FF6/13 GEW-NRW: Kooperation mit BW kündigen!


 voriger

 nächster

FF2014-1

 Initiativen

Kampagne "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!"

Rüstungsexporte skandalisieren!

Renate Wanie

Eines war bereits zu Beginn der Evaluationstagung der ursprünglich bis zu den Bundestagswahlen terminierten Kampagne "Aktion Aufschrei - stoppt den Waffenhandel!" Ende November 2013 klar: "Wir wollen weitermachen!" So war es das Ziel der diskussionsfreudigen Kasseler Tagung, neben derAnalyse der aktuellen Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung, der Kritik am Koalitionsvertrag und dem Erfahrungsaustausch über die etwa zweijährige Kampagne zunächst Tendenzen und Ideen für die Weiterarbeit herauszuarbeiten. Konkretisiert werden soll das zukünftige Konzept der Kampagne jedoch erst auf dem nächsten Trägerkreistreffen am 15. Januar 2014.

Was lief gut in der Kampagne? Häufig genannt wurde der politische Einfluss, z. B. dass Themen in die Betriebe getragen worden seien oder ein Anteilseigner von Krauss-MaffeiWegmann aussteigen möchte; dass die Bündnisarbeit auf breite Beine gestellt wurde; alte Friedensinitiativen neu belebt und neue über die Friedensbewegung hinaus gewonnen wurden.

Von "konservativ bis links" fand eine Alphabetisierung des Rüstungsexports statt. Aktionen wurden mit Begeisterung durchgeführt, die Datenbank des Netzwerks Friedenskooperative als überaus hilfreich für die lokalen Aktivitäten hervorgehoben. Bei den Hindernissen wurden hauptsächlich Probleme angeführt: Die Politik ist scheinbar resistent gegenüber dem Druck von unten; Konversionsfragen sind noch offen; in der Außenwahrnehmung wirkte die Kampagne teilweise zu kirchlich und zu moralisch; das ökonomisch-politische Projekt Rüstungsexporte konnte nicht wirklich angegriffen werden; personelle Ressourcen fehlten, die zentrale Forderung war für viele zu abstrakt, Internationalisierung fehlte, man verzettelte sich mit zu vielen Themen; es gab Hemmungen, radikal zu sein.

Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit bescheinigte der Kampagne eine "enorme Stärke" und hob hervor, wie viel Druck doch mit den geringen personellen Ressourcen ausgeübt worden sei. Peter Grottian, Berliner Politikwissenschaftler, hinterfragte hingegen die zentralisierte Koordination und regte an, auch über eine dezentrale Arbeitsstruktur nachzudenken. Um die bisherige qualitativ gute Arbeitsweise zu verbessern und auch auszubauen, müsse zudem dringend über Finanzquellen nachgedacht werden.

Kritische Fragen zur Öffentlichkeitsarbeit

Eine gewisse Unzufriedenheit wurde beim Thema Öffentlichkeitsarbeit laut. Weshalb findet die Gegenöffentlichkeit der Kampagne so wenig Resonanz? Überregionale Medien wie der "Spiegel" und "Die Zeit" berichten zwar kritisch über die intransparente Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung, und es gibt auch vereinzelt direkte Kontakte zu den genannten Zeitungen, erwähnt werde die Kampagne Aufschrei jedoch mit keinem Wort. Allein die regionale Presse informiert durchaus über lokale Aktionen und wie in Heidelberg in einem Bericht über einen Grässlin-Vortrag sogar über den örtlichen Zulieferbetrieb für die Drohnenproduktion "Rockwell Collins", getitelt mit "Der Tod ist ein Meister auch aus Heidelberg".

Aber weshalb befassen sich JournalistInnen nicht mit differenzierten Fakten zu den Rüstungsexporten, die die Kampagne in vielgestaltigen Veröffentlichungen und Aktionen verbreitet, wo doch "der Teufel im Detail liegt"?! Es ist das komplexe Zahlenwerk, das allein schon verwirre und zudem das Befassen damit Zeit koste, so die Einschätzung von Otfried Nassauer nach einem zahlenreichen differenzierten Vortrag von Jürgen Grässlin.

Die Idee: Eine Kurzfassung als Flyer müsse her, die die Rüstungsexportpolitik in verständlichen Zahlen auf den Punkt bringe und skandalisiere. Ein nächstes wesentliches Ziel müsse es sein, eine breite politische Diskussion anzustoßen. Zudem sei es dringend geboten, eine aktualisierte kurze Argumentationshilfe zu erstellen.

Die Kampagne geht weiter!

Die bisher sehr auf die Grundgesetzänderung ausgerichtete Kampagne soll beibehalten, jedoch nicht mehr mit einer Unterschriftenliste ins Zentrum gestellt werden. Transparenz und die Abschaffung des Bundessicherheitsrats werden die zukünftigen Themen der Kampagne sein sowie eine neue Unterschriftenliste. Paul Russmann von Ohne Rüstung Leben appellierte, stärker zu personalisieren und mit Bildern zu emotionalisieren.

