Mali: Krieg in Nordafrika

update:
15.01.2013


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Mali: Krieg in Nordafrika

 Hintergrund-Informationen

Lokale Friedensbündnisse stärken statt Militäroperation

Interview mit Christoph van Edig

Seit dem Frühjahr kontrollieren islamistische Rebellen im Norden Malis ein Gebiet von der Größe Frankreichs. Die Bundeswehr soll nach Plänen der Bundesregierung nun die malische Armee bei der Rückeroberung unterstützen. Zu der aktuellen Situation und dem Engagement von EIRENE in Mali befragten wir Christoph van Edig, EIRENE Koordinator für den Sahel. Das Interview führte Thorsten Klein.

T.K.: "Zweidrittel von Mali stehen derzeit unter der Kontrolle islamistischer Rebellen und anfänglich mit ihnen verbündeter Tuareg-Kämpfer. Wie sieht unter diesen Umständen die Arbeit von EIRENE und der Partnerorganisationen aus?"

C.v.E.: "EIRENE arbeitet seit 2006 in Mali mit dem Partner ORFED (Organisation pour la Réflexion, la Formation et l`Education … la Démocratie et au Développement) zusammen. EIRENE und ORFED unterstützen lokale Friedensbündnisse in ganz Mali, auch im Norden. Ein Teil der Partner aus Nord-Mali musste nun allerdings in den Süden fliehen und setzt von dort aus seine Arbeit fort. Ein anderer Teil ist derzeit noch vor Ort. Wir halten mit den Partnern Kontakt und versuchen sie zu unterstützen, so gut es geht. Besonderes Augenmerk richten wir gerade auf die Medienarbeit und den konfliktsensiblen Journalismus vor Ort, um zu verhindern, dass die schon aufgeheizte Stimmung sich weiter verschlimmert und es auch noch zu ethnischen Ausschreitungen kommt. Zurzeit hat EIRENE keine Internationale Friedensfachkraft mehr in Mali stationiert, unterstützt aber die Partner durch regelmäßige Besuche aus den Nachbarländern Burkina Faso und Niger und durch die finanzielle Förderung von diversen Friedensinitiativen. So werden zum Beispiel der interreligiöse Dialog, Fortbildungen zur gewaltfreien Konfliktbearbeitung und die Schlichtung von grenzübergreifenden und ethnischen Konflikten auf lokaler Ebene gefördert."

T.K.: "Die Bundeswehr soll sich an der geplanten Mission in Mali beteiligen. Deutsche Soldaten sollen als Ausbilder die malische Armee unterstützen, um sie zu befähigen, den Norden wieder unter Kontrolle zu bringen. Wie stehst du zu einer deutschen Beteiligung und den Erfolgsaussichten?"

C.v.E: "Die Bundesregierung muss sich fragen, wen sie denn eigentlich ausbilden und zu einem Militärschlag befähigen will. Die derzeitige Regierung in Mali hat keine demokratische Legitimation. Sie kam Anfang des Jahres durch einen Putsch an die Macht und wurde bis jetzt nur teilweise durch eine zivile Regierung abgelöst, die aber sehr unpopulär ist. Die malische Armee ist unter sich zerstritten und vor noch nicht allzu langer Zeit haben sich Einheiten untereinander Gefechte in der Hauptstadt geliefert. Meiner Meinung nach ist es unrealistisch, kurzfristig aus dieser Armee eine disziplinierte Einheit aufzubauen, die erfolgreich gegen die Rebellen kämpfen kann."

T.K.: "Wie stehen die Nachbarstaaten von Mali zu einer möglichen militärischen Intervention?"

C.v.E.: "Algerien hat sich vehement gegen eine Einmischung von außen ausgesprochen. Ohne eine Beteiligung Algeriens macht meiner Meinung nach eine Intervention aber keinen Sinn. Algerien hat eine Grenze von mehreren tausend Kilometer Länge zum von den Rebellen besetzten Gebiet. Auch viele Staaten der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS setzen weiter auf Verhandlungen, insbesondere mit den gemäßigten Kräften. Ziel ist, dass sich diese Gruppen, darunter die Tuareg, von den radikalen Islamisten abspalten."

