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Trainings in gewaltfreier Konfliktaustragung
von
In allen Ländern des ehemaligen Jugoslawiens besteht ein großer Bedarf an der Vermittlung von Methoden der gewaltfreien Konfliktaustragung. Bislang haben alleine MitarbeiterInnen des Bundes für Soziale Verteidigung bei mehreren Aufenthalten in Zagreb, Osijek (beide Kroatien)sowie Belgrad und Pancevo (Serbien und Vojvodina) ca 15 bis 20 Seminare und Trainings über gewaltfreie Konfliktlösung und Mediation abgehalten. Dazu kommen noch etliche Teams aus anderen Ländern, die ebenfalls in diesen Orten tätig sind.
Methoden der gewaltfreien Konfliktaustragung sind in dieser Region in verschiedenen Zusammenhängen von Bedeutung:
* Bei der Aufarbeitung von Kriegserlebnissen. Dazu gehört neben dem Umgang mit der eigenen Angst, mit Verlusten und Unsicherheit auch die Überwindung von Haß, der zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Laufe des Krieges sich enorm verstärkt hat, wenn er in vielen Fällen nicht gar erst als Folge des Krieges entstand.
* Versöhnungsarbeit und die Vermittlung von Mediationstechniken (Vermittlung) sind daher die wesentlichen Aufgaben der Zukunft. Sie hat in manchen Orten, z.B. in Osijek, wo die Antikriegskampagne ein großangelegtes Programm zur gewaltfreien Konfliktlösung entwickelt hat, schon begonnen.
* Die Unterstützung von Flüchtlingen bei der Aufarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse und ihre Vorbereitung auf eine eventuelle Rückkehr in ihre (zerstörten) Heimatorte.
* Techniken der Gewaltfreien Aktion für AktivistInnen in den Antikriegsbewegungen. So war z.B. ein Element eines Trainings in Belgrad die Vorbereitung auf eine möglicherweise gewaltsam verlaufende Großdemonstration; in Osijek wurden Methoden erarbeitet, wie Mitglieder der Gemeinde, die als Nicht-Kroaten akut bedroht sind, vor Übergriffen geschützt werden könnten.
* Mit dem Krieg hat auch die Gewalt in den Familien, besonders die Gewalt gegen Frauen drastisch zugenommen. Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern und Notruftelefonen zeigten daher besonderes Interesse an Seminaren zur Gewaltminderung.
* Bei der Prävention von gewaltsamen Auseinandersetzungen in Gebieten, wo es (noch) nicht zum Krieg gekommen ist. Dazu müssen auch Serbien und die Vojvodina selbst zählen.
Eine Reise nach Osijek
Traude Rebmann, eine der Trainerinnen vom Bund Für Soziale Verteidigung, berichtet von ihrer Reise nach Osijek:
Anfang März 1992 war ich zum zweiten Mal in Kroatien. Ich war von der Antikriegskampagne eingeladen worden, Einführungs-Workshops über Mediation und weitere für das Friedenstiften notwendige Fähigkeiten durchzuführen.
Von den Personen, die an den drei Nachmittags-Workshops teilnahmen, kannten sich nur wenige untereinander. Aber sie wurden gestärkt und ermutigt, als sie merekten, daß sie nicht allein waren mit ihrem Wunsch, etwas zu tun, um die Gewalt, die Verzweiflung, den Haß und die Zerstörung zu überwinden. Sie kamen aus allen Lebensbereichen. einige warteten darauf, wieder an ihre Arbeitsstelle zurückzukehren (nur 10 % der Industrie war zu dem Zeitpunkt in Betrieb). Andere halfen Flüchtlingen und mittellosen Menschen, lehrten an der Universität oder arbeiteten im medizinischen Bereich.
Sie waren sehr daran interessiert, Wege einzuüben, um das Bewußtsein anderer Menschen zu wecken, ihre Unterstützung zu bekommen und sie in die Lage zu versetzen, die andere Seite der Medaille zu sehen. Jede Seite hat ähnliche Vorurteile gegen die andere, einige davon eingeimpft durch die Medien. die Menschen fangen an zu erkennen, daß sie das Opfer so vieler Interesser sind.
Sie sind bereits Opfer. Einige werden für viele entwurzelt bleiben. Andere haben Familienangehörige verloren. Viele andere sind nicht länger fähig, Freunden und Nachbarn zu vertrauen, die plötzlich als einer anderen Nationalität zugehörig erklärt wurden (oder sich selbst erklärten).
Wir machten einige Übungen, bei denen die Leute zu überlegen anfingen, wer denn überhaupt ein wirklich echter "Vollblut"-Kroate sei. Diese Fragen wurden ständig gestellt: Wie können wir diesen Haß und all diese schlechten Gefühle überwinden?
Selbst wenn der Krieg morgen beendet wäre, würden viele Probleme noch lange bestehen bleiben. Ein Hauptproblem ist der wirtschaftliche Zustand - eine Hauptursache für den Krieg. Viele Fabriken arbeiten nicht mehr. Viele Handelsbeziehungen sind abgebrochen.
So viele Menschen sind verletzt, desillusioniert, traumatisiert. Familien wurden getrennt, Besitztum ist zerstört worden. Und Seelen sind demoralisiert.
Man stelle sich die Soldaten vor, die aus dem Krieg heimkehren, einige von ihnen äußrlich verwundet, wahrscheinlich sehr viele mehr innerlich gebrochen und zerstört. Wie werden sie in der Lage sein, zum normalen Leben zurückzukehren; Wie werden sie mit ihren Erlebnissen und ihrem Alpträumen leben?
Und dann sind da all die Kinder, die soviel miterleben mußten. einige wurden in andere Länder geschickt, wo sie monatelang ohne ihre Familien lebten. Sie werden lange Zeit brauchen, um sich zu erholen. Werden die Schulen imstande sein, ihnen da hindurchzuhelfen?
Dann sind da die Flüchtlinge aus ländlichen Gebieten - jetzt in Flüchtlingslagern festsitzend. Die meisten Bauern wollen jetzt zu ihrem Land zurückkehren. Aber ihre Dörfer (sowohl serbische als auch kroatische) wurden wahrscheinlich zerstört. Es gibt so viele Fragen - eine Herausforderung an uns alle.