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vom:
09.10.2001


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Die Gewaltspirale durchbrechen - Aktuelles

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Rede am 8. 10.

Mathias Kohler (Friedensplenum Mannheim)

Mannheim, den 08. Oktober 2001

Liebe Mitmenschen,

wir sind heute hier zusammen gekommen, weil wir grundsätzlich Krieg als Mittel der Politik ablehnen und weil wir nicht "uneingeschränkt" hinter der amerikanischen Regierung stehen. Mit "erbarmungslosen Bombenangriffen" kann man keinen Terrorismus ausrotten, eher das Gegenteil wird zutreffen. Wie in allen Kriegen der letzten Jahre werden es insbesondere Zivilisten sein, die unter Krieg, Terror und Bomben zu leiden haben. Beim Golfkrieg und beim Jugoslawienkrieg haben wir dies gesehen. Das sind dann die sogenannten "Kollateralschäden", die man in wenigen Tagen wird zugeben müssen.

Mit den Bombenangriffen auf die afghanischen Großstädte wird die dramatische Lage der Zivilbevölkerung in Afghanistan weiter verschärft. Millionen sind bereits geflohen - das Flüchtlingsdrama wird sich weiter zuspitzen. Militärschläge nützen weder den Opfern des Terrors noch sind sie ein geeignetes Mittel, um Terrorismus zu verhindern. Mit einer Militärmaschinerie kann man zum Tode entschlossene Terroristen nicht bekämpfen. Vielmehr droht eine neue Eskalation der Gewalt. Die Spirale der Gewalt droht sich endlos nach oben zu schrauben.

Lassen Sie mich auch klar zum Ausdruck bringen: Unsere Kritik an der Politik der US-Regierung hat nichts mit anti-amerikanischen Gefühlen zu tun. Unsere Kritik schmälert nicht unsere Anteilnahme und nicht unsere Trauer um die Opfer der Terrorakte am 11. September in New York und Washington.

Lassen Sie mich aber ebenso klar zum Ausdruck bringen: Die Täter von New York und Washington müssen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt und bestraft werden. Aber es müssen rechtsstaatliche Mittel bleiben. Rache und Vergeltung gehören nicht zum Rechtsstaat. Statt dessen muß das Gewaltmonopol der UNO gewahrt und gestärkt werden. Ich habe den Eindruck, dass die diplomatischen und geheimdienstlichen Mittel zur Ergreifung der Attentäter von New York nicht ausgeschöpft worden sind.

Zur Wahrheit gehört auch die Tatsache, dass die amerikanische Regierung gegen Kräfte Krieg führt, die sie selbst jahrelang unterstützt und finanziert hatte, weil dies im Kampf gegen den Kommunismus und für die eigenen Interessen opportun erschien. Es wird jetzt die Brut zerschlagen, die man selbst großgezogen hatte. Es werden jetzt die Waffen ausgeschaltet, die man selbst geliefert hatte. Ob Norriega in Mittelamerika, ob Pinochet in Chile, ob das Regime von Saddam Hussein im Irak oder ob Osama Bin Laden und die Taliban in Afghanistan - das waren alles Verbündete der amerikanischen Regierung. Die Warlords der sogenannten Nordallianz in Afghanistan sind ebenso keine Freiheitskämpfer. Sie sind der Beelzebub mit dem der Teufel ausgetrieben werden soll. Das Dilemma dieser amerikanischer Außenpolitik kann auf Dauer nicht mit Bomben und Kriegen gelöst werden. Die Lösung kann nur in einer neuen amerikanischen Außenpolitik liegen, die nicht allein von ökonomischen Interessen bestimmt sein darf.

In der heutigen Zeit helfen nicht allein die Farben schwarz und weiß. Nachdenklichkeit und Zwischentöne sind notwendig, um die heutigen Konflikte und die Kriege verstehen zu können. Genauso wenig, wie sich die Friedensbewegung in eine anti-amerikanische Ecke stellen läßt, genauso wenig ist die Ablehnung des Terrorismus ein Blankoscheck für die Politik der amerikanischen Regierung. Auch und gerade in diesen Tagen sind Mahnungen und kritische Worte erforderlich. Das sollte unter Freunden selbstverständlich sein.

