Ein neuer Öl-Krieg wird vorbereitet

Iran

von A. K. Gupta

Während sich die Vorbereitungen für den Krieg gegen Irak Ende 2002 intensivierten, merkten neokonservative Kreise in Washington gerne an, dass „die Straße nach Teheran durch Bagdad läuft". Der Sturz Saddam Husseins sollte nur der erste·Schritt zur Umgestaltung des Nahen Ostens mit militärischen Mitteln sein. Syrien und der Iran waren auf der Hitliste, und sogar Saudi-Arabien wurde als Kandidat für einen Regimewechsel vorgeschlagen.

Drei Jahre nach der Invasion Iraks ist das US-Militär dort festgefahren, der Eifer für eine mögliche Invasion Irans ist dadurch. jedoch nicht erloschen. Seit Ende letzten Jahres hat die Bush-Regierung den Druck auf Iran erhöht. Obwohl es keine Gewissheit gibt, ob die Vereinigten Staaten angreifen werden, ist der Zeitpunkt verdächtig. Warum mit einem. möglicherweise nuklearen, Militärschlag drohen, wenn doch der Iran selbst in CIA-Schätzungen noch zehn Jahre vom Bau einer Atomwaffe entfernt ist? In vielfacher Hinsicht scheint es eine Wiederholung des Irak-Krieges zu sein: Attackiere ein reaktionäres Regime des Nahen Ostens mit riesigen Öl-Reserven wegen Massenvernichtungswaffen und Terrorismus, setze und korrumpiere andere Staaten, um bei der Kampagne mitzumachen, agiere diplomatisch, aber bestimme untragbare Konditionen, die jegliche Erfolgsaussicht für Verhandlungen vereiteln, während man sich selber auf Krieg vorbereitet.

Die Bewegungen gegen Iran sind Teil eines größeren neokonservativen Projektes, das die globale US-Herrschaft für das 21. Jahrhundert sichern soll. Diese Pläne· gibt es seit 1992, als der damalige Verteidigungsminister Dick Cheney seinen Unterstaatssekretär Paul Wolfowitz beaufsichtigte ein Pentagon-Positionspapier zu entwerfen, welches besagte, dass .es unser oberstes Ziel im Nahen Osten und Vorderasien ist; stärkste Fremdkraft in der Region zu bleiben und den Zugang der Vereinigten Staaten und des Westens zum Öl der Region zu erhalten".
Das Ziel war das Auftauchen eines neuen Rivalen in Größenordnung der UdSSR oder ernstzunehmender regionaler Kräfte zu verhindern. Nachdem der Plan als Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert 1997 festgelegt wurde, wurde er nach den Attacken am 11. September in Aktion gesetzt. Das Netzwerk der US-Basen, das seitdem aufgebaut wurde, hat das Ziel, in kritischen Regionen wie dem Nahen Osten, Vorderasien, Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken, Südasien, Ostasien und Osteuropa einzugreifen. Die Hauptziele sind· China und. Russland, die als potenzielle Rivalen angesehen werden. Aber Westeuropa und Japan sind in einer anderen Form ebenfalls Ziele. Obwohl sie als Verbündete gelten, ist das Ziel der USA, sie durch mi¬litärische Macht und Kontrolle der strategischen öl- und Erdgasvorkommen in einer Abhängigkeit zu halten.

Es geht nur um Öl
Hinsichtlich Irak und Iran geht es nur um ÖL Tom O'Donnell, ein Physiker der Universität Michigan/USA, der die „globalisierte Öl-Ordnung" studierte, sagt, dass der Grund für eine aktuelle Zuspitzung des Konfliktes mit Iran in „der Knappheit der Öl-Kapazitäten [liegt], was nur durch die Golf-Staaten des Nahen Ostens ausgeglichen werden kann; zumal Iran' und Irak deutlich unter ihrem Potential produzieren". Nach O'Donnell schätzt die internationale Energie Agentur, dass die Welt bis 2020 eine Steigerung .der Pumpkapazitäten um drei Viertel gegenüber 2001 benötigt, um die steigende Nach¬frage zu befriedigen, und dass die großen Öl-Projekte ;,sieben bis zehn Jahre bis zu ihrem Starteinsatz brauchen". Das erklärt die Dringlichkeit, welche die US-Regierung der Iran-Frage beimisst.

