Komitee für Grundrechte
und Demokratie



Kritik des Strafrechts und Gefangenenhilfe


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Kritik des Strafrechts und Gefangenenhilfe

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Petition an den Deutschen Bundestag

vorgelegt vom: Komitee für Grundrechte und Demokratie

"Wir fordern die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe. Art. 102 Grundgesetz ist dementsprechend zu ergänzen: Die Todesstrafe und die lebenslange Freiheitsstrafe sind abgeschafft."

Begründung:

Die lebenslange Freiheitsstrafe verstößt gegen Grund- und Menschenrechte, sie ist mit dem Grundsatz der Unantastbarkeit der Menschenwürde unvereinbar.

Die lebenslange Freiheitsstrafe verstößt gegen den Grundsatz derResozialisierung (Wiedereingliederung in die Gesellschaft), der für alle Straftäter im Strafvollzugsgesetz festgeschrieben ist. Sie setzt eine Person der völligen Perspektivlosigkeit aus und bestreitet Lern- und Wandlungsfähigkeit des Menschen.

Die lebenslange Freiheitsstrafe nützt nicht den Opfern. Ein geschehener Mord kann nie wiedergutgemacht werden. Die Situation, in der er geschah, kann nicht mehr zurückgeholt werden. Den hinterbliebenen Opfern nützt die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe gegen die Täter nicht. Vielmehr müßte der Staat ihnen gegenüber umfassende und unbürokratische materielle und psychosoziale Opferhilfe leisten.

Die lebenslange Freiheitsstrafe nützt der Gesellschaft nichts.Die angeblich präventive Wirkung durch Abschreckung ist nicht zu belegen. In Gesellschaften, in denen die lebenslange Freiheitsstrafe abgeschafft wurde, haben Tötungsdelikte nicht zugenommen. Der Maßstab für die Anerkennung des Lebens als höchstem Wert wird nicht durch Strafrecht vermittelt.

Alle langandauernden Freiheitsstrafen, insbesondere die lebenslange, schädigen dauerhaft die Täter. Folgen langer Haftzeiten sind Desozialisierung (Verlust sozialer Fähigkeiten), Vereinsamung, Isolation, psychische Beschädigungen, Verlust von Selbstwahrnehmung und Selbstvertrauen, Verlust des Selbstwertgefühls, Verlust von Handlungskompetenzen und Eigenverantwortung, Vernichtung jeder ökonomischen Perspektive.

Die lebenslange Freiheitsstrafe dient nicht der Aufarbeitung von Schuld. Schon im Prozeß wird der Täter indirekt gedrängt, die Tat zu leugnen oder umzudeuten, um dem Strafmaß Lebenslänglich" zu entkommen. Der Täter wird damit nicht zur Übernahme von Verantwortung für eine konkrete Schuld ermutigt. Die Möglichkeiten für eine Aufarbeitung der Tat und der Schuld werden eher verstellt als eröffnet.

Im Zusammenhang mit der Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, die immer im Fall des
 211 Strafgesetzbuch (Mord) verhängt werden muß, muß dieser  211 selbst neu formuliert werden. Er beschreibt als einziger Paragraph des Strafgesetzbuches den Täter und nicht die Tat und stilisiert so den Täter zu einer nicht mehr wandlungsfähigen Mörder-Persönlichkeit.

Außerdem sind die Tatmerkmale so zu fassen, daß es nicht mehr zu oft willkürlichen Verurteilungen einmal wegen Totschlags (Zeitstrafen) und einmal wegen Mordes (Lebenslänglich) bei nahezu gleichen Tatvorgängen kommen kann.

Die im Jahr 1982 eingeführte Vorschrift  57a des Strafgesetzbuches, der gemäß die lebenslange Freiheitsstrafe nach 15 Jahren unter bestimmten, sehr engen Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden kann, ist keine Lösung. Seitdem sind die durchschnittlichen Verbüßungsdauern - entgegen mancher Erwartungen - länger geworden. Zum einen wird die Haft bei Feststellung besonderer Schwere der Schuld", für die es kaum einheitliche Kriterien gibt, fortgesetzt. Gleiches gilt für den Fall einer negativen Gefährlichkeitsprognose, deren Erstellung wiederum klarer Kriterien entbehrt und die im Ergebnis oft höchst spekulativ ist. Zum anderen wird seit der Einführung des  57a StGB von der Gnadenmöglichkeit kaum noch Gebrauch gemacht. Jeder fünfte Lebenslängliche erlangt die Freiheit nie wieder.

Insgesamt ist das Gefüge der langandauernden Haftstrafen wegen ihrer negativen Folgeschäden neu zu ordnen. Bei vielen Straftaten kann aufGefängnisstrafen verzichtet werden.

Wo sie begründet belassen werden, dürfte das Strafmaß in keinem Fall zehn Jahre überschreiten.

Diese Petition wird von folgenden Organisationen unterstützt:

Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe e.V. (BAG-S); Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen, SprecherInnenrat; Bundesvorstand Bündnis 90/Die Grünen; Evangelische Konferenz für Gefängnisseelsorge in Deutschland; Gemeinschaft für Menschenrechte im Freistaat Sachsen (e.V.); Humanistische Union e.V.; Jungdemokraten/Junge Linke, Bundesverband; Jungsozialisten in der SPD, Bundesverband; Katholische Arbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe; Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.; Konferenz der katholischen Seelsorge bei den Justizvollzugsanstalten in der Bundesrepublik Deutschland; Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV); Sektion Rechtspsychologie im Bundesverband Deutscher Psychologen; Strafverteidigervereinigungen.



E-Mail: info@grundrechtekomitee.de
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