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vom:
06.12.1999


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FF 6/99 "Kultur des Friedens":

  SP: "Kultur des Friedens"

Schritte einer Kultur des Friedens - Rückblick auf 11 Jahre Engagement für die Umsetzung einer revolutionären Idee

"Kultur ist das Vergnügen, die Welt zu verändern" Bertolt Brecht

Heike Hänsel

"Aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu lernen, heißt, die zerstörerische Idee des Krieges aus den Köpfen der Menschen weltweit zu verbannen, damit die Idee einer ´Kultur des Friedens` Raum in ihrem Bewusstsein finden kann. ´Kultur des Friedens` bedeutet: Gegenentwurf zu einer Welt mit Krieg, Hunger, Hass, Ausbeutung, Zerstörung der Natur und der menschlichen Persönlichkeit." So steht es im Aufruf zum 1. Internationalen Kongress "Kultur des Friedens", der vom 6.-8. Mai 1988 in Tübingen stattfand.


Auf die Herausforderung, die Idee einer "Kultur des Friedens" mit Inhalt zu füllen, reagierten damals zahlreiche bekannte KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen: Tschingis Aitmatov, Christa Wolf, Mikis Theodorakis, Karola Bloch, Walter Jens, Robert Jungk, Hans-Peter Dürr, Jakob Uexküll und viele mehr. Angesichts der atomaren Bedrohung der Menschheit im 20. Jahrhundert, die nur durch gemeinsame Anstrengungen über die Grenzen von Nationalität, Hautfarbe, Beruf, Ideologie und Religion hinweg bewältigt werden können, setzten die über 1.000 KongressteilnehmerInnen darauf, dass ein friedlicher offener Dialog neue, ebenso verbindende wie verbindliche Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit ermöglicht. In der Besinnung auf die Wurzeln einer Kultur des Friedens in der Geschichte der Menschheit und auf die eigenen schöpferischen Kräfte, stellten sie dem Zerstörungswirken in Politik, Militär und Gesellschaft die konkrete Utopie einer menschenfreundlichen Welt entgegen. Die entscheidenden Ansatzpunkte ihrer Friedensentwürfe sahen sie in der Entmilitarisierung des gesellschaftlichen Denkens und Handelns, der Überwindung der politischen und ideologischen Spannungen zwischen Ost und West sowie der ökonomischen Ausbeutung zwischen Nord und Süd.

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Der Begriff "Kultur des Friedens" entstand zu einer Zeit, als der Kalte Krieg seinen Höhepunkt erreicht hatte und ein Atomkrieg in Europa möglich schien. Weite Teile der Bevölkerung engagierten sich gegen eine Stationierung von Pershing- und SS20-Raketen in Europa. Der Theodorakis-Chor, als "kultureller Vorläufer" der heutigen Gesellschaft Kultur des Friedens, nahm bundes- und europaweit an zahllosen Demonstrationen und Aktionen der Friedensbewegung teil. Aus diesem kulturellen Engagement gegen die Raketen entwickelte sich zunehmend das Engagement für eine Friedenskultur. Das Bedürfnis nach einem neuen Gegenentwurf, der alle Lebensbereiche der Menschen umfasst, führte im Laufe der Zeit zu dem Begriff "Kultur des Friedens". Damit war nicht nur sprachlich, sondern auch gedanklich ein qualitativer Sprung vollzogen worden, mit dem Anspruch auf eine Gesellschaft, die Probleme und Konflikte auf nationaler und internationaler Ebene nicht nach dem herkömmlichen Muster von Siegern und Verlierern löst. Das heißt, die Anstrengungen auf die Entwicklung einer Lebenskultur auszurichten, die kulturelle Inhalte erarbeitet, an denen Menschen reifen und lernen, Probleme menschlich bzw. politisch zu lösen.

Um der Idee einer "Kultur des Friedens" sowohl in weiterem Gespräch als auch in konkreten praktischen Schritten Gestalt zu verleihen, wurde auf dem Kongress die Gesellschaft "Kultur des Friedens" (GKF) gegründet. Ihr Emblem bildet als "Symbol für das friedliche und solidarische Zusammenleben der Völker und Menschen" ein Motiv von Picasso. Als zentraler Auftrag der Organisation wurde formuliert:

-durch Diskussionen, Vorträge und Kongresse die Ursachen von Gewalt aufdecken und sie überwinden helfen

-Brücken zu schlagen bei gesellschaftlichen Spannungen, um beizutragen, Konflikte zivil zu bearbeiten

-durch internationale Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wissenschaft, Kultur, Kunst, Publizistik und des Sports, die Idee einer Kultur des Friedens weltweit zu entwickeln und zu fördern.

