Komitee für Grundrechte
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vom:
Juni 2003


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Brief zu "legal teams"

Elke Steven

An die Teilnehmer und Teilnehmerinnen
der Konferenz "Europa - Raum von Freiheit,
Sicherheit und Recht?",
am 27. Juni 2003 in Berlin
insbesondere die TeilnehmerInnen der Arbeitsgruppe
"Repression gegen Globalisierungsgegner"

Liebe Interessierte an "legal teams"

Die von Silke Studzinsky geführte Podiumsbefragung hat ganz hervorragend die verschiedenen Funktionen, Rollen und Perspektiven im Kontext der Arbeit von legal teams herausgearbeitet. Aufgrund unserer Erfahrung in einem Teilbereich auf nationaler Ebene, nämlich der Demonstrationsbeobachtung, die auf internationaler Ebene unseres Erachtens in den Kontext der legal teams gehört, möchten wir uns auf diesem Wege an der Diskussion um die Aufgabenbeschreibung und -teilung beteiligen bzw. diese fortführen.

Unseres Erachtens sollten die unterschiedlichen Funktionen, Rollen und Perspektiven, die alle sinnvoll und notwendig sind, in ihren Aufgabenbeschreibungen getrennt, aber unter dem "Dach" derlegal teams vereint werden. Kurz kann diese Trennung an Beispielen verdeutlicht werden. Wer die rechtlichen Interessen einzelner Demonstrierender vertritt, kann nicht gleichzeitig das gesamte Geschehen und die polizeiliche Strategie beobachten. Wer den Umgang mit dem Recht auf Versammlungsfreiheit beobachten will und hierzu "beide Seiten", also Demonstrierende und Polizei, beobachtet, kann nicht gleichzeitig das Recht einzelner Demonstrierender einklagen.

Sehr differenzierthaben sich diese unterschiedlichen Perspektiven bei den Protesten im Wendland gegen die Castortransporte eingespielt. Über viele Jahre bzw. Jahrzehnte haben sich bei dem dortigen Protest Rollenteilungen durchgesetzt, wobei die verschiedenen Gruppen gleichzeitig eng zusammenarbeiten. Sicherlich ist dieser überschaubare Rahmen nicht einfach auf internationale Ebene zu übertragen, aber manches kann zur Klärung dienlich sein.



Der Ermittlungsausschuss steht den Trägern des Protestes nahe, sammelt Informationen zu polizeilichen Eingriffen und begleitet anschließende Verfahren.



Rechtsanwälte arbeiten mit und in dem Ermittlungsausschuss. Darüber hinaus vertreten sie die Organisierenden des Protestes einerseits bei Klagen gegen Demonstrationsverbote, andererseits unmittelbar diejenigen, die während des Protestes in Gewahrsam genommen werden. Des weiteren machen sie im Vorfeld auf den geplanten politisch-polizeilichen Umgang mit dem Protest aufmerksam, indem sie beispielsweise die Gefangenensammellager untersuchen.



Die Beobachter nehmen eher eine nicht-eingreifende Rolle ein. Die dem Protest vorausgehenden Vorgänge, die politisch-polizeilichen Ankündigungen zum erwarteten Protest, die schon im Vorfeld absehbaren Einschränkungen des Versammlungsrechts und die nach den Protestveranstaltungen anhebenden Verarbeitungen der Geschehnisse gehören hierzu ebenso wie die genaue Beobachtung der Vorgänge an vielen Orten mit entsprechend vielen BeobachterInnen. Es geht hier auch darum, die Formen der Eskalation von Gewalt, die häufig genug von der Polizei ausgeht, zu beschreiben. Zu diesem Konzept gehört es jedoch auch, die Verhaltensweisen der Protestierenden nüchtern und sachlich zu beschreiben. Die öffentliche Aufklärung über die tatsächlichen Vorkommnisse ist ein wesentliches Ziel, nicht aber unbedingt die schnelle Kommentierung aller Vorfälle.



Die internationalen Beobachter legen einen Schwerpunkt auf die Beobachtung internationaler Rechtsverletzungen und auf eine internationale Öffentlichkeitsarbeit im Nachhinein.



Eine Gruppe von Pastoren bemüht sich um die Vermittlung zwischen Polizei und Demonstrierenden. Vor einer juristischen/rechtsanwaltlichen Verhandlung versuchen sie, Verständnis für die Interessen der Demonstrierenden bei der Polizei zu erreichen und Situationen zu entschärfen.



In den Alternativmedien (vor allem indymedia, aber auch andere) wird schnell über Aktionen berichtet. Dies geschieht häufig aus der Perspektive der Protestierenden.


All diese Tätigkeiten zeichnen sich durch eine unterschiedliche Nähe zu den Demonstrierenden aus, wobei die Beteiligten eben nicht Teil der Demonstrierenden sind. Auch die legal teams sollten entsprechend nicht Teil der Proteststruktur sein, sondern eine Gruppe bilden, die von außen die Rechte der Demonstrierenden schützt.

Notwendig ist hierzu sowohl die Vertretung der Rechte Einzelner (etwa bei Ein- oder Ausreiseverboten) als auch die Vertretung der Rechte der Organisatoren (etwa bei Demonstrationsverboten, Einkesselungen etc.). Weiterhin ist die Beobachtung der Vorgänge sowohl unter juristischen Kategorien (wer war vermummt oder nicht, wie viele Aufforderungen zur Auflösung von Versammlungen hat es gegeben ...) als auch unter einer politischen Perspektive notwendig.

Während diejenigen, die die Rechte Betroffener vertreten wollen, eher kein Interesse anPressearbeit haben, werden diejenigen, die die Vorgänge und Eskalationen beobachten, ein Interesse daran haben, die von den Medien übermittelten Darstellungen zu korrigieren und ein anderes Bild zu vermitteln.

Die Protestierenden sollen in erster Linie selbst zu Wort kommen, ihre Interessen vertreten und ihr inhaltliches Anliegen öffentlich machen können. Die legal teams wollen und sollen keine Stellvertreterrolle übernehmen. Sie müssen - leider - eine Frage thematisieren, um die es inhaltlich eigentlich nicht gehen sollte, nämlich die unrechtmäßige Einschränkung des Versammlungsrechts (und weiterer (Grund)rechte). Im Zweifelsfall sollten sie eher helfen, den Rahmen zu schaffen, in dem die Protestierenden wieder selbst zu Wort kommen können. Jedoch werden die einen als Anwälte bei Rechtsverletzungen eingreifen und gegebenenfalls Betroffene juristisch vertreten (Ausreiseverbote, Ingewahrsamnahmen), während andere die Vorgänge notieren, um ihre Beobachtungen für spätere Verfahren und für die Öffentlichkeitsarbeit einzubringen.

Enge Kooperation, der Rückgriff auf gemeinsame Informationen über nationale Gesetze und Tendenzen, eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit gegenüber Politik und Polizei und die gegenseitige Unterstützung und Weitergabe von Informationen wird die Arbeit aller Untergruppen erleichtern und fördern.

Wir sind sehr an einer Fortführung des Austausches über die Möglichkeiten der Zusammenarbeit interessiert und würden uns über Rückmeldungen, Widersprüche, Bedenken oder Zustimmungen freuen.

Mit freundlichen Grüßen
Elke Steven




E-Mail: elkesteven@grundrechtekomitee.de
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