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 Initiativen

Gewaltfreiheit globalisieren! Die Konferenz der War Resisters nahe Paderborn

Stephan Brües

Nahe Paderborn fand Ende Juli 06 die Tagung der War Resisters International (WRI) statt. Die WRI, gegründet vor 85 Jahren als Netzwerk von mehr als 90 Organisationen aus allen Erdteilen, vereint Menschen im Widerstand gegen Krieg und der Bekämpfung der Kriegsursachen. 200 Friedensaktivisten stellten sich auf der viertägigen Konferenz den Folgen der Globalisierung und diskutierten gewaltfreie Strategien.

"Eine andere Tagung ist möglich" propagierten die Organisatoren und tatsächlich konsumierten die Teilnehmer nicht nur passiv die Reden und Vorträge der Referenten, sondern gestalteten selbst dutzende Workshops über viele Aspekte des Tagungsthemas "Gewaltfreiheit globalisieren" mit. So stellten zum Beispiel Friedensgruppen aus Kolumbien, Paraguay oder dem Sudan ihre Arbeit vor, wurden verschiedene Möglichkeiten der Medienarbeit präsentiert, oder es wurde informiert darüber, "wie die Regierung zum Waffenhandel beiträgt - die Arbeit der Exportkredit-Agenturen".

Angesichts des aktuellen Geschehens im Libanon rückte der Nahost-Konflikt in den Mittelpunkt der Tagung. Dass sich die Anwesenden einig waren, dass das Militär und die Milizen zur Lösung des Konflikts untauglich sind, war nicht weiter erstaunlich. Schwieriger war es, an gewaltfreien Alternativen zu arbeiten. Jürgen Grässlin, Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), die größte der sechs deutschen Mitgliedsorganisation der WRI, sagte: "Wer hier nach Auswegen aus der Gewalt sucht, der muss ihre Ursachen analysieren, ihre Profiteure benennen und Wege der Deeskalation aufzeigen."

Bei der Analyse des Konfliktes wurde die Okkupation der Palästinensergebiete durch Israel als Hauptproblem angesehen. "Die Anwendung militärischer Gewalt wird keine Sicherheit für Israel bringen, solange es keine Sicherheit für Palästinenser gibt", erklärte Dorothy Naor von "New Profile". New Profile führt gewaltfreie Aktionen durch und gibt unabhängige Informationen sowohl über die Situation in den palästinensischen Gebieten wie in Israel weiter. New Profile befürwortet auch Sanktionen und Divestment (Zurücknahme von Investitionen), um die "katastrophalen Folgen der Okkupation" zu beenden. Die Teilnehmer der Konferenz, die zu Israel und Palästina arbeiteten, haben auch einen Brief an Bundeskanzlerin Merkel entworfen, in dem sie diese auffordern, entschieden gegen die Ermordung hunderter Zivilisten im Libanon durch die israelische Armee öffentlich Stellung zu nehmen.

In einer Erklärung zum Libanon-Krieg verurteilte die WRI Gewaltakte beider Seiten und verlangte die Aufnahme von Verhandlungen. Weiterhin wurde Israel aufgefordert, eine sofortige Einstellung seiner Angriffe auf den Libanon auszurufen und die Mauer sowie die Besetzung Palästinas aufzugeben. Gleichzeitig wurden die USA aufgefordert, ihre militärische Hilfe für Israel einzustellen und den Schutz für Israel vor UNO- und völkerrechtlichen Sanktionen zu beenden. Die Erklärung unterstützte alle gewaltfreien Formen des Widerstandes der Palästinenser gegen die israelische Besatzung. Schließlich fordert die WRI alle Menschen auf - besonders aber die Bevölkerung der USA - sich den Kriegsgewinnlern zu widersetzen, die allein von diesem Krieg profitieren werden.

Dieses Thema "Kriegsprofiteure" war ein weiterer Schwerpunkt der Tagung; so wurde die bestehende Kampagne der WRI auf der Tagung weiterentwickelt. Simon Harak von der War Resisters League in den USA belegte eindrucksvoll, dass US-Konzerne wie Bechtel und Halliburton erst durch PR-Aufträge für Kriegspropaganda gegen den Irak und später durch milliardenschwere Aufträge am "Wiederaufbau" der irakischen Infrastruktur verdienten.

Auf der Tagung ging es weiterhin darum, "wie wir das Wissen und die Erfahrungen aus mehr als einem Jahrhundert an gewaltfreier Widerstandstraditionen in die heutige globale Bewegung einbringen können." (Stellen Vinthagen, schwedischer Friedensforscher). Konkret merkte er an, dass die WRI und ihre Mitgliedsorganisationen aktiver Teil des Weltsozialforums werden müsse, um zu erreichen, dass die erfolgreichen gewaltfreien Aktionen intensiviert werden und die negativ und damit kontraproduktiv wirkenden gewaltsamen Zusammenstöße bei verschiedenen WTO- oder G7-Gipfeln minimiert werden.

Zum neuen Vorsitzenden wurde Howard Clark (Engländer, in Spanien lebend) gewählt. Er löst Joanne Sheehan aus New York ab, die in den Internationalen Rat gewählt wurde.

Neben den praxisorientierten und theoretischen Diskussionen kam auf dem WRI-Treffen der lockere Austausch der Friedensaktivisten aus aller Welt nicht zu kurz. Teilnehmer erhielten praktische Einführungen in gewaltfreiem Handeln oder erfreuten sich an den abendlichen Kulturprogrammen mit der "Lebenslaute" und dem israelischen Sänger Ofer Golany oder tranken an der Bar gemeinsam ein kühles Bier. Eine andere Tagung war also möglich. Ob die zivile Welt die Signale hören wird, steht dahin.



Stephan Brües ist freier Redakteur.

E-Mail: stephan (Punkt) bruees (at) arcor (Punkt) de

Website: www.stephanbruees.de
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