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vom:
30.06.2002


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Die Gewaltspirale durchbrechen - Aktuelles

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schriftliche Fassung des Vortrags anläßl. der Strategiekonferenz in Bielefeld 29./30.06.2002

Ein feministisch-weiblicher Blick auf die Friedensbewegung

Elke Steven (Komitee für Grundrechte und Demokratie)

Ist ein solcher "weiblicher" Blick auf "die" Friedensbewegung nicht längst "out"? Hat sich nicht herumgesprochen, daß die Geschlechterperspektive - und eben nicht die Frauenfrage - jedes Thema durchdringen muß und nicht nur angehängt werden kann? Sind die Frauen nicht längst mitten in der Gesellschaft angekommen (ein Ort, den sie in der neuen Frauenbewegung gar nicht erreichen wollten), und erübrigt sich dann nicht jeder vorgeblich eigene Blick? Die Shell-Studie zeigt, daß für die heutigen Jugendlichen das Geschlecht keine zentrale Kategorie mehr ist. Junge Frauen fühlen sich nicht benachteiligt und meinen, es hinge an jeder selbst, was sie aus sich macht. "Du bist Deines Glückes Schmied" ist als Parole auch bei den Frauen angekommen und die Verantwortung angenommen - was soll also ein feministisch-weiblicher Blick sein?

Und wie soll ich ein so komplexes und vielschichtiges Thema wie "die" Friedensbewegung aus einer Perspektive betrachten, wo doch "die" neue Frauenbewegung - so es sie noch gibt - sich in so viele unterschiedliche Perspektiven differenziert hat und schon damals nicht von einer Einheit zu sprechen war? Und die offizielle Politik spielt für beide Bewegungen, die ja auch miteinander verschränkt sein könnten, eine zentrale Rolle.

Es bleiben also nur ein paar bruchstückhafte Thesen und Überlegungen, die einseitig sind und unter anderen Perspektiven immer zugleich falsch sind.

Die Hoch-Zeiten der Friedensbewegung waren in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Jahre in denen auch die neue Frauenbewegung zu (neuer) Blüte kam. Beide Bewegungen standen nebeneinander, beeinflußten und stützen sich jedoch wesentlich. Friedensfragen waren durchaus zentral für die neue Frauenbewegung, die insgesamt auf eine lange Frauenfriedenstradition (seit Beginn des 20. Jahrhunderts) zurückblicken kann.

Frauen und Frieden sind seit alters her zusammenhängende Themen. Lysistrata thematisierte schon den Protest der Frauen gegen den Krieg, die erste Frauenfriedenskonferenz fand 1915 in Den Haag statt (International League for Peace und Freedom), und dieser Zusammenschluß besteht noch immer. Zu oft fehlte aber in der weiblichen Kritik am Krieg - aber das gilt am wenigsten für die neue Frauenbewegung - die grundlegende und systematische Staats- und Kapitalismuskritik. Das macht die Kritik anfällig für Integrationen und Hoffnungen auf schnelle Veränderungen.

In der öffentlich wahrgenommenen Friedensbewegung haben - wie in allen größeren Organisationen und erst recht denen, die sich auf Politik beziehen - Männer das Geschehen dominiert. Frauen waren allerdings - und sind sie es nicht oft heute noch? - in den Basisgruppen, bei konkreten Aktionen und der alltäglichen Informationsarbeit (Info-Tischen etc.) aktiv, möglicherweise sogar zentral.

Was ist aus den Bewegungen geworden?

Die Friedensbewegung mag klein geworden sein, ihre Wirkung mag marginal sein. Trotzdem ist ein Bewußtsein von der Friedensbewegung vorhanden - und wenn es sich nur darin äußert, daß bei sichtbaren Problemen gefragt wird, wo denn die Friedensbewegung geblieben ist.

Die Frauenbewegung ist als Bewegung dagegen ganz in den Hintergrund getreten und aus dem Bewußtsein verschwunden. "Gender"-Fragen sind institutionalisiert worden, Frauenbeauftragten die Aufgabe der Gleichstellung übertragen worden - und diese scheinen nun schon wieder abgeschafft werden zu können. Der Feminismus, die neue Frauenbewegung sind sozusagen in diesem Prozeß aufgehoben und entsorgt worden. Denn das, was heute in der Mitte angekommen ist, hat nichts mit dem zu tun, für was die neue Frauenbewegung, der Feminismus einmal standen. Sie wollten keine mainstream-Bewegung sein, "sondern Kardinalkritik, Einspruch gegen das Normbewußtsein des Mainstream, gegen die Verführungen einer Norm, die sich ihrer selbst so unerträglich gewiss ist, gegen die Selbstgefälligkeit und Scheinsicherheit der größten Zahl" (Thürmer-Rohr in Forum Wissenschaft, April 2001)

Zentral für die Frauenbewegung war der Kampf für die Gewinnung der Autonomie über die eigene Person - angefangen beim eigenen Körper -, die radikale Kritik an den patriarchalischen Verhältnissen, die es abzuschaffen galt. Damit standen die eigenen Interessen im Zentrum einer Gesellschaftskritik, die nicht gleiche Teilhabe an den bestehenden Herrschaftsverhältnissen wollte, sondern Abschaffung aller Herrschaftsverhältnisse. Diese radikale Kritik, die sich nicht auf die Herrschaftsverhältnisse einläßt und nicht nach dem Erfolg in der Mitte der Gesellschaft zielt, sondern lieber provoziert, hat etwas spannendes und anziehendes - auch für diese Mitte.

