Ein Kommentar

Friedensbewegung alternativenlos?

von Christine Schweitzer

"Und welche Alternativen habt Ihr? Was sollen denn die XY [Man setze nach Belieben ein: Vereinten Nationen, USA, NATO, unsere Regierung] denn tun, wenn der Irak weiter Massenvernichtungswaffen herstellt?" Diese oder eine ähnliche Frage ist auch jetzt wieder zu hören, so wie vor und während aller Kriege der vergangenen Jahre nach den Alternativen der Friedensbewegung gefragt wurde. In der Vergangenheit - von dem Angriff des Irak auf Kuweit bis hin zu Milosevic`s "Terroristenbekämpfung" im Kosovo 1998 - war sie auch nicht nur berechtigt, sondern meistens war es auch recht leicht, eine ausführliche Antwort zu geben.

Im Falle Afghanistans und jetzt des Iraks verhält es sich aber anders. Die angemessene Antwort heute scheint mir die Gegenfrage zu sein: "Eine Alternative wozu?" Dazu, dass ein Land angegriffen werden soll, weil es vielleicht Massenvernichtungswaffen versteckt hat - angegriffen von Staaten, die nicht nur vielleicht über welche verfügen, sondern ganz bestimmt, und deren öffentliche Erklärungen und Strategiepapiere auch keinen Zweifel daran lassen, dass sie bereit sind, sie einzusetzen? Dazu, dass ein Diktator durch einen Krieg von außen gestürzt werden soll, nach Befehl des Präsidenten eines Landes, dessen eigene demokratische Wahl angezweifelt werden darf? Eines Landes, das nicht weniger unappetitliche Diktaturen anderenorts mit Waffen und Geld beliefert, so wie auch Saddam Hussein während des Krieges gegen den Irak unterstützt wurde, und dessen eigene Liste an Menschenrechts- und Kriegsverbrechen beträchtlich ist? Oder eine Alternative zu den Ölquellen im Irak, deren Zugänglichkeit "für uns" gesichert werden soll? Hier gäbe es allerdings wirklich Alternativen - erneuerbare Energien zum Beispiel.

Die Frage nach Alternativen in dieser Chronik eines angekündigten Krieges gegen den Irak führt in die Irre, denn sie legt eine falsche Prämisse zugrunde. Unser Problem ist nicht der Irak und seine angeblich weiterhin vorhandenen Massenvernichtungswaffen. So lang die Liste der Verbrechen der politischen Führung des Irak auch sein mag - eine Liste, die Hussein einen Ehrenplatz direkt neben Milosevic in Den Haag eintragen würde, würde dieses Tribunal sich denn auch mit dem Irak befassen - solange nicht internationales Recht gleichmaßen für die mächtigen wie für die global nicht-mächtigen Kriegsverbrecher und Diktatoren gilt, gibt es keinen Grund, sich ausgerechnet mit dem Irak zu befassen.

Dagegen möchte ich ein paar andere Alternativen vorschlagen, die seit Jahren erfolgreich in Ländern wie Bosnien und dem Kosovo getestet worden sind. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Waffenembargo gegen die USA und ihre Verbündete, mit Überwachung aller See- und Luftwege durch dritte Länder? Auch ein Flugverbot für alle militärischen Maschinen ist ein bewährtes Instrument. Mit einer unabhängigen Wahlbeobachtung der nächsten Wahlen in den USA durch die OSZE könnte sichergestellt werden, dass nächstes Mal derjenige gewinnt, der tatsächlich die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt: Oder wie wäre es mit einer Kommission aus Genf, die die Schließung aller Nuklearanlagen und die Abrüstung und Zerstörung aller ABC-Waffen in den NATO-Ländern überwacht? Von dem UN-Sicherheitsrat sollte ihr allerdings eine Internationale Polizei- oder Blauhelmtruppe zur Seite gestellt wird, die nach Kapitel VII der UN-Charta das Recht hat, die Befolgung des entsprechenden - natürlich noch zu fällenden - UN-Sicherheitsratsbeschlusses zu erzwingen. Auch eine zivile UN-Mission, die die Reintegration aller NATO-Soldaten ins Zvilleben in die Hand nimmt und die Einsetzung eines Hochkommissars, der das Recht hat, alle Politiker(innen) des Amtes zu entheben, die sich gegen die zwangsweise Abrüstung zur Wehr setzen oder nicht bereit sind, internationales Recht zu achten, wären gute Ideen. Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass das ganze durch die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen zum Beispiel aus Südafrika, Chile, den Philippinen und Indien begleitet wird, die uns endlich mal durch Trainings, den Einsatz von Frewilligen und entsprechenden Entwicklungsprogrammen beibringen, wie wir uns endlich gegen unsere Politiker erfolgreich zur Wehr setzen können.

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.