FF2013-1


 voriger

 nächster

FF2013-1

 Im Blickpunkt

Die Raketenstationierung in der Türkei

The Patriots to the Front!

Andreas Buro

Der Bundestag hat im Dezember 2012 gegen die Stimmen der Linken der Stationierung von Patriot-Raketen in der Türkei zugestimmt. Mehrheitlich waren auch die Abgeordneten der SPD und der Grünen dafür. Zukünftige Waffenbrüderschaft für jede denkbare Koalition nach den Bundestagswahlen ist also gesichert.

Die Patriots können zwar nicht Granaten abwehren, die hin und wieder - von wem auch immer abgefeuert - die türkisch-syrische Grenze überqueren. Syrische Raketen oder Bomber kamen bislang gegen die Türkei nicht zum Einsatz. Diese könnten allerdings von den Patriots mit einiger Sicherheit abgewehrt werden.

Doch warum sollte Syriens Präsident Assad die Türkei mit Raketen und Bomben angreifen? Diese ist militärisch viel mächtiger als Syrien und hat zudem noch die ganze NATO hinter sich. Hat Assad nicht genügend Feinde im eigenen Land, mit denen er nicht fertig werden kann? Ist diese Begründung für die Stationierung nicht absurd?

Die Patriots wären allerdings nützlich, wenn die NATO über Syrien eine Flugverbotszone einrichten wollte. Das weist sie gegenwärtig zwar strikt zurück, doch diese Haltung kann sich schnell ändern. Man erinnere sich an die angeblichen Angriffe vietnamesischer Küstenwachboote auf schwer bewaffnete US-Zerstörer im Golf von Tonking. Danach konnte der US-Präsident zur Verteidigung der USA den ungehinderten Bombenkrieg gegen Nord-Vietnam entfesseln. Doch es gibt auch andere höchst bedrohliche Beispiele wie die potemkinschen Atomwaffen des Irak, die den Überfall auf dieses Land rechtfertigten sollten.

Doch für eine Flugverbotszone - wir erinnern uns voller Trauer an etwa 50 000 Tote als Folge einer Flugverbotszone in Libyen - müssten die Vereinten Nationen ihre Zustimmung geben. Was noch nicht ist, kann vielleicht über einen Giftgaszwischenfall noch arrangiert werden. Wenn aber Russland und China blockieren, stellt sich die Frage, wer sind denn eigentlich die Vereinten Nationen!? Die NATO verfügt doch über viel mehr Militär! In den geltenden Strategien ist der "Kosovo-Fall" längst vorgesehen.

Im schlimmsten Fall kann man auch von irgendwoher eine Rakete in die Türkei feuern. Damit träte der Verteidigungsfall der NATO ein und ein NATO-Krieg gegen Syrien könnte schnell in Gang gesetzt werden. Dabei wären die Patriots und die AWACS-Aufklärer militärisch durchaus sehr nützlich. Würden diese selbst von Syrien her angegriffen, dann wäre die NATO und damit auch Deutschland mitten drin in der "Humanitären Intervention". Wie weit mag diese dann gehen?

Spätestens im NATO-Verteidigungsfall könnte die Türkei versucht sein, eine Sicherheitszone im syrischen Grenzland einzurichten - natürlich zum Schutz der syrischen Kriegsflüchtlinge. Zufälligerweise würde diese Sicherheitszone die Siedlungsgebiete der kurdischen Syrier einschließen. Diese sind gerade damit beschäftigt, dort eine autonome kurdische Zone unter Anleitung des syrischen PKK-Ablegers PYD zu gründen. Sie erhalten dabei nicht nur PKK-Hilfe, sondern auch politische und sonstige Unterstützung von der kurdisch-irakischen Regierung in Erbil. Der Türkei, die sich bislang auf keine friedliche, politische Lösung mit den türkischen Kurden verständigen konnte, sondern gegenwärtig eine höchst repressive Politik ihnen gegenüber betreibt, ist diese Entwicklung natürlich ein Dorn im Auge. Wäre nicht eine solche Sicherheitszone eine ausgezeichnete Möglichkeit, dem kurdischen Spuk die Grundlage zu entziehen?

Seit Ronald Reagans Strategic Defense Initiative (SDI) in den 1980er Jahren ist das Thema Verteidigung gegen Raketen aller Art nicht zur Ruhe gekommen. Russland konnte sich einen Wettlauf in diesem Bereich kaum leisten. Es befürchtete wohl zu Recht, dass diese Systeme das globale "Gleichgewicht der Abschreckung" vom Westen her aushebeln könne. Der Westen hat jedoch diese Technologie konsequent vorangetrieben. In letzter Zeit wurde ein europäischer Abwehrschirm mit dem wenig glaubhaften Argument legitimiert, man müsse sich gegen Raketen aus dem Iran schützen. Für die Stationierung solcher Abwehrsysteme war stets auch die Türkei im Gespräch. Es liegt daher nahe, die jetzige Stationierung der Patriots und der AWACS an der türkisch-syrischen Grenze mit der Errichtung des gesamten Abwehrschirms in Verbindung zu bringen. Sollte der Iran tatsächlich in den Kampf des Westens um die Kontrolle des gesamten Bereiches von Mittel- und Nahost einbezogen werden - etwa durch einen israelischen Angriff, dem die USA folgen würden - dann stünden wohl die deutschen, amerikanischen und niederländischen Patriots an der richtigen Stelle. Und die Nabucco-Pipeline steht vor dem Scheitern, wenn sie keinen Zugang zum iranischen Gas erhält.

Anders F. Asmussen, der NATO-Generalsekretär, versichert uns, während er gleichzeitig über eine militärische Intervention in Syrien nachdenkt, dass die Patriots nur der Verteidigung der Türkei und des NATO-Landes dienen würden. Mir fällt dazu der doppelsinnige Ausspruch des englischen Königs Edwards III (1312-1377) ein, als er bei einem Hofball seiner Maitresse ein verlorenes Strumpfband aufhob und überreichte: "Honi soit, qui mal y pense" - "Ein Schuft, wer Böses dabei denkt"!



Andreas Buro ist u. a. friedenspolitischer Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie und Koordinator des "Monitoring-Projekts: Zivile Konfliktbearbeitung, Gewalt- und Kriegsprävention". 2008 hat er den Aachener Friedenspreis erhalten.



E-Mail: andreas (Punkt) buro (at) gmx (Punkt) de
 voriger

 nächster




       


Bereich:

FriedensForum
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
        
Netzwerk  Themen   Termine   AktuellesHome