Ein solcher Prozeß der Entsorgung der einmal vorhandenen grundsätzlichen Kritik ist möglicherweise für die Friedensbewegung in den letzten Jahren verstärkt eingeleitet worden. Außenministerium und Verteidigungsministerium stilisieren sich zu den Garanten des Friedens, sie besetzen das Thema, institutionalisieren die Friedensfrage im Zivilen Friedensdienst und entsorgen sich damit aller grundlegenden Kritik. Müßte aus den Erfahrungen der Frauenbewegung nicht gelernt werden, daß die Preisgabe der radikalen Kritik nur zur Selbstaufgabe führt? Daß nichts gewonnen ist, wenn der mainstream die Themen der Bewegung schluckt und seinen eigenen Interessen einverleibt?

Diese Vereinnahmung von Frauen- und Friedensbewegung geschieht sowohl durch die Vereinnahmung der Frauen und des weiblichen als auch durch die erneute Bestätigung der unterschiedlichen Geschlechtsrollen. Und diese Themen müßte die Friedensbewegung in ihrer Kritik aufgreifen.

Frauen sind in der Bundeswehr und bei den kämpfenden Truppen angekommen. Einer kurzen Aufmerksamkeit ist die Alltäglichkeit der Integration von Frauen gewichen. Und das auch Frauen diese Öffnung der Bundeswehr als Erfolg für die Gleichstellung gefeiert haben, kann ich nur als Zeichen der Aufgabe eines politischen Verständnisses der Frauenbefreiung verstehen. Mit dieser Öffnung für Frauen wurde auch die (blauäugige) Hoffnung verbunden, dadurch würde das Militär weiblicher, humaner, demokratischer - und nicht zuletzt von Frauen wurden diese Hoffnungen genährt. Aber aus all den vielschichtigen Auseinandersetzungen um die Geschlechterrollen kann zumindest gelernt werden, daß Frauen nicht die besseren Menschen sind und die sozialen Verhältnisse geschlechtsspezifische Verhaltensweisen bedingen. Und jeder Blick auf Frauen in der Politik zeigt, daß die Politik dadurch nicht friedlicher wird (Thatcher, Albright).

Die Strukturen des Militärs ändern sich nicht durch die Teilhabe von Frauen, aber möglicherweise können Frauen gut für die neuen Aufgaben des Militärs und die Militarisierung der Gesellschaft instrumentalisiert werden.

Frauen in der Bundeswehr signalisieren die Normalität dieses Berufes.

Von der Kriegsführung wird, seitdem die Bundeswehr tatsächlich Krieg führt, abgelenkt und die "Friedlichkeit" des Militärischen ins Zentrum gerückt - dafür eignen sich wiederum Frauen.

Zunehmend übernimmt das Militär auch Aufgaben der Nachbearbeitung von kriegerischen Konflikten und der "Konfliktbearbeitung". Und dafür lassen sich die "weiblichen" Fähigkeiten (die es dann doch wieder gibt) instrumentalisieren, und gleichzeitig wird die Beteiligung von Frauen am Militär damit gerechtfertigt.

In der Rechtfertigung der neuen "humanitären" Kriege spielen Frauen eine zentrale Rolle. Zum Schutz und zur Befreiung von Frauen werden diese Kriege nun geführt. Sowohl "die" Frauen als auch die Opfer werden auf diese Weise instrumentalisiert. Diese Strategie aber ist in der Öffentlichkeit und leider auch bei eher kritischen Frauen erfolgreich.

In Kriegen werden die Geschlechterrollen nicht nur in der Gesellschaft, die unmittelbar am Krieg beteiligt ist, sondern auch in den anderen (beteiligten) Gesellschaften noch einmal fixiert und festgezurrt. Männer werden dann auch in den Medien als die Handelnden und Entscheidenden dargestellt - Frauen als die Opfer.

Und trotzdem:

Frauen sind vielfältig noch immer aktiv gegen Krieg, gegen Militär und Rüstung. Immer wieder in vielen kleinen Gruppen, aber auch mit enormen Wirkungen. (Frauen in Schwarz, die Soldatenmütter, Mütter gegen den Krieg, die Frauen von Greenham Common (England) ...). Alle diese Bewegungen sind nicht gleichzusetzen, sie thematisieren in unterschiedlichem Maße die gesellschaftlichen Verhältnisse, aber sie thematisieren Krieg dauerhaft und halten den Protest wach.

Die neue Frauenbewegung hat in der Auseinandersetzung mit Frauen aus anderen Ländern und Kontinenten, aus der sogenannten Peripherie viel gelernt. Immer wieder wird in der internationalen Zusammenarbeit die westliche Dominanz, die westliche Perspektive in der Problembeschreibung in Frage gestellt.



E-Mail: Grundrechtekomitee@t-online.de

Website: www.grundrechtekomitee.de
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