der gemeinsamen Ziele ist offensichtlich groß." Verwaltungen und Unternehmen, sogar Gewerkschaften, gehen stärker zusammen, warum sollten das gesellschaftliche Gruppen nicht tun? Eine Fusion der Engagierten, gewissermaßen.

Die Forderungen, die sie am Samstag in ihrer Abschlusskundgebung auf dem Berliner Gendarmenmarkt stellen werden, sind ebenso eindeutig, wie unrealistisch. "Sofortiger Stopp aller Kriegshandlungen. Offenlegung der Beweise für die Schuld der mutmaßlichen Täter und Hintermänner der Anschläge und Einleitung eines förmlichen Strafverfahrens."

In einem Flugblatt, das sie verteilen werden, heißt es: "Nach dem 11. September 2001 verkündeten Politiker und Medien, ab jetzt sei alles anders. Seit dem 7. Oktober 2001 wissen wir: Nichts ist anders. Afghanistan wird bombardiert." Dann verweisen sie darauf, dass Gewalt Gegengewalt erzeuge, dass wer Märtyrer produziere, sich nicht wundern dürfe, dass es bald Nachahmer gebe, und dass die kurzfristige Antwort auf die Anschläge in New York Verbrechensbekämpfung lauten sollte, nicht Krieg.

Eigentlich war für den 13. Oktober ein so genannter "global action day" in 104 Städten der Welt geplant gewesen. Für soziale Gerechtigkeit wollte man demonstrieren. Doch weil die Globalisierungsgegner erkannt haben, dass sie nur dann eine hörbare Stimme haben, wenn sie so global arbeiten, wie die Konzerne, die sie bekämpfen, wurde die Kundgebung der neuen Lage angepasst.

Wie viele Menschen kommen werden, möchte Hans Peter Richter nicht schätzen. "Kann man nie sagen." Auf so eine Frage würde er immer antworten: "Rund 25000 bis eine Million." Die Berliner Polizei zweifelt sogar an seiner unteren Grenze. "Einige Tausend" würden erwartet, sagte ein Sprecher.

Gestern Nachmittag hatten einige Kollegen von Richter zu einer Pressekonferenz geladen. Peter Strutynski von der Kasseler Friedensbewegung sprach von den vielen Millionen Flüchtlingen, den vier toten UNO-Mitarbeitern, die Bush nicht zu interessieren scheinen und davon, den Terroristen den Nährboden zu entziehen.

Dann zitierte er Bertha von Suttner, die erste Friedensnobelpreis- Trägerin: "Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut soll immer wieder mit Blut abgewaschen werden."





Quelle: Berliner Morgenpost, Lokales, 11.10.2001

Gegen den Krieg

Friedensbewegung ruft für morgen zu Großkundgebung auf - mehrere Demonstrationszüge in der Innenstadt geplant

Von Regina Köhler

Am Montag demonstrierten 3000 Schüler gegen die Militärschläge in Afghanistan. Morgen startet die nächste Großdemo am Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus.

Der 11. September hat vieles verändert. Der Anschlag auf die USA sowie die amerikanischen Gegenschläge in Afghanistan haben die Menschen weltweit zutiefst verunsichert. Antikriegsdemonstrationen stehen wieder auf der Tagesordnung. Auch in Deutschland haben die Ereignisse die Friedensbewegung - die seit den Aktionen gegen den Golfkrieg eher im Kleinen wirkte - erneut auf den Plan gerufen.

Für den kommenden Sonnabend ist ein bundesweiter Aktionstag ausgerufen. «Kein Krieg! Aufstehen für den Frieden», lautet das Motto der für Stuttgart und Berlin angekündigten Großdemonstrationen gegen militärische Einsätze in Afghanistan. Gefordert wird der sofortige Stopp aller Kriegshandlungen. Zu den Berliner Initiatoren gehören das Berliner Netzwerk Friedenskooperative, die Berliner Friedenskoordination, das Bündnis gegen Krieg sowie das Bündnis für ein anderes Berlin. Inzwischen haben sich etwa 100 Organisationen, Verbände und Gruppen angeschlossen, darunter Globalisierungsgegner und linke Jugendgruppen. Teilnehmen will auch die NPD. Die Auftaktkundgebung soll um 13 Uhr vor dem Roten Rathaus starten. Zeitgleich sind Demonstrationen am Brandenburger Tor und am S-Bahnhof Friedrichstraße geplant. Die Demonstranten werden schließlich zum Gendarmenmarkt ziehen. Dort soll es eine gemeinsame Abschlusskundgebung geben.

Der Innenstadtbereich Ost wird dicht sein, heißt es bei der Berliner Polizei. Man rechne laut Veranstalter mit etwa 50 000 Teilnehmern. Von 12 Uhr an werde der Verkehr um die Aufmarschbereiche umgeleitet. Eine Sprecherin rät deshalb, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.

