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Erstellt:
September 1998


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FriedensForum 5/1998


Do-it-yourself-Inspektion

Charles Lenchner

Während der Golfkrise letzten Winter waren die Vereinigten Staaten bereit, den Irak zu bombardieren, um das Recht der UN-Kontroll-Teams zur Inspektion von Gegenden durchzusetzen, in denen man Waffen zur Massenzerstörung vermutete; und während derselben Krise hat die Regierung von Israel - konkreter als je zuvor - erwogen, Israels Atomarsenal einzusetzen, wenn ein Krieg ausbrechen sollte. Kurz nachdem die Krise beendet war und die Inspektions-Teams ihre Arbeit im Irak wieder aufgenommen hatten, bildete eine Gruppe von israelischen Friedens-, Anti-Atom- und Umweltaktivisten selbst ein Israeli-Citizen`s Verification Team (ICVT: Israelische Bürger-Kontroll-Team)

Die Gruppe informierte im voraus die Polizei über ihre beabsichtigte Inspektion. In weit verbreiteten Pressemitteilungen erklärte die ICVT, daß Entwicklung, Produktion und Stationierung von Atomwaffen nicht nur eine Verletzung des Völkerrechts seien, sondern auch eine Bedrohung des menschlichen Lebens und der Umwelt - das berechtige die Mitglieder des Teams, Berichte über solch eine Tätigkeit in Israel auf ihre Wahrheit zu überprüfen. Darum beabsichtige die Gruppe den Ort zu inspizieren, wo, nach verschiedenen Publikationen in der ausländischen Presse, die israelischen Luftstreitkräfte Atomraketen stationiert hätten, nämlich im Ela-Tal, westlich von Jerusalem.



Am Nachmittag des 4. April machten wir uns von Jerusalem aus auf den Weg - wir, d.h. eine Anzahl von Privatwagen mit Mitgliedern des Vanunu-Komitees, "Atom-Ausposaunern", der jungen Komunistischen Liga und einigen nicht organisierten Einzelpersonen. In einiger Entfernung von dem Stützpunkt waren drei Polizeiwagen geparkt, ganz verdächtig, an einem so verschlafenen Wochenend-Nachmittag auf dem Land - aber sie machten keine Anstalten, uns den Weg zu versperren.

 zum AnfangWir gelangten unbehindert an das verschlossene Tor des Stützpunkts - ein weißer Fleck selbst auf den genauesten Karten, die in Israel veröffentlicht werden, zwischen den kleinen Gemeinden Revadim, Kfar Menachem und Zachariya. Der Haupteingang liegt am Ende einer kurzen Zufahrtsstraße, - die auch zu einem Naturschutzgebiet führt, in dem Touristen Rast einlegen können. Anders als sonst bei den israelischen Militärstützpunkten befindet sich an dem Tor kein Willkommens-Schild mit dem Namen des Stützpunktes - doch einem zufälligen Gespräch mit unserem Taxi-Fahrer konnten wir entnehmmen, daß der Name "Egozi Air Forces Base" der Lokalbevölkerung wohlbekannt ist.

Ein Mitglied unseres Teams hatte einen Geigerzähler mitgebracht, um die Strahlungsstärke in der Umgebung zu prüfen. Während die Ablesungen zwischen 17.00 und 70.00 schwankten, wurde es offensichtlich, daß die Angaben, die in Jerusalem gemacht wurden (0.17) um mehr als das Hundertfache überschritten wurden. Ich und Smadar, der den Geigerzähler hielt, näherten uns dem Tor, um mit der Wache zu sprechen. Wir zeigten dem Soldaten, der uns sagte, er sei ein Reservist, die Strahlungswerte, die wir ablasen. Er war überrascht und interessiert. Wir baten, den kommandierenden Offizier sprechen zu dürfen und unsere Forderung anzubringen, nämlich, daß unser Team hineingehen und die Gerüchte von einer Stationierung von Atomwaffen an diesem Ort überprüfen wolle.