Bereits heute sind angesichts Rekordpreisen für Öl und Benzin die Limits der Rohölproduktion zu spüren. Das Liegt jedoch nicht an den geologischen Begrenzungen sondern an der Außenpolitik der USA. Der Nahe Osten enthält ungefähr zwei Drittel der ·weltweit bekannten flüssigen Rohölreserven. Nach Saudi-Arabien sind Irak und Iran Nummer zwei und drei der Region und der Welt, ihre Öl¬Industrien wurden jedoch von der US-Politik in Schach gehalten.

Im Irak wurden durch die Sanktionen im Rahmen des 1997 eingeführten „oil¬for-food"- (Öl für Essen) Programms die Öl-Exporte auf unter zwei Millionen Barrel pro Tag gehalten. Die sechs Jahre vorher durfte so gut wie nichts exportiert werden. Irak wurde außerdem daran gehindert, notwendige 'Reparaturen seiner Öl-Industrie durchzuführen. Von 1998 bis 2001 beantragte Irak den Kauf von Er¬satzteilen für die Öl-Industrie in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar, Das war im Rahmen der Sanktionen erlaubt, de facto wurden jedoch nur Güter im Wert von 953 Millionen Dollar erhalten.

Bezüglich der Öl-Industrie Irans hat die US-Politik versucht, die Entwicklung zu drosseln. Am 15. März 1995 wurde von Präsident Clinton eine Anordnung erlassen (Executive Order 12957), welche US-Firmen verbot, in Irans Öl- und Erdgas- Industrien zu investieren. Dem folgte zwei Monate später eine weitere Anordnung, die jeglichen US-Handel und Inve¬stitionen -mit Iran verbot. Im Dezember 1995 verabschiedete der Kongress dann den „Iran-Lybia Sanctions Act". Darin werden ausländischen Firmen, die in einem Jahr mehr als zwanzig Millionen Dollar in Irans Energiesektor investieren, Strafen angedroht.

Laut O'Donnell sind deswegen nur wenige ausländische Firmen bereit, umfangreiche Investitionen in Irans Energiesektor zu tätigen. Hinzu kommen kürzlich ausgesprochene Drohungen der Bush-Regierung, Banken zu bestrafen, die Iran Finanzmittel ermöglichen. ,,Alle schreien jedoch nach Investment-Möglichkeiten, mit inbegriffen amerikanische Firmen" sagt er. Ihm zufolge wird die Bush-Regierung das Wachsen von Irans Öl-Produktion unter dem Mullah-Regime nicht erlauben, da das dem Iran ermöglichen würde, seinen Öl-Reichtum als Waffe zu benutzen. Iran pumpt täglich 3,8 Millionen Barrel, exportiert jedoch nur 2,7 Millionen. Im einem Reuters Television Interview vom 19. April untere streicht der Direktor der Internationalen Energie Agentur (IEA), Claude Mandil, warum Iran momentan nicht in der Lage ist, sein Öl als Waffe zu nutzen. Mandil sagt: ,,Falls wir Irans Exporte ausgleichen müssen ... wir haben über 4 Milliarden Barrel [Vorräte], die mehrere Jahre ausreichen".

Iran hat mehrfach angeboten, im Rahmen einer „großen Abmachung" mit den USA die Urananreicherung fast komplett zu stoppen, um im Gegenzug eine Sicherheitsgarantie zu erhalten, nicht angegriffen zu werden. Weiterhin sollen die Sanktionen gegen den Energiesektor aufgehoben werden. Nach dem Fall Bagdads im April 2003 bot Iran der Bush-Regierung „ernsthafte Bemühungen zur Ausarbeitung einer umfassenden Agenda zur US-Iranischen Wiederannäherung" (Washington Post, 18. Juni) an. Iran „schlug vor, dass alles zur Debatte steht - inklusive voller Zusammenarbeit bei Nuklearprogrammen, Akzeptanz Israels und die Beendigung der Unterstützung militanter Palästinensergruppen". Im Überschwang des „Sieges" wurde der Vorschlag jedoch abgelehnt.