Mit ihrer bebilderten One-Bullet-Story "Was kostet eine Kugel?" gab Sabine Farrouh, IPPNW, eine Antwort darauf. Kurz und präzise schilderte sie exemplarisch die Geschichte eines afrikanischen Jungen, der durch eine Schusswunde schwer verletzt wurde. Sie zeigte, dass für den Preis der Behandlung eine sechsköpfige Familie in Kenia sich zehn Jahre lang mit Grundnahrungsmittel versorgen könnte.

Der Autor des "Schwarzbuch Waffenhandel", Jürgen Grässlin, appellierte, ebenso die Täter nicht außen vor zu lassen. Der bisherige Slogan "Den Opfern eine Stimme geben, den Tätern ein Gesicht" wird also weiterhin Bestand haben. Auch die Auftritte auf den Aktionärsversammlungen sollen fortgesetzt und erweitert werden, ebenso "Belagerungen" der Rüstungskonzerne wie auch die Skandalisierung ihrer Produktion. Rückenwind wird die Kampagne Aufschrei auch Mitte 2014 mit dem Strafgerichtsprozess gegen Heckler & Koch wegen illegaler Waffenlieferungen an mexikanische Unruheprovinzen bekommen.

Zu überlegen seien weitere juristische Schritte gegen Waffenproduzenten, doch sie könnten kostspielig sein. Wie geht sie weiter? Dass die Rüstungsexporte im Koalitionsvertrag überhaupt thematisiert wurden, so ein Resümee der Tagung, könne durchaus als ein Ergebnis der zweijährigen Öffentlichkeitsarbeit der Kampagne Aufschrei interpretiert werden. Dennoch: Die Öffentlichkeits- wie auch die Medienarbeit müsse intensiviert werden. Der nächste medienwirksame Aktionstag ist der 26. Februar um 11 Uhr in Berlin, an dem die bisher gesammelten ca. 90.000 Unterschriften in Gesprächen mit Abgeordneten des Deutschen Bundestags überreicht werden. Mit dem Motto "Rüstung tötet auch im Frieden!" werden sich hundert Menschen mit einer Leo-Panzer-Attrappe vor dem Reichstag zu einem Kreuz aufstellen.

Bilder schaffen für Medien.

Weitere klassische Aktionsformen wie Internetauftritte, bundesweite Aktionstage, lokale Aktionen, symbolische Orte für Aktionen Zivilen Ungehorsams, wie z.B. vor der EADS am Bodensee oder der BAfA in Eschborn oder kurzfristige Flashmob-Aktionen stehen im Ideenkatalog wie auch ein Rüstungsexporte-Tribunal. Überdies wird die Kombination "Lobbyarbeit-begleitende Aktionen" ein sinnvoller Mosaikstein in der Kampagne bleiben, um den Druck auf die Politik zu erhöhen.

Doch wo bleibt bei allen Aktivitäten die junge Generation? Hat sie eventuell nur Karriere im Kopf, bei der das mittlerweile verschulte Studium eine Rolle spielt? Sollen weiterhin nur "bemooste Karpfen" (Grottian) die Aktionen tragen? Keine ganz neuen Fragen. Aber eine Herausforderung an die AkteurInnen der Kampagne Aufschrei, möglichst bald eine Antwort zu finden.

Mitbedacht werden sollten zukünftig ebenso die in der Aktion oft vernachlässigten Konzepte der Zivilen Konfliktbearbeitung, die konkrete Alternative zum militärischen Konfliktaustrag. Um die Basis zu verbreitern, soll außerdem der Kontakt zu anderen Menschenrechtsorganisationen verstärkt und der Blick auf die EU und die internationale Ebene geschärft werden.

Ein Zeitstrahl mit einer großen Sammlung von bereits bestehenden und noch zu organisierenden Terminen im kommenden Halbjahr erbrachte den Beweis, dass die Planung einer Arbeitskonferenz im Herbst 2014 der richtige Zeitpunkt sei: zur Priorisierung der vielfältigen Aktionsideen, der Konkretisierung von Zielen und Einbindung weiterer Trägerorganisationen in die Kampagne. Nicht vergessen werden sollte, so eine Stimme aus dem Publikum, trotz des ernsten Themas auch an Aktionen zu denken, bei denen man / frau auch lachen kann!

26 Forderungen, die sicherlich die Grundlage für die Ziele der nächsten Kampagnenphase bilden werden, wurden schließlich zusammengetragen und priorisiert. Die meisten Stimmen erhielten das Verbot des Kleinwaffenexports und die Abschaffung des Bundessicherheitsrates. Die politische Zielsetzung wird letztlich das Trägerkreistreffen am 15. Januar 2014 entscheiden.

Mehr Informationen unter:
http://www.aufschrei-waffenhandel.de, http://www.ippnw.de, http://www.tdh.de/was-wir-tun/themen-a-z/kindersoldaten.html



Renate Wanie ist freie Mitarbeiterin der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden, eine der SprecherInnen der Kooperation für den Frieden und aktiv im Heidelberger Bündnis "Stoppt den Waffenhandel!".

E-Mail: renate (Punkt) wanie (at) web (Punkt) de
 voriger

 nächster




       


Bereich:

FriedensForum
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
        
Netzwerk  Themen   Termine   AktuellesHome