Den NATO-Krieg am Hindukusch beenden!

von Martin Singe
Im Blickpunkt
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Die Schlagzeilen zu Afghanistan überschlagen sich zum Jahresbeginn. Die Bundesregierung gerät immer stärker unter den Druck der USA, die u.a. zwecks eigener Entlastung die anderen NATO-Staaten tiefer in den Krieg hineinziehen will. Dabei ist die Mehrheitsmeinung der Bundesbürgerinnen und -bürger eindeutig: Raus aus Afghanistan! Dieser Krieg bringt keine Lösung! Ein Strategiewechsel ist dringend nötig!

Bundeswehr versinkt im Krieg
Nachdem die Bundesregierung bereits im März 2007 Tornado-Flugzeuge nach Afghanistan geschickt hat, die auch Zieldaten für die US-Kriegsführung im Süden liefern können, verstrickt sich die Regierung nun noch tiefer in den Krieg. Im Februar 2008 hat sie beschlossen, eine schnelle Eingreiftruppe der Bundeswehr mit 250 Mann (Quick Reaction Force, QRF) für den NATO-Krieg zur Verfügung zu stellen. Diese Eingreiftruppen sind für offensive Kriegsführung ausgebildet und ausgerüstet. Sie können Angriffe gegen Taliban-Verbände durchführen und können bei Bedarf - wenn auch lt. Mandat zeitlich jeweils begrenzt - im Süden zum Einsatz kommen. Damit ist eindeutig, dass die von der Bundesregierung verbreitete Version einer Trennung von Aufbauarbeit im Norden und Kriegsführung im Süden eine Lüge ist. Auch dass dieser neue Einsatz, der im Juli beginnen soll, noch vom ISAF-Mandat gedeckt sei, ist Zweckpropaganda.

Der erste Bodenkrieg der NATO
Leider geht der Entsendebeschluss dieser schnellen Eingreiftruppe in der öffentlichen Debatte fast unter - angesichts der weitergehenderen Forderungen, die die USA jetzt im Kontext der sog. Sicherheitskonferenz in München erhoben haben: die Bundesrepublik solle sich konkret auch am Krieg im Süden mit Kampftruppen beteiligen. US-Kriegsminister Gates nannte den Krieg beim Namen: der erste Bodenkrieg in der Geschichte der NATO - und dabei dürfe es keine "Luxus-Missionen" für die einen und blutige Kampfeinsätze für die anderen geben. Das ist in einem Bündnis von Gleichen in der Tat nicht einzusehen. Aber wenn Bündnispartner einen irrsinnigen Krieg führen, darf die Konsequenz nicht lauten, ihnen hinterherzulaufen, sondern im Bündnis einen Strategiewechsel durchzusetzen - oder eben auszusteigen aus diesem Kriegsbündnis. Stattdessen werden die Stimmen lauter, die eine positive Antwort auf die US-Forderung nach regulären Kampftruppen unterstützen. Eine der Konsequenzen machte kürzlich der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Gertz, deutlich: Man müsse damit rechnen, "dass nach einem solchen Kampf auch Kameraden in Holzkisten zurückkommen" (zit. nach Frankfurter Rundschau, 30.1.08).

Krieg für geostrategische Ziele
Gewisse politische Kreise, die sich für besonders intelligente außenpolitische Denkschmieden halten, werfen den Politikern vor, die deutsche Bevölkerung bislang nicht klar genug auf den Krieg eingestimmt zu haben. Bedauerlicherweise gebe es eine "pazifistisch bis isolationistisch" eingestellte deutsche Öffentlichkeit, resümiert die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP): "Wichtige Teile der politischen Eliten sind sich seit langem über die strategische Verantwortung eines großen Landes wie Deutschland im Klaren, haben es aber versäumt, die Öffentlichkeit auf den Preis vorzubereiten, den ein Land für seine eigene Freiheit und Sicherheit entrichten muss. Schlimmer noch, viele Politiker haben den Eindruck erzeugt, Deutschland könne `die Globalisierung mitgestalten`, ohne dass das ernsthafte Folgen für das außenpolitische Engagement des Landes haben würde. In der deutschen außenpolitischen Debatte wurde über Jahre der Eindruck erweckt, dass unsere Interessen vor allem humanitär-entwicklungspolitischer, aber kaum geostrategischer Natur sind. Und dass zur Wahrung dieser Interessen - Freihaltung der globalen Handelswege, Zugang zu Ressourcen, Stabilisierung des Ölpreises, Bekämpfung terroristischer Netzwerke, Stabilisierung von `Failed States` - auch militärische Handlungsfähigkeit in ihrem gesamten Spektrum notwendig ist." (DGAP-Standpunkt, Februar 2008)

Den Kriegsführenden die Legitimation entziehen!
Es ist keine leichte Herausforderung, gegen diese klar formulierte Politik anzugehen. Der Krieg in Afghanistan, der schon vor 9/11 beschlossene Sache war, wird um geostrategischer Interessen willen geführt. Im "Interessen-Fall" Afghanistan werden diese Herrschaftsinteressen in diesem Jahr immer deutlicher auf die Gegeninteressen von unten prallen. Wir haben die Chance, eine Politikalternative zu beschreiben und durchzusetzen, die in der Bevölkerung mehrheitsfähig ist. Der Druck von unten auf die herrschende Politik muss in diesem Jahr allerdings noch gewaltig ansteigen! Die Friedensbewegung hat auf der Strategiekonferenz der "Kooperation für den Frieden" im Januar 2008 in Aachen sehr konstruktiv über Alternativen beraten (siehe dazu den Konferenz-Bericht in diesem Friedensforum und den Artikel von Andreas Buro). Jetzt ist es unsere Aufgabe, eine breitere Öffentlichkeit für diese Positionen zu gewinnen und über die Qualifizierung und Quantifizierung des Widerspruchs den Kriegsmandaten des Bundestages endgültig die Legitimation zu entziehen.

2008 sollte unbedingt ein Jahr der gemeinsamen Anstrengungen werden, um die Verlängerung der Mandate im Herbst scheitern zu lassen. Dazu wurde in Aachen ein ganzer Katalog an Handlungsmöglichkeiten ersonnen. Es sollte keinen Wahlkreis geben, in dem die Abgeordneten nicht öffentlich zur Auseinandersetzung mit den Argumenten der Friedensbewegung gezwungen werden! Es ist auch wieder an der Zeit, an die Soldaten der Bundeswehr zu appellieren, die Beteiligung an diesem immer eindeutiger völkerrechtswidrigen Krieg zu verweigern. Und es ist an der Zeit, sich diesem Krieg in den Weg zu stellen, wie es eine Initiative in Norddeutschland mit der Blockade von Kriegsgeräten gezeigt hat (siehe Bericht bei "Initiativen"). Auch die NATO-Aktion in Brüssel zu Ostern ("NATO - Game Over!") und selbstverständlich die Ostermärsche überall im Lande sollen deutlich machen: Wir stellen uns gegen die Fortsetzung des Krieges in Afghanistan!

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".