Die Kundgebung am Sonnabend dürfte nicht die letzte bleiben. «Seit dem 11. September sind wir ganz anders gefordert», meint Manfred Stenner, Mitarbeiter des Netzwerkes Friedenskooperative. Stenner gehört quasi zum Urgestein der deutschen Friedensbewegung und gehörte 1980 zum Koordinierungsausschuss, der Ende der 80er-Jahre in das Netzwerk Friedenskooperative ummündete. «Die Friedensbewegung wird dann mächtig, wenn Menschen sich persönlich betroffen fühlen, wenn sie Angst haben, dass eine große Gefahr auf sie zukommen könnte.»

Das sei 1983 so gewesen, als eine Millionen Menschen in verschiedenen deutschen Städten gleichzeitig gegen die Nachrüstung von NATO-Atomwaffen auf die Straße gegangen seien, oder zuletzt beim Golfkrieg Anfang der 90er-Jahre.

Dass dieses Phänomen wellenförmig auftritt, hält Stenner für normal. Zwischendurch habe die Friedensbewegung nicht aufgehört zu existieren, sondern immer wieder bestimmte Aktionen gestartet, wie beispielsweise während des Jugoslawienkrieges. Diese Initiativen hätten allerdings nicht so viele Menschen erreicht, auch wären sie von den Medien weit weniger beachtet worden. Jetzt seien die Bedrohungen hingegen wieder sehr real. Auf der Suche nach Alternativen zu kriegerischen Aktionen wendeten sich deshalb viele Menschen erneut der Friedensbewegung zu.

Theologe Markus Meckel, unter anderem Sprecher des Gesprächskreises Ostmittel- und Südeuropa der SPD-Bundestagsfraktion und einst in der DDR-Friedensbewegung aktiv, weist indes auf die Veränderung der Weltsituation seit den 80er-Jahren hin. Man könne nicht von einer durchgehenden Identität der Friedensbewegung sprechen. Gegenwärtig sei die Situation wesentlich komplizierter, als dass mit Ja oder Nein darauf reagiert werden könne, wie etwa bei der Nachrüstungsdebatte 1983. Die Initiatoren der Friedensbewegung hätten deshalb heute eine sehr große Verantwortung. Angst mobilisiere die Menschen natürlich. Mit dieser Angst müsse aber besonnen umgegangen werden. Schließlich bliebe die Frage, wie man mit Terroristen verfahren solle, die global aktiv seien.





Quelle: Taz vom 11.10.01

Der Schock sitzt zu tief

Friedensbewegung ruft zu Großdemonstrationen auf. Engagement junger Menschen wäre entscheidend für Renaissance der Bewegung. Doch offener Antiamerikanismus schreckt ab

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Knapp 60 Prozent der Deutschen halten die "Angriffe der USA auf Afghanistan" für gerechtfertigt; 28 Prozent halten sie für falsch. Das will das Bonner Dimap-Institut für den Radiosender MDR herausgefunden haben. Ein tatsächlich nur knapper Punktsieg für die "Bellizisten der Neuzeit", wie etwa Mattias Kohler vom Mannheimer Friedensplenum die Politiker an der Heimatfront und in Übersee titulierte.

Gibt es also eine neue Chance für eine Renaissance der deutschen Friedensbewegung, die an diesem Sonnabend zu Großdemonstrationen nach Berlin und Stuttgart aufruft? Mit 50.000 Menschen allein in Berlin rechnet der Trägerkreis aus rund dreißig Organisationen.

Fast auf den Tag genau vor 20 Jahren waren rund 250.000 Friedensfreunde nach Bonn gekommen, um gegen die Nachrüstung der Nato mit Pershing-II-Raketen zu protestieren. Gegen die damals auch in Stellung gegangenen SS-20-Raketen der Sowjetunion demonstrierte die Friedensbewegung im Bündnis mit der DKP jedoch nicht. Sie musste sich deshalb den Vorwurf gefallen lassen, "von Moskau ferngesteuert" (CDU) worden zu sein.

Und heute? Da hätte das Dimap-Institut die Bevölkerung vielleicht besser danach gefragt, ob es gerechtfertigt sei, Stellungen der Taliban und Ausbildungslager der Terrorgruppe al-Qaida zu bombardieren. Da wäre die Zustimmungsquote sicher höher gewesen. Nach der ersten Angriffswelle der britischen und der US-Airforce gegen Ziele in Afghanistan versammelten sich jedenfalls spontan weit weniger Menschen zum Protest gegen die Luftschläge, als von den Friedensfreunden prognostiziert: nur 150 in Frankfurt am Main, rund 200 in Mannheim und ein paar Dutzend in Stuttgart.