Nach dem Wegfall des Ost-West-Konfliktes haben wir alle gedacht, dass sich die Friedensdividende endlich auszahlen würde. Wir mussten jedoch erleben, dass der Ost-West-Konflikt sich immer mehr zu einem Nord-Süd-Konflikt verändert. Nicht umsonst nennt sich die NATO ein nordatlantisches Bündnis. Die Kriege der Zukunft, die schon begonnen haben, werden um Energiequellen und Transportwege, um Wasser, um Rohstoffe und um die Ausgestaltung der Wirtschaftsbeziehungen gehen, auch dann, wenn man uns weismachen will, es ginge um Menschenrechte oder andere gute bzw. gerechte Gründe. Die heutigen Krisen und Konflikte sind keine, die plötzlich und unerklärbar entstanden sind. Sie haben sich absehbar und sie haben sich lange Jahre entwickelt und sie lassen sich durch Instrumente der Politik langfristig vorbeugen. Der Blick auf den Umfang des Budgets der Entwicklungshilfeministerin bei uns aber auch in anderen Industrieländern zeigt uns, wie effektiv man diese Prophylaxe betreibt.

Lassen Sie mich an dieser Stelle nochmals unseren Bundespräsidenten zitieren, weil dessen mahnende Worte gegenwärtig nicht mehr das Postulat der Politik zu bestimmen scheinen:

"Entschlossenes Handeln ist das Gebot der Stunde. Weil wir das wissen und zeigen, weil wir daran keinen Zweifel lassen, darum sagen wir auch: Der beste Schutz gegen Terror, Gewalt und Krieg ist eine gerechte internationale Ordnung. Die Frucht der Gerechtigkeit wird der Friede sein.
Das ist mühsam. Das dauert lange, das kostet nicht nur Zeit. Aber eine friedlichere, eine sichere Welt muss uns das wert sein. Für uns und für die Kinder unserer Welt." (Zitatende)

Ich warne davor, von einem Krieg der "zivilisierten" gegen eine "nicht zivilisierte Welt" zu sprechen. Wer diese Aufspaltung betreibt, sät neuen Terror und neue Gewalt. Damit werden die Gräben nur noch vertieft.

Die Terrorakte, die vor drei Wochen die USA und die Welt erschüttert haben, haben uns schmerzhaft gezeigt, dass es in einer modernen Industriegesellschaft letztlich keinen vollständigen Schutz gegen Terroristen und gegen Verrückte gibt. Nur wenige Kilometer von uns entfernt, stehen zwei Atomkraftwerke, die bei einem Absturz mit vollgetankten Großflugzeugen eine apokalyptische Katastrophe auslösen würden.

Ich gestehe ganz offen ein, dass die Friedensbewegung keine Sofortlösung in der Tasche hat, wie man weltweit und ohne Skrupel agierende Terroristen wirksam bekämpfen kann. Krieg, Bomben und militärische Eskalationen sind jedoch die falsche Antwort. Kriege haben noch nie Probleme gelöst. Kriege schaffen neue Probleme und neue Ungerechtigkeiten, die den Boden für neuen Terrorismus bilden. Der Terrorismus ist militärisch nicht zu besiegen. Der Krieg ist das Ende jeglicher Politik.

Wir auf diesem Platz haben nicht die Kraft und nicht die Macht, fanatische Terroristen zu stoppen. Wir haben nicht die Kraft, Bombenflugzeuge am Boden zu halten. Diese Dinge können wir nicht bestimmen. Bestimmen können wir allerdings unser eigenes Handeln:



Dazu gehört das Festhalten an der Politik der Gewaltfreiheit.



Dazu gehört, nicht den Bellizisten der Neuzeit auf den Leim zu gehen, die mit Halbwahrheiten den Menschen die Zustimmung zum Krieg verkaufen wollen.



Dazu gehören dutzende von Gesprächen mit den Menschen, die meinen, der Krieg sei nur die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.



Dazu gehört der politische Druck auf unsere Regierung und die Abgeordneten, den Worten der Vernunft auch die Taten der Vernunft folgen zu lassen.


Das Mannheimer Friedensplenum ruft dazu auf:



Der Bombenkrieg muss gestoppt werden!



Die Menschen in Afghanistan brauchen Brot und keine Bomben!



Nur eine Politik des dauerhaften Friedens, der Solidarität und der Gerechtigkeit schafft Frieden!


Mathias Kohler (Friedensplenum Mannheim)

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