Der Kongress endete mit einer Friedensproklamation auf dem Tübinger Marktplatz, die die Regierungen aufforderte, den 8. Mai, den Jahrestag des Kriegsendes 1945 und der Befreiung vom Faschismus, als Internationalen Friedenstag einzuführen. In den folgenden Jahren war dieser Tag für die GKF stets Anlass, die jeweils aktuelle politische und gesellschaftliche Situation von ihrem Gründungsverständnis her kritisch zu beleuchten sowie alternative Handlungsmöglichkeiten vorzustellen und umzusetzen.

"Ich wünsche mir, dass der Begriff "Kultur des Friedens" im Gespräch bleibt, dass er eine Denk- und Handlungsbewegung wird, dass viele über ihn nachdenken, dass noch viele Menschen unter diesem Begriff, der vieles in sich trägt, zusammentreffen werden, ohne dass er zum Schlagwort verkommt." (Christa Wolf, 1988 in Tübingen.)

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Seitdem organisierte und beteiligte sich die GKF an zahlreichen Projekten und Veranstaltungen, so u.a. an internationalen Kulturtreffen gegen Diktatur und Gewalt in Chile (1988) und Kolumbien (1989), Friedenscamps im Irak (1990/91), am internationalen Tribunal zum Golfkrieg mit Ramsey Clark (1991/92), verschiedenen Friedenskarawanen und Märschen ins ehem. Jugoslawien vor, während und nach dem Krieg (1991-1994), Konzert mit Mikis Theodorakis zum 50. Jahrestag des Kriegsendes für Friedenssender in Bosnien (8. Mai 1995). Schwerpunkt der Friedensarbeit seit 5 Jahren ist die Entwicklung einer "kommunalen Außenpolitik" mit Städtepartnerschaften im ehem. Jugoslawien, u.a. mit der bosnischen Stadt Tuzla, sowie Unterstützung unabhängiger Medien und Friedensgruppen in der Region.

Seit 1995 arbeitet die GKF zusammen mit dem Culture of Peace Programm der UNESCO und ihrem Generaldirektor Federico Mayor, der die Kultur des Friedens seit Anfang der 90er Jahre innerhalb der UN-Organisation weiterentwickelt. Mit Konzerten und Unterschriftsaktionen unterstützt die GKF Mayor`s Idee eines "Menschenrechts auf Frieden", das von mehreren nationalen UNESCO-Kommissionen (u.a. auch der deutschen) bisher vehement abgelehnt wird.

Die Vereinten Nationen haben auf ihrer 50. Generalversammlung im November 1997 beschlossen, das Jahr 2000 als "Internationales Jahr für die Kultur des Friedens und die Gewaltfreiheit" anzugehen. Die Anfänge dafür wurden auch in Tübingen gemacht.

Aktionen im Jahr 2000:
8. Mai 2000, Stuttgart: Konzert für ein Menschenrecht auf Frieden, mit KünstlerInnen aus allen Kontinenten, 55 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs.

Juli/August 2000, Balkan: "Solar for Peace-Tour" durch Bosnien und Jugoslawien u.a. mit Veranstaltungen in Tuzla, Sarajevo, Mostar, Banja Luka und Belgrad. Von uns zum Solarteur ausgebildete Flüchtlinge beginnen mit Solarprojekten (Ausbildung und Produktion). Über die Anwendung und Weiterentwicklung der regenerativen Energien soll ein Informationsaustausch zwischen Universitäten, Schulen, Handwerk in diesen Städten ermöglicht werden und dazu beitragen, sowohl die katastrophale Energiesituation zu verbessern als auch ethnische Grenzen zu überwinden.

Weitere Informationen bei: Gesellschaft "Kultur des Friedens", Am Lustnauer Tor 4, 72074 Tübingen, Tel. 07071/52200, Fax 07071/24905, e-mail: Culture_ofpeace@GAIA.de

IdeenträgerInnen: Tschingis Aitmatov, Franz Alt, Selim Beslagic, Karola Bloch, Karlheinz Böhm, Ramsey Clark, Hans-Peter Dürr, Maria Farantouri, Johan Galtung, Walter Jens, Robert Jungk, Felicia Langer, Zülfü Livaneli, Rigoberta Menchu, Nino Pasti, Anthony Quinn, Carmen Gloria Quintana, Giuseppe Santomaso, Hermann Scheer, Elmar Schmähling, Mercedes Sosa, Mikis Theodorakis, Jakob, Uexküll, George Wald, Christa Wolf .

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Heike Hänsel arbeitet bei der Gesellschaft "Kultur des Friedens" in Tübingen

E-Mail:  culture-ofpeace@gaia.de
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