Redebeitrag für den Ostermarsch Heidelberg am 3. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

seit mehr als einem Jahr hält uns Corona nun schon fest im Griff. Die vom neuen Virus ausgelöste Krise zeigte wie durch ein Brennglas gesellschaftl. Schwachstellen auf ‒ beispielsweise im Gesundheitswesen, in der Altenpflege und vielen anderen sozialen Bereichen. Im Zuge der Anti-Corona-Politik, die sich oft als wenig zielgerichtet und unausgewogenen erwiesen hat, wurde die Spaltung zwischen Arm und Reich weiter vorangetrieben. International verschärfen nationale Egoismen der reichen Länder die Situation der ärmeren. In weiten Teilen der Welt wurde die Ernährungssituation durch die protektionistischen Maßnahmen des Westens noch prekärer. Die Welthungerhilfe warnt vor Millionen von Hungertoten aufgrund unterbrochener Lieferketten für die Bauern des globalen Südens.

Diese katastrophale Lage, liebe Leute, an sich doch die volle Konzentration auf eine zielgerichtete, wirksame Bekämpfung der Pandemie erfordern, wie auch auf ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen. Stattdessen wurden und werden die militärische Hochrüstung und Rüstungsexporte noch ausgeweitet, insbes. durch die NATO-Staaten und ihre Verbündete.

Die UNO und viele Hilfsorganisationen appellierten an die USA und die EU wenigstens während der Pandemie ihre verheerenden Wirtschaftsblockaden einzustellen. Sie USA haben sie aber gegen Syrien, Iran, Venezuela und Kuba sogar noch verschärft und damit auch die Notlage der dortigen Bevölkerung. Auf der Geberkonferenz der EU für Syrien in dieser Woche wurde nicht nur erbärmlich wenig Geld für das Land und seine Nachbarn eingesammelt, auch die Forderung zahlreicher Hilfsorganisationen, darunter die Caritas, die evangelischen Diakonie und die dt. Welthungerhilfe, verhallten ungehört, den Syrern endlich wieder zu ermöglichen, sich selbst zu helfen, indem die Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden.

Diese völkerrechts- und menschenrechtswidrigen Blockaden müssen beendet werden.

Wir protestieren heute insbesondere auch gegen die ständige Erhöhung des deutschen Militärhaushalts und verlangen eine drastische Abrüstung. Kein Geld für Waffen und Militär, sondern für Bildung, Gesundheit und ein solidarisches Sozialsystem! [Wir fordern einen Stopp von Rüstungsexporten.]

Wir wenden uns zudem gegen die NATO-Kriegspolitik und fordern ein Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr. Wir lehnen sie ab, weil militärische Interventionen generell ungeeignet sind, Probleme zu lösen. Wir lehnen sie aber vor allem ab, weil wir nicht vergessen, welche katastrophalen Folgen die Kriege und Interventionen der USA und ihrer Verbündeter bisher bereits hatten und noch haben ‒ auch dann, wenn sie angeblich für hehre, humanitäre Ziele wie Demokratie und Menschenrechte geführt wurden.

Vor 30 Jahren, kurz nach dem Zusammenbruch der SU, leite der erste von den USA angeführte Krieg gegen den Irak eine neue Epoche von Kriegen und Interventionen des Westens ein. Der damalige US-Präsident sprach von einer „Neuen Weltordnung“, Kritiker vom Beginn einer „Welt-Unordnung. Der Krieg gegen den und das folgende Embargo stürzte die Bevölkerung des Iraks, die bis dahin einen relativen hohen Lebensstandard hatte, ins Elend. Der zweite Krieg und die nachfolgende Besatzung destabilisierte es völlig und schuf den Boden für den IS.

Der Irakkrieg war die Ouvertüre für eine Reihe weiterer. Mit dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien Bereits 1999, auch in Europa. Im November jährt sich nun der Angriff auf Afghanistan schon zum 20. Mal. Dieser Krieg dauert bis heute an. Vor 10 Jahren, am 19. März 2011 begannen die USA, Großbritannien und Frankreich mit Luftangriffen auf Tripolis den NATO-Krieg gegen Libyen. Sie bombten schließlich islamistische Milizen und rivalisierende Stammeskrieger zum Sieg.

Begründet wurde der Krieg wieder einmal mit fehlender Demokratie und Menschenrechten. Diese gab es, keine Frage. Tatsächlich ging es aber auch beim Regime Change in diesem ölreichen Land um wirtschaftliche und geostrategische Interessen. Libyen, das zuvor den höchsten Lebensstand Afrikas aufwies, wurde ruiniert und ist seither in die Machtbereiche verschiedener Milizen und Warlords zerfallen.

Aufgrund all dieser Erfahrungen lehnen wir alle Ansätze der NATO entschieden ab, ihre Fähigkeiten zu solchen Kriegen noch auszubauen. Das Kriegsbündnis hat mit Ende des Kalten Krieges seine Existenzberechtigung längst verloren und gehört aufgelöst. Als Schritt in diese Richtung fordert die Friedensbewegung den Austritt Deutschlands.

Ein weiterer Grund sind die zunehmenden Spannungen mit Russland. In Kürze, am 22. Juni,  jährt sich der Überfall des faschistischen Deutschlands auf die Sowjetunion zum 80. Mal.  27 Millionen SowjetbürgerInnen kamen im Laufe des Krieges ums Leben. Aus der geschichtlichen Verantwortung heraus muss Deutschland seine aggressive Rhetorik gegen Russland einstellen und endlich eine entschiedene Entspannungspolitik betreiben. Das bedeutet vor allem, die Verlegung von Truppen und Manöver bis an die russischen Grenzen unverzüglich einzustellen.

Gerade hat wieder die Verlegung von US-Truppen für ein Großmanöver nach Europa begonnen. 28.000 Soldaten aus 26 NATO-Staaten sollen im Rahmen von Defender Europe 21 wieder Krieg gegen Russland üben, schwerpunktmäßig dieses Jahr in der Schwarzmeerregion. Deutschland fungiert erneut als zentrale Drehscheibe.

Hier liebe Leute wäre ein dauerhafter Lockdown wirklich angebracht, Wir fordern Lockdown für Großmanöver gegen Russland, Lockdown fürs Militär!

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass sich beim verschärfenden Konflikt mit Russland Atommächte gegenüberstehen. Durch die Kündigung diesbezüglich Rüstungskontrollverträge und die Modernisierung der nuklearen Arsenale hat sich die Gefahr eines Atomkrieges ohnehin schon stark erhöht. Wir fordern daher, dass die Atommächte endlich ihren Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag nachkommen und ihre Arsenale sorgfältig verschrotten.

Dieser Forderung verleiht der im Januar in Kraft getretene Atomwaffenverbotvertrag der UNO Nachdruck. Greenpeace hat gerade eine neue Umfrage veröffentlicht. Demnach fordern mehr als 80% der Befragten den Beitritt Deutschlands zu diesem Vertrag und den Abzug der Atombomben aus Deutschland. Sorgen wir gemeinsam durch nicht nachlassenden Druck dafür, dass die deutsche Regierung sich diesem klaren Willen der Mehrheit endlich beugt.

 

Joachim Guilliard ist aktiv beim Friedensbündnis Heidelberg.