Als die Wache fragte, was wir tun würden, wenn wir hinein dürften, sagte ich ihnen, wir wollten Notizen für die Vereinten Nationen und andere internationale Organisationen machen, so wie die Inspektionsteams im Irak. Ich erklärte auch, wir hielten es für notwendig, daß Israel die Atomwaffen aufgäbe und damit die Gefahr abwende, daß ein Atomkrieg die ganze Region zerstören könne. Die anderen Mitglieder des Teams stellten sich dem Tor gegenüber auf - um den Verkehr zu blockieren - der um diese Zeit allerdings nicht stark war. Sie hielten Plakate und Spruchbänder hoch und forderten die atomare Abrüstung, eine öffentliche Debatte über Israels Atompolitik und die Freilassung Mordechai Vanuns.

Der diensthabende Offizier kam und fragte, was wir wollten. Ich sagte ihm, daß Atomwaffen unterschiedslos töten, alles Leben in einem bestimmten Umkreis zerstören und die Umgebung auf Dauer schädigen - und daß, sollten die Waffen, deren Existenz wir auf dem Stützpunkt vermuteten, je eingesetzt werden, könne er persönlich wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden. Ich erinnerte ihn daran, daß es vor dem humanitären Völkerrecht nicht legitim sei, "nur den Befehlen folge zu leisten", und daß das bei der Verteidigung nicht ausreiche. Schließlich bemerkte ich noch, daß selbst wenn diese Waffen nie absichtlich angewandt werden, ein Unfall auf dem Stützpunkt doch eine ernste Gefahr für dieses Gebiet sei, für die Soldaten, die dort dienen ebenso wie für die Bewohner der umgebenden Gemeinden, die nie von der Regierung beraten oder informiert worden seien. Seine sofortige Reaktion war: "Sie haben keine Ahnung, was hier geschieht und es geht Sie auch gar nichts an!"

 zum AnfangEr weigerte sich, unseren Brief mit dem Titel `Eine Warnung an alle, die den Atomtod in ihren Händen halten` anzunehmen und informierte uns, daß die Polizei gerufen worden sei. Diese hatte es jedoch nicht eilig. Obwohl wir sie um die Ecke hatten warten sehen, dauerte es eine Stunde, bis sie auf der Bildfläche erschien - und selbst dann kam nur eines von den Polizeifahrzeugen. Und die beiden Polizeibeamten, die darin saßen, hatten offensichtlich nicht die Anweisung, irgendeinen von uns festzunehmen. Es waren Leute aus der Gegend, die ganz interessiert und ein wenig betroffen waren, als wir ihnen zeigten, was wir mit dem Geigerzähler herausgefunden hatten.

Der diensthabende Offizier des Stützpunktes war offensichtlich frustriert, weil die Polizisten keinerlei Aggressivität zeigten. Er beschuldigte einen von uns - einen amerikanischen Touristen, der sich in letzter Minute angeschlossen hatte - weil er den Stützpunkt fotographiert hatte. Die Polizei war drauf und dran, "ihre Pflicht zu erfüllen" und ihn festzunehmen - aber unser freundlicher Taxichauffeur, der auf der Seite zugeschaut hatte, griff plötzlich ein, protestierte und überzeugte die Polizei, daß es doch genüge, die persönlichen Daten des Touristen aufzuschreiben. (In Wirklichleit hatte der Offizier vom Dienst sich geirrt, die Aufnahmen waren von einem anderen Mitglied unsere Gruppe gemacht worden.)

Die Hauptaktion der Behörden gegen uns geschah weit weg von dieser Stelle: Wir hörten von freundlichen Journalisten, die Militärzensur habe den israelischen gedruckten und elektronischen Medien schon vorher verboten, irgend etwas über unsere Aktion zu veröffentlichen. Natürlich kann die Zensur nicht verhindern, daß israelische Zeitungen die Auslandspresse zitieren, wenn diese über unsere Aktion und Entdeckungen berichtet - doch zunächst erreichten keinerlei Nachrichten über unsere Aktion die Öffentlichkeit Israels.

Der nächste Schritt wird sein, die Bewohner der umliegenden Gemeinden wegen der abnormal hohen Strahlungsdaten wachzurütteln und zu versuchen, einige von ihnen zu unserer nächsten Inspektion dieses Stützpunktes mitzunehmen.

Quelle: The Other Israel, Nr. 83/84; Übersetzung: Heidi und Georg W. Schimpf

Adresse: The Other Israel, Adam Keller, P.O.B. 2542, Holon 58125, Israel, Tel./Fax: +972/3/5565804, e-mail: otherisr@actcom.co.il; http:// members.tripod.com/~other_israel/

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