Als Voraussetzung zu Verhandlungen fordert die Bush-Regierung die Suspendierung aller Anreicherungsprogramme. Im Gegenzug bietet es Iran Ersatzteile für alte Flugzeuge (Boeing), Unterstützung für die Mitgliedschaft in der Welt Handels Organisation (WTO) und Leichtwasserreaktoren. Iran lehnte das Angebot der Leichtwasserreaktoren ab und merkte an; dass der Import von angereichertem Uran notwendig für den Betrieb der Reaktoren sei, womit das Land politischem Druck ausgesetzt ist. Leichtwasserreaktoren sind zudem zur Produktion von Plutonium weniger effizient als Schwerwasserreaktoren, wovon Iran einen in Arak stehen hat. Iran besitzt natürliche Uranvorkommen im Überfluss und sieht es als sein legales Recht; Uran, für welchen Reaktortyp auch immer, anzureichern.

Wenn die Iraner ihre Trumpfkarte - Urananreicherung - aufgeben würden, wären sie ohne Sicherheitsgarantie, ohne' Verhandlungskraft, ohne Aussicht auf Aufhebung der Sanktionen. Die Vereinigten Staaten verlangen von Iran schlicht etwas Unmögliches, sagt O'Donnell, weil sie den Konflikt entzünden wollen. Der Grund sind Nuklearwaffen, da Öl als Konfliktgrund schlecht aussieht".

Die Unzufriedenheit in Iran
Gleichzeitig profitiert die herrschende Elite Irans, im Gegensatz zu den oppositionellen Reformisten oft als Hardliner beschrieben, von der Konfrontation mit den USA. Der Iraner Fararnaz Farbod, ein Assistenzprofessor der· Politikwissenschaften an dem Moravian College in Bethlehem, Pennsylvania, erklärt, dass der iranische Präsident Mahmoud Ahmadenijad ein „Revolutionär der zweiten Generation (ist], ein Rückwurf in die Ära von 1979". Während der islamischen Revolution der späten siebziger Jahre benutzten die Hardliner die Krise der Geiselnahme von Teheran um abweichende Meinungen auszumerzen. Jetzt, so Farbod, ,,würden einige möglicherweise eine begrenzte US-Attacke begrüßen. Es würde ihnen erlauben, sich ihrer Opposition zu erledigen. Bereits die aktuelle Lage, zwar ohne militärische, dafür aber mit politischer Konfrontation, hilft den Hardlinern, um die Opposition zu unterdrücken."

„Diese Leute sind nicht Saddam Hussein", sagt Farbod, "sie haben eine soziale Basis, wenn auch wahrscheinlich eine schrumpfende". Er beschreibt die Basis der Hardliner als die kleine inländische Bourgeoisie, während der Diskurs sich an die ärmeren Klassen richtet. Ahmadenijads Regierung hat  ihnen ,,günstigere Bankkredite und das Anzapfen der Öl- Reserven versprochen", um die Lebensmittel- und Spritsubventionen aufzustocken.

Wenn Ahmadenijad „die US-Sanktionen gegen Iran nicht aufheben kann, dann kann er diese 'Versprechungen nicht einhalten", sagt Farbod. "Das ist eines der Ziele; zu versuchen, die US-Sanktionen durch ihre Trumpfkarte Uran zu beseitigen". Iran ist in einer sich verschlimmernden ökonomischen Krise, so Farbod. ,;Die offizielle Arbeitslosenrate ist· 15 %. Um mit dieser Rate Schritt zu halten, muss die Regierung ungefähr 700000 Jobs pro Jahr schaffen. Die meisten Ökonornen weisen darauf hin, dass die Regierung nur. halb so viel produzieren kann. Mit der Arbeitslosigkeit ergibt sich das Problem der Armut. Die Bevölkerung hat sich seit der Revolution verdoppelt. Die ökonomische Situation ist schlechter als Ende der neunziger Jahre. Viele Menschen haben zwei, drei Jobs."

