Komitee für Grundrechte
und Demokratie



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TIONEN 2001


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INFORMATIONEN - Komitee-Rundbriefe 2001

 Informationen 2/2001 - Mai

Bundesverfassungsgericht setzt Schranken bei DNA-Feststellungen

In den INFORMATIONEN 5/2000 berichteten wir über die Komitee-Aktivitäten gegen das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz. Gemäß diesem Gesetz können DNA-Daten von ehemaligen Straftätern erfaßt werden, wenn von diesen angenommen wird, daß sie erneut eine schwere Straftat begehen werden. Das Komitee hatte einen ausführlichen Briefwechsel mit der Justizministerin geführt und nachgewiesen, daß das Gesetz routinemäßig angewendet wird, obwohl der Gesetzestext eine individuelle Gefahrenprognose vorschreibt. Obwohl das Bundesverfassungsgericht nun in zwei Entscheidungen unserer Kritik tendenziell recht gegeben hat, geht das routinemäßige Erfassen trotzdem weiter. Deshalb hat das Komitee nun einen Offenen Brief an alle Landesjustizministerien geschickt, den wir auszugsweise dokumentieren. Der vollständige Text und der Briefwechsel mit der Justizministerin können im Komitee-Büro angefordert werden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

erneut hat sich das Bundesverfassungsgericht gegen die Sammelwut der Justizbehörden hinsichtlich der DNA-Daten von ehemals verurteilten Straftätern gewandt (Az: 2 BvR 1841 / 00 u.a.; vom 15.3.2001; veröffentlicht am 6.4.2001). Bereits am 14.12.2000 hatte das Verfassungsgericht in seinem Urteil - Az.: 2 BvR 1741 / 99 - Maßstäbe aufgestellt, denen die bisherigen - meist amtsrichterlichen - Anordnungen zu DNA-Identitätsfeststellungen in der Regel nicht gerecht werden. Uns liegen Dutzende von solchen Anordnungen vor, die lediglich den entsprechenden Gesetzestext der Strafprozeßordnung zitieren oder zusätzlich nur die Straftat(en) des Betreffenden benennen.

Das Verfassungsgericht verlangt jedoch, eine einzelfallbezogene Prüfung und Prognosebeurteilung, ob neue Straftaten zu erwarten oder wahrscheinlich sind. Das Verfassungsgericht führte in seinem Beschluß vom 14.12.2000 aus, daß das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden dürfe. Das Übermaßverbot werde nur dann nicht verletzt, wenn die Maßnahme auf besondere Fälle beschränkt" bleibe. Das Verfassungsgericht verlangt eine auf bestimmte Tatsachen gestützte Prognose" für diese Fälle.

Wir fragen anläßlich dieser Verfassungsgerichtsbeschlüsse nun an, welche Maßnahmen Sie einzuleiten gedenken,



damit in Ihrem Land künftig keine DNA-Identitätsfeststellungen mehr ohne Individualprognose gemäß den Verfassungsgerichts-Kriterien vorgenommen werden,



damit rückwirkend DNA-Identitätsfeststellungsmuster, die aufgrund mangelhafter Individualprognose oder aufgrund von Freiwilligkeitserklärungen erhoben wurden, in der BKA-Datei wieder gelöscht werden?


Wir bitten um baldige Unterrichtung über die von Ihnen eingeleiteten Maßnahmen.

Der Bundesministerin der Justiz senden wir eine Kopie dieses Schreibens. Frau Herta Däubler-Gmelin hatte uns auf unseren Protest gegen die serienmäßig ungeprüften Vornahmen von DNA-Identitätsfeststellungen u.a. mitgeteilt: Sollte sich eine Rechtspraxis bei Entscheidungen zur DNA-Analyse verfestigen, die in Widerspruch zu den Intentionen des Gesetzgebers steht oder gar verfassungsrechtlich bedenklich erscheint, so wird das nicht hingenommen." (Schreiben vom 18.12.2000)

In diesem Zusammenhang verweisen wir noch einmal auf den expliziten Willen des Gesetzgebers. Als das DNA-Identitätsfeststellungs-Gesetz dem Parlament vorgelegt wurde, hieß es: Bei einer Quantifizierung ist zu berücksichtigen, daß es sich aus rechtlichen und praktischen Gründen nicht um eine Routinemaßnahme (Hv. v. Verf.) handeln wird." (BT-Drs. 13/10791, S. 2)

Das Gesetz sollte gerade keine deliktspezifische Anordnungsautomatik entfalten. Das geschieht nun jedoch in der Praxis. Allein an der Zahl der bislang in die BKA-Datei eingestellten Fälle (über 100.000 - eine Zahl, die der Gesetzgeber seinerzeitoffensichtlich für unmöglich hielt) ist diese gesezteswidrige und Art. 2 GG widersprechende Automatik ablesbar.



E-Mail: info@grundrechtekomitee.de
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