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Tagung "Professionelle Friedenscorps"
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Mit 'Modellen zur zivilen Krisenintervention' befasste sich ein Kolloquium Ende Mai in Berlin, das von den beiden Evangelischen Akademien Berlin-Brandenburg und Mülheim-Ruhr veranstaltet wurde. Der Anstoß für das Treffen ging von dem deutsch-kanadischen Mitgründer von Peace Brigades International, Hans Sinn, aus, der vorgeschlagen hat, ein deutsches Friedenscorps zu gründen. Es nahmen ungefähr vierzig Personen teil, die zum Teil aus der Praxis der internationalen Entwicklungshilfe und Konfliktbearbeitung kamen, zum Teil als VertreterInnen von Parteien und Friedensgruppen angereist waren.
Verschiedene Konzepte wurden im Verlauf des Kolloquiums vorgestellt und praktische Erfahrungen mit gewaltlosen Interventionen, z.B. im ehemaligen Jugoslawien und im Golfkrieg, referiert. Dabei wurde - mehr als bei vorherigen Treffen, die sich allein mit dem Zivilen Friedensdienst befassten - deutlich, daß doch recht unterschiedliche Vorstellungen im Raum stehen. Neben dem Peace-Corps-Vorschlag von Hans Sinn wurden die Konzepte zum Zivilen Friedensdienst von Theo Ebert bzw. der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg und des Bundes für Soziale Verteidigung in die Diskussion eingebracht.
Hans Sinn's Vorschlag sieht die Einrichtung eines professionellen Friedenscorps als "zivile Eingreifgruppe" vor, die Deutschland bei Krisen und Konflikten entsenden würde. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg, die das Konzept des Zivilen Friedensdienstes vor ca. zwei Jahren in die Debatte geworfen hat, spricht sich für einen einjährigen "Grunddienst" im Inland, gekoppelt mit einer gründlichen Ausbildung in gewaltfreier Konfliktaustragung aus. Die so Ausgebildeten könnten später dann auch für internationale Einsätze zur Verfügung stehen. Der Bund für Soziale Verteidigung hatte diesen Vorschlag aus Berlin-Brandenburg aufgegriffen und daraus ein Konzept entwickelt, das in einigen Punkten von den Vorstellungen der Kirche abweicht. (Der wichtigste Unterschied ist, daß der BSV eine Dienstverpflichtung für den ZFD ablehnt, während die Kirche sich offensichtlich inzwischen auf die Position geeinigt hat, eine solche Dienstverpflichtung - vielleicht auch im Rahmen einer Allgemeinen Dienstpflicht - zu fordern. So wurde es zumindest von Theodor Ebert, der als der Sprecher der Kirche für dieses Konzept angesehen wird, auf der Tagung dargestellt. Siehe auch den Beitrag von Helga Tempel in diesem "Friedensforum".)
Aber längst nicht alle TeilnehmerInnen vollzogen diese drei Konzepte - deren Gemeinsamkeit darin besteht, daß sie zum Ziel haben, das Militär bzw. militärisches Eingreifen zumindest mittelfristig zu ersetzen, vollständig nach. Viel eher war es so, daß sich zwar fast alle Anwesenden vorstellen konnten, daß ein vermehrter Einsatz von ZivilistInnen in ausländischen Konflikten sinnvoll sei, manche aber eher Bedenken dagegen hatten, dies mit einer Reduzierung des Militärs zu verknüpfen. Auch die Beschaffung der Mittel aus dem Verteidigungshaushalt, wie vor allem vom Bund für Soziale Verteidigung vorgeschlagen, war strittig. Immer wieder wurde davor gewarnt, 'diese gute Idee' nicht durch radikale politische Vorstellungen kaputt zu machen. Auf der anderen Seite warnten vor allem VertreterInnen der Friedensbewegung davor, zu glauben, ein solches Konzept durchsetzen zu können, ohne es mit der politischen Forderung nach Reduzierung des Verteidigungshaushaltes zu verbinden. So sagte Andreas Zumach in seinem Vortrag, daß es im bundesdeutschen Haushalt absolut keinen Spielraum für neue Ausgaben gäbe und es daher gar keine Wahl gäbe, als diesen nach dem Geschmack mancher KolloquiumsteilnehmerInnen zu kritischen Vorschlag zu machen.
Das Durcheinander wurde durch die Vorstellung des sozialdemokratischen Wallow-Papiers (Vorschlag eines Katastrophenhilfswerks, das ursprünglich auch mal den Namen "Friedenscorps" trug) und eine Podiumsdiskussion, deren TeilnehmerInnen aus SPD und CDU nicht die Tagung miterlebt hatten und das Konzept des ZFD nicht kannten, eher noch verstärkt. Es kann in Frage gestellt werden, ob diese Tagung die Diskussion um den Zivilen Friedensdienst viel weitergebracht hat. Aber sie hat dessen VertreterInnen deutlich vor Augen geführt, wie dieses Konzept u.U. in der breiteren Öffentlichkeit aufgenommen werden wird, und welche politischen Gefahren auch damit verbunden sein könnten (Allgemeine Dienstpflicht, Ergänzung zu militärischen Einsätzen).
Was Vereinbarungen zur Weiterarbeit anging, so stellten VertreterInnen des Bundes für Soziale Verteidigung den Vorschlag vor, im Herbst einen "Initiativkreis Ziviler Friedensdienst" zu gründen; ein Vorschlag, der auf recht viel Zustimmung stieß. Außerdem wird es eine informelle Arbeitsgruppe in Berlin geben, die von der Studienleiterin der Ev. Akademie Berlin-Brandenburg, Ulrike Poppe organisiert wird.
Weitgehender Konsens bestand über die Notwendigkeit von Pilotprojekten. Eine hierzu arbeitende Arbeitsgruppe machte vier dementsprechende Vorschläge:
a) ein Projekt ähnlich dem "Mobilen Dienst" in Brandenburg. (Der Mobile Dienst ist ein Team von vier SozialarbeiterInnen, die jeweils für einige Wochen in einen Ort gehen, wo sich Spannungen krisenhaft zuspitzen, etwa weil ein Flüchtlingswohnheim eingerichtet werden soll, und dort versuchen, konfliktmindernd tätig zu werden.
b) das Brandenburger Projekt des Bundes für Soziale Verteidigung, bei dem beabsichtigt ist, zehn über ABM finanzierte Personen in drei Teams in eine Schule, eine Kindertagesstätte und ein Jugendzentrum zu schicken, die dort gewaltpräventive Arbeit leisten sollen.
c) das Balkan-Peace Team, das mit internationalen Freiwilligen in Kroatien und demnächst im Kosovo arbeiten wird
d) ein ggf. neu zu gründendes Projekt zur Konfliktmediation in Mostar.
Eine Dokumentation des Kolloquiums wird von der Heinrich-Böll-Stiftung erstellt werden.