Es gibt drei Facetten der ökonomi¬schen Krise, berichtet Farbod. Die erste ist „der Fluch des Petroleums, das die Faulheit der Ökonomie der Länder, die sich auf ihren Öl-Reichtum stützen, bedingt." Ungefähr die Hälfte von Irans Regierungsbudgets stammt aus den Öl- und Gasexporten. Das zweite ist „die massive Kontrolle, welche geheime Gruppierungen über die ökonomischen Lebensadern des Landes besitzen. Sie sind niemandem Rechenschaft schuldig. Dies sind pseudoreligiöse Organisationen, schließlich ist Religion im Iran politisch. Sie kontrollieren fast die gesamten ökonomischen Ak¬tivitäten - Dienstleistungen, Landwirtschaft, verarbeitende Industrie. Sie haben ihre Greifarme überall … Wir wissen nicht, wie die Einnahmen genutzt werden.“

Der dritte Aspekt sind die US-Sanktionen, ,,welche den Umfang der direkten Auslandsinvestitionen begrenzt haben". Die Sanktionen beeinflussen „das Investitionsklima im Inland durch verstärkte Unsicherheit ökonomischer Aktivität. Die Beseitigung der Sanktionen würde zu größerem Wachstum, größeren ausländischen Direktinvestitionen und einer größeren inländischen Investitionssicherheit führen. Zudem würde sich inländisches Kapital sicherer fühlen; Ressourcen zu investieren."

Ahmadenijad kam auf Grund des Versagens der Reformer unter dern vorherigen Präsidenten Mohammad Khatami an die Macht. Matt gesetzt durch konservative Fraktionen war Khatami „mehr daran interessiert, das klerikale Regime zu erhalten, denn zu reformiereri". Nach Farbod war in den neunziger Jahren „der gesamte vorherrschende politische Diskurs, eingeführt durch Khatami, von Themen wie soziale Freiheit, soziale Demokratie, partizipatorische Demokratie, religiöser Demokratie, und Zivilgesellschaft geprägt". Diese Themen sind jetzt durch ,,Wirtschaft, Sicherheit, nukleare Entwicklung" ersetzt worden.

Aber, ergänzt Farbod, „dies sind Codewörter. Ahrnadenijad hat diesen Diskurs über Unabhängigkeit eingeführt, der teilweise auf die 1979er Revolution als auch auf die frühen fünfziger Jahre · zurückgreift, als Irans populärer Premierminister Mohammed Mossadeq die Öl-Industrie nationalisierte, sich gegen das britische Empire auflehnte und zuhause unglaublichen öffentlichen Respekt genoss. Der Fokus des Regimes auf Sicher¬heit und nukleare Entwicklung will, zumindest teilweise, diesen l.eqitimationsdiskurs wiederaufgreifen."

Vorausschauend kann man sagen, dass es ein Fehler wäre, zu denken, die USA würden Iran nicht angreifen, weil sie im Irak festgefahren sind, argumentiert O'Donnell. In der Juni-Ausgabe des Z-Magazins behauptet er; dass die Vereinigten Staaten zuerst versuchen würden, die ira¬nische Luftwaffe kaputtzumachen, um Iran „anfällig gegen Bodenaufstände verschiedener, reqimefeindlicher Kräfte zu machen. Das könnten die Kurden, Aserbaidschaner und andere separatistische Nationalisten sein, die seit langem gegen Irans Zentralregierung kämpfen."

Deutlich erkennen kann man, dass Iran in einer Zwickmühle ist. Die Mullahs sind einer Kapitulation 'qeqenüber US-Forderungen abgeneigt, da dies ihre Stellung zuhause gefährden würde, während die USA erfolgreich die wichtigsten kapitalistischen Kräfte hinter sich vereinte. Selbst Russland und China haben gefordert, dass Iran seine Urananreicherung aufgibt. Trotz zahlreicher Möglichkeiten, den Konflikt friedlich zu lösen, scheint die Bush-Regierung auf Krieg aus zu sein.

aus: WIN, Zeitung der War Resisters League, der US-amerikanischen Sektion der WarResisters’International. www.warresisters.org/win/Summer2006-Iranoil.shtml

Übersetzung Peter Volz

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Krisen und Kriege
A.K. Gupta ist Autor von WIN.