Komitee für Grundrechte
und Demokratie



Andreas Buro wird 75


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Andreas Buro wird 75

 

Andreas Buro -
Wissenschaftler und Bewegungsaktivist

Volker Böge

Persönlich erlebt habe ich Andreas zum ersten Mal bei einer kleinen Tagung im Sommer 1981 in Frankfurt. Die Friedenspolitische Arbeitsgruppe des Komitees für Grundrechte und Demokratie hatte eingeladen, über "Alternative Sicherheitspolitik" zu diskutieren. Grundlage hierfür waren jene Texte, die dann im rororo-Band "Frieden mit anderen Waffen. Fünf Vorschläge zu einer alternativen Sicherheitspolitik, hg. vom Komitee für Grundrechte und Demokratie", veröffentlicht wurden.



Andreas war insbesondere für die Alternativoption "Strikte Defensivverteidigung" zuständig. In seinen Debattenbeiträgen auf dieser Tagung ebenso wie in seinem Engagement für diese spezielle Option wurden Grundelemente eines politischen Konzepts deutlich, die ich bei Andreas dann auch in der Zukunft konsequent durchgehalten gefunden habe: Eine klare Orientierung an den Zielen Frieden, Abrüstung und Gewaltfreiheit, kombiniert mit pragmatischen Überlegungen zu Übergangsschritten auf dem Weg zu diesen Zielen, die an bestehendes Bewusstsein bei den zu gewinnenden Menschen anknüpfen, ausgehend von der Einsicht, dass Veränderungen in Richtung auf die Ziele soziale Lernprozesse erfordern. Mit anderen Worten: Andreas ist ein analytisch scharfer, zugleich prinzipienklarer Stratege und Taktiker von Friedenspolitik. Damit war und ist er eine Ausnahmeerscheinung in dieser Zeit und in diesem Land. Kluge Analysen und Kritiken der unter menschenrechtlich-demokratisch-friedenspolitisch elenden bestehenden Verhältnisse konnten zu Zeiten des rororo-Bandes Anfang der 80er Jahre und können auch heute Andere ebenfalls bieten; hehre Ziele einer friedlich-menschenrechtlich heilen Welt können auch Andere ausmalen - aber Vorschläge für die strategische und taktische Vermittlung zwischen Analyse und Zielen zu machen: das ist die besondere Stärke des Andreas Buro. Sie rührt daraus, dass er in die Analyse der gesellschaftlichen und politischen Strukturen immer auch den "subjektiven Faktor", das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger, die in diesen Strukturen leben und sie mit prägen, einbezieht und nach den Ansatzpunkten sucht, um dieses Bewusstsein - und damit die Strukturen - zu verändern; daher legt er stets so großen Wert darauf, die Kritik des Bestehenden mit der Entwicklung von Alternativen zu verknüpfen, die als vernünftig und machbar nachvollziehbar sind. Und sie rührt daraus, dass erum die Langwierigkeit und Kompliziertheit von Prozessen der Bewusstseins- und Gesellschaftsveränderung weiß - und sich von diesem Wissen nicht entmutigen lässt. "Revolutionäre Ungeduld" ist seine Sache nicht, sondern ein langer, langer Atem - unendliche "revolutionäre Geduld" (und das nicht nur in den "großen" Fragen der Gesellschaftsveränderung, sondern auch im alltäglichen Umgang mit den Menschen). Diese Haltung stimmt zusammen mit einem Politikverständnis, das nicht darauf spekuliert, Einfluss oder gar "Macht" in den etablierten politischen Apparaten zu erringen, um in oder mit bestimmten politischen Parteien, mit der Regierung oder der parlamentarischen Opposition kurzfristig "Erfolge" einzustreichen, sondern das auf politische und soziale Lernprozesse "an der Basis" setzt. Diese konsequente Orientierung auf außerparlamentarische Opposition und soziale Bewegungen kennt gleichwohl keine "Berührungsängste", weder im Umgang mit den "Herrschenden" noch im Verkehr mit anders ausgerichteten Strömungen, Fraktionen, Spektren der sozialen Bewegungen. Andreas war und ist daher eine Integrationsfigur, sowohl im größeren Kontext der Friedensbewegung allgemein als auch in je spezifischen Bündnissen, Kampagnen, Projekten.

