Komitee für Grundrechte
und Demokratie



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INFORMATIONEN - Rundbriefe 2002

 Informationen 1/2002 - 05. März

Gegen jedes Gesetz, das Einwanderung und Asyl menschen- und grundrechtlich diskriminiert

Theo Christiansen, Thomas Hohlfeld, Dirk Vogelsang

Anläßlich der Weigerung der Union, an den fraktionsübergreifenden Zuwanderungsgesprächen teilzunehmen, fordert das Komitee für Grundrechte und Demokratie, auf die Verabschiedung des so genannten Zuwanderungsgesetzes in dieser Legislaturperiode zu verzichten - sei es in der Form des vorliegenden, allein deutschen Wirtschaftsinteressen gehorchenden Kompromisses der rot-grünen Regierungskoalition, sei es in Form eines verschärften, die Forderungen der Unionsparteien einbeziehenden Entwurfes.

Derzeit ist zu befürchten, daß der vorliegende Gesetzesentwurf zum Zuwanderungsgesetz durch Vereinbarungen mit den Unionsparteien in zahlreichen Punkten verschärft wird. Der populistische Sogeffekt des Bundestagswahlkampfes wird dazu beitragen, daß seitens der SPD eine Einigung um nahezu jeden Preis angestrebt werden wird. Die Unionsparteien werden versuchen, aus verbreiteten Ablehnungseinstellungen innerhalb der deutschen Bevölkerung wahlpolitischen Nutzen zu ziehen. Nach bekanntem Muster werden die aus Massenarbeitslosigkeit und sozialer Unsicherheit herrührenden Ängste und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger vorurteils- und konkurrenzschürend gegen Einwanderung und Asyl instrumentalisiert.

Aus menschenrechtlicher Sicht gilt es festzuhalten, daß bereits der vorliegende grün angehauchte Gesetzentwurf inakzeptabel ist. Er steht in der Kontinuität der Flüchtlingsabwehr. Um so weniger wäre eine noch repressivere Fassung des ohnehin gescheiterten "Reformprojekts Einwanderungsgesellschaft" erträglich.

Schon der vorliegende Gesetzesentwurf der rot-grünen Regierung ist ein Skandal, der sich vor allem durch seine Unterlassungen auszeichnet. Insbesondere im Bereich der Flüchtlingspolitik - jedoch nicht nur dort - werden Verfahrensweisen fortgeführt, die alltäglich konkrete Menschenrechtsverletzungen im staatlichen Auftrage bedeuten:



Menschen werden interniert (Abschiebungshaft), ohne ein Verbrechen begangen zu haben, außer dem, die falsche Staatsangehörigkeit zu besitzen.



Die in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegten Rechte von Flüchtlingskindern werden massiv und bewußt verletzt.



Flüchtlingen wird nach den Maßgaben des Asylbewerberleistungsgesetzes eine geringere Menschenwürde beigemessen; sie werden in Heimen, von denen viele zutreffenderweise Lager genannt werden müssen, zwangskaserniert; sie werden durch die Versorgung mit Wertgutscheinen u.ä. stigmatisiert und diskriminiert; sie werden in ihrem Menschsein negiert, wenn ihnen sogar die Möglichkeit genommen wird, selbst zu bestimmen, wann sie was kochen, essen oder trinken möchten.



Daß die rot-grüne Regierung in diesem Zusammenhang so genannten Ausreiseeinrichtungen" eine rechtliche Grundlage gibt, stellt einen menschenrechtlichen Offenbarungseid dar. Die sprachliche Schönfärberei kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich bei diesen "Einrichtungen" um menschenrechts- und rechtsstaatswidrige "Lager" handelt, die keinen anderen Zweck verfolgen, als ihre Insassen durch eine möglichst inhumane Behandlung und stetig ausgeübten Druck aus dem Land zu ekeln.



Die willkürlich diskriminierende Beschränkung der Bewegungsfreiheit von schutzsuchenden Menschen (Residenzpflicht) wird unter Rot-Grün beibehalten und ausgeweitet.



Daß es auch weiterhin möglich und rechtens ist, in Deutschland geborene, aufgewachsene und sozialisierte Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft bei individuellem Fehlverhalten mit der zusätzlichen Strafe der Verbannung in ein ihnen zumeist fremdes Land zu belegen, zeugt von einem mittelalterlich zu nennenden Menschenbild. Auch in dem geplanten angeblich "modernen" Einwanderungsrecht spuken noch die Geister des antiquierten "Blutrechts".



Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten Europas und der Welt weigert sich die rot-grüne Bundesregierung, eine humanitäre Regelung für langjährig ohne Papiere in Deutschland Lebende (sans papiers) zu finden und zementiert damit den Status vieler rechtloser Menschen als moderne Sklaven.



Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten Europas und der Welt, weigert sich die rot-grüne Bundesregierung ebenfalls, eine humanitäre Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge zu beschließen, die hier über viele Jahre hinweg in einem völlig ungesicherten Aufenthaltsstatus leben. Unabhängig von dem Grad ihrer bereits erfolgten "Integration" sollen sie sogar nach über10 Jahren noch aus Deutschland herausgerissen und abgeschoben werden. Eine formalrechtliche Brutalität, die ihresgleichen sucht.



Die Ersetzung der bisherigen (völlig ungenügenden) Duldungsregelung durch bloße "Bescheinigungen" ist für eine große Mehrheit der in Deutschland lebenden de-facto-Flüchtlinge mit weiteren Verschlechterungen verbunden und wird noch mehr Menschen in den rechtlosen "Status" der "Illegalität" drängen.


Die wenigen tatsächlichen "Verbesserungen" des rot-grünen Gesetzentwurfs stellen bei näherer Betrachtung pure Selbstverständlichkeiten dar, die nicht mit den Unterlassungen und Verschlechterungen des Entwurfs aufgerechnet werden können:



Daß Integrationsmaßnahmen nunmehr rechtlich vorgesehen sind (allerdings nicht grundsätzlich, sondern nur für ausgewählte Gruppen), verweist eher darauf, daß in der Vergangenheit die Integration (der Begriff ist hochgradig erläuterungsbedürftig) von Nicht-Deutschen eben nicht unterstützt, d.h. systematisch und bewußt behindert wurde (in der Erwartung, die Fremden würden wieder gehen).



Daß geschlechtsspezifische und nichtstaatliche Verfolgungsgründe nunmehr bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) berücksichtigt werden sollen, entspricht nicht nur dem "gesunden Menschenverstand" (wie nicht zuletzt das Beispiel Afghanistan zeigte), sondern auch der mehrheitlichen Staatenpraxis und den dringlichen Forderungen z.B. des UNHCR, des "Hüters" der GFK.


Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, auf welcher rechtlichen Grundlage sich die deutsche Wirtschaft zukünftig mit Arbeitskräften aus dem Ausland versorgen wird: ob auf dem Verordnungswege wie bisher (vgl. Arbeitserlaubnis-Verordnungen für IT-Fachkräfte bzw. für private Hauspflegekräfte) oder auf der Grundlage eines scheinmenschenrechtlichen Einwanderungsgesetzes. Arbeitsmigration im Interesse der Bundesrepublik Deutschland hat es immer gegeben. Die dennoch jahrzehntelang regierungsamtlich gepflegte und in ihren Folgen fatale Realitätsverweigerung, Deutschland sei kein Einwanderungsland, kann nicht länger aufrecht gehalten werden.

Jedes Gesetz hingegen, und das ist dasEntscheidende, das Einwanderer und Asyl Suchende menschen- und grundrechtlich diskriminiert, ist abzulehnen.

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