Nur in Berlin gingen etwa 3.000 Schülerinnen und Schüler auf die Straße - ein erster Erfolg für die Friedensbewegung. Denn noch auf dem letzten Ratschlag am 22. September in Kassel waren fast nur die Veteranen der Szene vertreten. Dass die Friedensbewegung wieder aufersteht, glaubt die ehemalige Friedensaktivistin und DDR-Dissidentin Bärbel Bohley dennoch nicht. Der Kampf gegen den Terrorismus eigne sich nämlich nicht für "einfache Lösungen".

In Frankfurt am Main etwa sind viele jüngere Leute aus dem Umfeld der Grünen und der Jungsozialisten, die noch als Teenager während des Golfkrieges Mahnwachen organisiert hatten, nicht bereit, sich an Aktionen gegen das bewaffnete Engagement der USA in Afghanistan zu beteiligen. Zu tief noch sitzt der Schock nach den massenmörderischen Attacken der Terroristen vor allem gegen das World Trade Center in New York. Dort wurde auch ihr Lifestyle tödlich getroffen: der multikulturelle in der US-amerikanischsten Stadt in Deutschland, Frankfurt (Mainhattan).

Die Grüne Jugend Hessen (GJH) fordert ihre Mitglieder denn auch nicht zur Teilnahme an den Demonstrationen der Friedensbewegung auf. Sie will aber Druck ausüben: auf die Bundesregierung. Der Ankündigung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), den afghanischen Flüchtlingen eine "großzügige Hilfe" gewähren zu wollen, müssten jetzt auch Taten folgen, sagte GJH-Sprecher Omid Nouripour.

Ganz hart mit der Friedensbewegung ins Gericht ging ein nach Deutschland geflohener Afghane auf dem Diskussionsforum des Mannheimer Friedensplenums im Internet: "Wo war denn die Friedensbewegung in den Jahren, in denen die Taliban Tausende Afghanen ermordeten, Frauen und Kinder vergewaltigten und Massaker veranstalteten", so die Vorwürfe von "Massud". Er jedenfalls kenne keinen Afghanen im Exil, der die "naiven Sorgen" der Friedensbewegung vor einem Krieg teile.

"Im Gegenteil: Alle sind froh, dass die Taliban endlich bekämpft werden." Der "Antiamerikanismus" der deutschen Friedensbewegung, so Massud abschließend, sei "nur noch peinlich".

Der Bundesregierung wurde am Dienstag ein von immerhin 20.000 Menschen unterschriebener "Friedensappell" übergeben. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) glaubt dennoch nicht an eine Renaissance der Friedensbewegung. Der traditionelle Pazifismus, sagte er, sei eine "unangemessene Antwort auf den internationalen Terrorismus".

taz Nr. 6571 vom 11.10.2001, Seite 9, 143 Zeilen TAZ-Bericht KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT





Quelle: Westfalenpost, Politik vom 11.10.2001

Das Friedensbiotop ist verödet

Die Pazifisten sind aus dem politischen Zentrum verdrängt worden

Von Winfried Dolderer Berlin.

Wo sind die Zeiten, als die Friedensbewegung ihre Anhänger noch nach Hunderttausenden zählte? Wenn am nächsten Samstag die "bundesweite Großdemonstration" gegen den Krieg in Afghanistan durch Berlins Mitte zieht, werden etwa 25.000 Teilnehmer erwartet.

Beim "Bundesausschuss Friedensratschlag" in Kassel stellt Sprecher Peter Strutynski melancholische Betrachtungen über die Ursachen an. Wie der Pazifismus aus dem "politischen Zentrum" verdrängt werden konnte, ist für ihn keine Frage: Hauptschuldig sei die "einstige Friedenspartei", die Grünen. Diese hätten durch ihren Sinneswandel die Militär-Kritiker der Stimme im Parlament beraubt. Wenn heute außer der PDS alle Fraktionen im Bundestag das Vorgehen der USA unterstützten, so sei das kaum im Sinne ihrer Wähler: "Die Bevölkerung ist nicht so kriegsbereit."

Andererseits haben die Deutschen in den vergangenen Jahren erfahren, dass nicht jeder Krieg gleich die Apokalypse bedeutet, vor der besorgte Pazifisten zu warnen pflegen. Die Militäreineinsätze am Golf und auf dem Balkan waren weit weg und auf westlicher Seite weitgehend verlustlos. "Man gewöhnt sich umso leichter daran, als man selbst nicht unmittelbar betroffen ist", klagt Strutynski.

In einer mittleren Großstadt wie Kassel florierten in den Achtzigern mehr als ein Dutzend Friedensgruppen. Übrig ist eine Handvoll Unentwegter. Das Friedensbiotop ist auch in Berlin verödet, wo früher in jedem Bezirk eine Initiative wirkte, heute nur noch in Wilmersdorf. Annette Richter, Veteranin der Westberliner Friedensszene, hat seit 1981 Aufstieg und Niedergang miterlebt. Ein Friedensmuseum, das sie einige Jahre in einem Kreuzberger Keller betrieb, musste 1989 mangels freiwilliger Helfer schließen. Entmutigen ließ sie sich nicht. Derzeit hilft sie die Anti-Kriegs-Kundgebung am Samstag zu organisieren.