Und er integriert in seiner Person den Wissenschaftler und den Bewegungsaktivisten. Vor meiner ersten Begegnung mit Andreas auf jener Tagung im Sommer 1981 war mir sein Name nur "aus der Literatur" bekannt. Allerdings aus zwei Strängen von "Literatur". Zum einen aus dem Bereich der Politikwissenschaft und Friedensforschung, zum anderen aus den Spalten der Zeitschrift "links". Das machte mich neugierig: Ein Wissenschaftler, ein Professor gar, der sich zugleich politisch innerhalb der (undogmatischen, parteiungebundenen) Linken und der Friedensbewegung engagierte. Ich begann seinerzeit gerade mit meiner Arbeit in der Friedensforschung (am damals noch von Wolf Graf von Baudissin geleiteten Hamburger Friedensforschungsinstitut IFSH) und fing an, mich in der Friedensbewegung zu betätigen (bei der Hamburger Gruppe der Selbstorganisation der Zivildienstleistenden - SodZdL). Beides klaffte aber noch recht weit auseinander: Die Friedensforschung legte Wert auf ihre (von konservativen Kreisen heftig angefeindete) "akademische" Reputation und wahrte Distanz zur Friedensbewegung (zumal am IFSH, das der von Helmut Schmidt geführten SPD nahe stand). Die Friedensbewegung wiederum (so jedenfalls schien es mir zu jener Zeit) verfügte über nur unzureichenden Sachverstand, verlor sich einerseits in (zu) weit reichenden utopistischen Zielvorstellungen und andererseits (zu) kurz greifenden punktuellen tagespolitischen Forderungen (gegen "Nachrüstung"). Andreas Buro aber verkörperte in seiner Person die Verbindung von Friedensforschung und Friedensbewegung - eine mich faszinierende Perspektive: die Forschung begibt sich in das Getümmel der politischen Auseinandersetzung, die Bewegung "munitioniert" sich mit den Erkenntnissen, Analysen und Konzepten der Forschung.

Andreas als personifizierte Symbiose von Friedensforschung und Friedensbewegung war eine Schlüsselfigur der "neuen"Friedensbewegung der 80er Jahre. Analytisch-kritisch und konzeptionell arbeitend gab er der Bewegung argumentativen Grund und fundierte Perspektiven, trug damit dazu bei, dass sie über bloße Empörung und tagespolitische Bornierung hinaus fand, als Stratege und Taktiker trug er dazu bei, dass die Bewegung - trotz aller Differenzen zwischen den verschiedenen "Strömungen" - zum einen als einheitliche Bewegung handlungsfähig wurde und zum anderen ihre Buntheit und Vielfältigkeitbewahrte. Und er sorgte für Kontinuität über den Niedergang der Friedensbewegung am Ende der 80er Jahre hinaus. Er lehrte mich (und viele andere), über platte Kategorien von "Sieg" und "Niederlage" hinaus zu denken, Erfolge nicht an der Zahl von Demonstrierenden zu messen, sondern auf die sozialen Lernprozesse zu achten und zu setzen, die Wellenbewegungen sozialer Bewegungen in Rechnung zu stellen - und er lehrte die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung bewusster und organisationsfähiger Bewegungs-Kerne auch in Zeiten bewegungspolitischer "Flaute". Bis heute ist er selbst im Sinne dieser Lehren aktiv. Seine Analyse und Kritik herrschender Sicherheits- und Militärpolitik, in jüngster Zeit insbesondere der beschleunigten Militarisierung der EU, seine konzeptionellen Überlegungen zur Zivilen Konfliktbearbeitung als Alternative zu militärgestützter, notwendig gewalthaltiger (Un-)Sicherheitspolitik, seine Vorträge zu friedenspolitischen Themen sowohl auf bundesweiten Kongressen als auch bei lokalen Friedensgruppen, sein internationalistisches Engagement (in Sachen Türkei/Kurdistan und anderswo) und sein integratives Wirken in verschiedenen institutionellen Zusammenhängen der Friedensbewegung weisen ihn immer noch als den Forscher, Lehrer, Aktivisten aus, als den ich ihn vor mehr als zwanzig Jahren kennen gelernt habe. Ich bin froh, dass ich in diesen Jahren so viel von ihm lernen durfte, dass ich mit ihm zusammen arbeitendurfte, dass wir bei vielen Gelegenheiten politisch und privat eine gute Zeit miteinander hatten. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass mich Andreas Ende der 80er Jahre für das Komitee für Grundrechte und Demokratie gekeilt hat. Seither ziehen wir dort an einem Strang, ich mittlerweile in einer Funktion, die Andreas jahrelang inne hatte, und Andreas als friedenspolitischer Sprecher des Komitees. Aber nicht nur, dass Andreas diese Funktion als friedenspolitischer Sprecher mit absoluter Zuverlässigkeit, unendlich reicher Erfahrung und schlafwandlerisch sicherem Gespür für das friedenspolitisch Notwendige und Angemessene Tag für Tag ausfüllt: vielmehr stellt er darüber hinaus seine integrativen Fähigkeiten dem Komitee insgesamt zur Verfügung und trägt damit maßgeblich dazu bei, den "Laden" zusammen zu halten und voran zu bringen. Mein Wunsch: Das möge noch sehr lange so bleiben.



E-Mail: voboege@uni-duisburg.de

Website: inef.uni-duisburg.de/page/Mitarbeiter_Main.php?name=vboege
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