T.K.: "Welche Risiken bestehen bei einer militärischen Intervention?"

C.v.E.: "Es besteht die Gefahr, dass sich der Konflikt auf Nachbarländer wie den Niger oder Burkina Faso ausweitet. Diese Länder sind auch nicht stabil, und niemand kann voraussagen welche Auswirkungen mögliche Kämpfe auf sie haben könnten. Die bewaffneten Gruppen könnten den Niger als Rückzugsgebiet nutzen und damit den bewaffneten Konflikt ausweiten. Die Krise in Mali wurde erst durch die Intervention in Libyen ausgelöst. Viele der Rebellen, sowohl Tuareg als auch Islamisten wurden als Söldner vom libyschen Gaddafi-Regime angeheuert und ausgerüstet. Nach dessen Sturz kamen sie samt ihren Waffen über die Grenze nach Mali. Es ist sicher keine Lösung noch weiter an der Gewaltspirale in der Region zu drehen. Die Rückeroberung der besetzten Gebiete könnte sich auch durchaus in die Länge ziehen und es besteht Gefahr, dass am Ende europäische Streitkräfte in die Kampfhandlungen eingreifen müssten. Das würde einer antiwestlichen Stimmung Auftrieb geben wie schon nach der Libyen-Intervention. Deutschland hat sich durch seine Zurückhaltung im Libyen-Krieg den Ruf eines Dialogpartners und einer zivilen Macht erworben. Dieser Ruf wird gerade verspielt. Es gibt hier in der Region wenig Verständnis für ein deutsches militärisches Engagement, das eher als Machtpolitik gesehen wird denn als Einsatz für Demokratie.

Zudem ist die Frage, was nach einer Intervention passieren soll, völlig ungeklärt. Wie soll das riesige Territorium dauerhaft gesichert werden? Wer kann diese Aufgabe übernehmen? Wie können die zugrunde liegenden Konflikte gelöst werden, um dauerhaften Frieden zu gewährleisten?"

T.K.: "Was sind die Alternativen zu einem Militäreinsatz?"

C.v.E.: "Die Bundesrepublik Deutschland sollte ihr Engagement in vielen Bereichen, die helfen eine langfristige Lösung für die aktuellen Krise zu finden, fortsetzen und intensivieren. Es ist wichtig, ein gesellschaftliches und ökonomisches Alternativmodell zu entwickeln, dass den verschiedenen Gruppen echte Teilhabe ermöglicht, um den islamistischen Rebellen den Nährboden zu entziehen. Zur Zeit werden beispielsweise die Gewinne und Risiken, die aus der Rohstoffgewinnung entstehen äußerst ungleich verteilt.

Ein Ansatz wäre die Unterstützung der Zivilgesellschaft an der Basis - zum Beispiel Bauern- und Frauenorganisationen - und der moderaten religiösen Strömungen. Diese Gruppen sind durchaus in der Lage, die Machtverhältnisse dauerhaft zu verändern. Der Wiederaufbau der nationalen Strukturen Malis sollte unterstützt und gleichzeitig Selbstverwaltung, Dezentralisierung und gute Regierungsführung gefördert werden. Nötig ist außerdem die Schaffung von Einkommensmöglichkeiten für die Bevölkerung und insbesondere für Jugendliche in der Region.

Wichtig wäre meiner Meinung nach auch ein offensives Reintegrationsprogramm mit dem Ziel, die ca. 4.000 Tuareg-Kämpfer aus der Allianz mit den islamistischen Rebellen zu lösen. Gleichzeitig könnten durch verstärkte Zusammenarbeit mit Algerien und Libyen aber auch mit dem Niger und Mauretanien die islamistischen Rebellen international isoliert werden, um ihre Einnahmequellen aus Drogen-, Waffen- und Menschenhandel sowie der Unterstützung der Golfstaaten auszutrocknen."

T.K.: "Christoph, vielen Dank für das Interview."

Quelle:
http://www.eirene.org/meldungen/lokale-friedensb%C3%BCndnisse-
st%C3%A4rken-statt-milit%C3%A4roperation




Christoph van Edig ist EIRENE Koordinator für den Sahel.

E-Mail: eirene-int (at) eirene (Punkt) org

Website: www.eirene.org
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