Als es Anfang der Achtziger gegen die Nachrüstung ging, demonstrierten im Bonner Hofgarten 300.000. Eine neue Welle der Betroffenheit und Angst ging 1990/91 durchs Land: Mahnwachen, weiße Tücher in den Fenstern,100.000 Demonstranten gegen den Golfkrieg in Bonn: "Kein Blut für Öl!" Acht Jahre später im Kosovo-Krieg, immerhin dem ersten mit deutscher Beteiligung, fanden nur noch 25.000 den Weg zur zentralen Demo in Berlin. Dazwischen lag die Erfahrung der ethnischen Vertreibungskriege auf dem Balkan, die die Grundsätze namentlich bei den Grünen ins Wanken brachten.

Bis Mitte der Neunziger wehrte sich die SPD noch mit dem Hinweis aufs Grundgesetz gegen Auslandseinsätze deutscher Soldaten. Das Argument erledigte sich mit einem Urteil des Verfassungsgerichts. Zugleich gewöhnte die Regierung die Öffentlichkeit schrittweise an die neue Rolle des Militärs: ein Kriegsschiff zur Embargo-Beobachtung in der Adria, Hilfsgüter-Abwürfe durch die Luftwaffe über Bosnien, Sanitäter in Kambodscha, Blauhelme auf dem Balkan.

Für die Angriffe auf Afghanistan sind 59 Prozent der Deutschen. Eine "unkontrollierbare Gewaltspirale" befürchten die Friedensgruppen: "Die Welt droht kälter und kriegerischer zu werden", warnen sie, "Angst vor dem Flächenbrand", "Entsetzen, dass Unschuldige bombardiert werden" - so die Empfindung der Berliner Friedensaktivistin Richter.





Quelle: ND vom 11.10.2001

Krieg und Terror: Aufstehen für Frieden und Gerechtigkeit

Bis zu 100.000 Kriegsgegner zu Demonstration am 13. Oktober in Berlin erwartet

Von Grit Gernhardt

Mit einer Großkundgebung wollen am kommenden Sonnabend mehr als 60 Organisationen und Verbände gegen die militärische Eskalation im Kampf gegen den Terrorismus protestieren.

Seit Ende September in Kassel zu einer Kundgebung am 13. Oktober in Berlin aufgerufen wurde, steigt die Zahl der Mitinitiatoren und Unterstützer von Tag zu Tag. Auf einem Treffen der Friedensbewegung am 23. September wurde beschlossen, die Zeit bis zur Demonstration zu nutzen, um »intensive Diskussionen« mit diversen Gruppen in Deutschland zu führen und eine möglichst breite Basis für den Frieden zu schaffen. Inzwischen rufen neben traditionellen Kriegsgegnern und Friedensinitiativen auch Globalisierungskritiker, Umweltgruppen, Gewerkschaften und Entwicklungshilfeorganisationen zu der Demonstration auf, zu der bis zu 100000 Teilnehmer erwartet werden.

Man wolle hauptsächlich die breite gesellschaftliche Ablehnung der amerikanisch-britischen Angriffe auf Afghanistan deutlich machen, so die Veranstalter gestern in einer Presseerklärung. Zudem sei es nötig, gegen eine deutsche Beteiligung an Militäreinsätzen zu protestieren. Im Aufruf zur Demonstration heißt es, mehr Sicherheit könne nur durch Abrüstung erreicht werden. Für die Bewältigung ausgebrochener Krisen würden internationale Rechtsinstitutionen gebraucht. Dem Terror müsse der wirtschaftliche, soziale und politische Boden entzogen werden.

Zudem warnen die Veranstalter vor einer Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten »unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung«. Das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen müsse gefördert werden, nicht Ausgrenzung und Rassismus. Auf keinen Fall dürfe eine Aufteilung der Welt in »zivilisiert« und »unzivilisiert« erfolgen.

Die Demonstration, die am Sonnabend um 13 Uhr in Berlin gleichzeitig vom Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus, vom S-Bahnhof Friedrichstraße und vom Brandenburger Tor startet, wird um 14.30 Uhr mit einer Kundgebung am Gendarmenmarkt beendet. Als Redner sind u.a. der Schriftsteller Stefan Heym und der Psychoanalytiker Horst- Eberhard Richter angekündigt. Die gleichen Organisatoren rufen zu einer Demonstration in Stuttgart auf, die ebenfalls am 13. Oktober um 12.30 Uhr am Hauptbahnhof beginnt.

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