25 Jahre Tschernobyl

update:
28.04.2011


 voriger

 nächster

25 Jahre Tschernobyl

 Reden/Berichte/Kundgebungsbeiträge

Beitrag zur Anti-Atomdemonstration am Ostermontag 25.4.2011 in Philippsburg

Liebe Anti-Atom-Freundinnen, liebe Anti-Atom-Freunde!

Dr. Ullrich Lochmann



- Es gilt das gesprochene Wort -



Ich grüße Euch als Mitglied einer der Gruppen, die nach dem Super-GAU von Tschernobyl den geschädigten, Menschen beigestanden sind, in der Ukraine, Russland und Weißrussland. Sicher haben auch viele von Euch Kinder eingeladen, Medikamente und Geld gesammelt, Freunde dort besucht, und gehören zu den Gruppen, die seitdem unbeirrbar fordern: Schluss mit dem Atomspuk! (Wenn auch manchmal leise wegen dem nötigen Geldsammeln..) Meine Gruppe war und ist bis heute in Weißrussland engagiert. Wir haben die Menschen in den verstrahlten Zonen besucht, die deprimierten Kinder in den Schulen gesehen, die Statistiken mit den steigenden Zahlen für Schilddrüsenerkrankungen, wir haben am Bett von krebskranken Freunden gesessen und ihren Tod betrauert. Wir haben Psychiater und Sozialarbeiterinnen mobilisiert, weil in der Stadt unserer Partner, Mogilew eine Selbstmordepidemie ausgebrochen war.

Und wir beteiligen uns seit Jahren am Austausch von Erfahrungen für die Energiewende. Vor einem Jahr haben wir auch mit einem Fernsehteam hier in Philippsburg Aufnahmen gemacht und in der WAK Infos gesammelt, immer in der Hoffnung, wir könnten einen Beitrag leisten, in Weißrussland den Bau eines KKW noch zu verhindern. Bisher leider ohne Erfolg. Ihr wisst, wenn es dort eine so große Anti-Atom-Demo gäbe wie heute hier, würde sie sofort verjagt.

Damit sind wir nach der Solidarität beim zweiten Thema: bei dem langen Weg, der vor uns liegt. Ihr seid aus vielen Richtungen hierher gekommen. Das ist der Anfang. Es liegt ein langer Weg vor uns, den wir noch zu gehen haben. Was werden wir noch tun müssen angesichts der vielfältigen atomaren Bedrohungen? Partner in Japan schreiben uns, wie groß die Angst dort ist und wie sträflich das Land die Gefahren der AKWs unterschätzt hat. Unseres ja auch. Aber auch wenn heute oder morgen alle deutschen AKWs abgeschaltet sind - sie müssen Jahrzehnte weiter bewacht und bezahlt werden - nicht weniger teuer wie der Sarkophag in Tschernobyl. Was einmal mit dem Atom-Abfall werden soll, weiß bis jetzt auch noch keiner. Nur eines wissen und sagen wir ganz klar: Aufhören mit weiterer Atom-Müllproduktion!

(Evtl. können wir in Deutschland mit dem Abschalten weit kommen - aber glaubt jemand, die Atommächte würden je auf ihr Privileg verzichten, und auf die Meiler mit dem Nachschub für die Bomben? )

Was werden wir tun? Verhaltensforscher haben herausgefunden, dass Lebewesen drei Reaktionsweisen haben, wenn eine große Gefahr droht: Entweder fliehen. Oder sich tot stellen. Oder kämpfen. Was wählen wir? Ich bin sicher, Ihr denkt genauso, im Namen des Lebens, im Blick auf den Sieg über den Tod, der zu Ostern gefeiert wird: Lasst uns kämpfen! Lasst uns aufstehen wie die Menschen in arabischen Ländern - gegen lebensbedrohende Mächte aller Art!

Kämpfen ohne Waffen - Ostermarsch für den Frieden und für das Leben!

Wir wollen gegen das Verhängnis der atomaren Wolke antreten. Wir hoffen, dass wir jeden Tag mehr werden und dass wir durch jede Diskussion geschickter und durch jede Demo stärker und jede Info klüger werden. Die Medien helfen uns z.Zt. besser als je mit Berichten und Analysen. Die Parteien bewegen sich. Aber kämpfen müssen wir, die Basis, für uns und unsere Kinder und Enkel. Die Kinder machen ja auch schon mit - viele kamen zu den Ausstellungen "25 Jahre Tschernobyl".

Wir müssen kämpfen gegen das Vergessen. Schon nächste Woche, wenn der Jahrestag vorbei ist, wird es manche geben, die sagen: ich kann das Wort Tschernobyl nicht mehr hören. Schon heute sind die Meldungen über Fukushima an die 4. oder 5. Stelle gerückt. Unser Hirn verdrängt das Negative - aber wir müssen es überlisten, uns gegenseitig in Bewegung halten, indem wir die Energiewende täglich selbst vollziehen.

Wir müssen dafür kämpfen, das die Abschaffung der Atomenergie bei allen finanziellen und technischen Faktoren Priorität hat, immer an erster Stelle steht und stehen bleibt. Wenn im Körper eine große Krebsgefahr steckt, muss diese zuerst beseitigt werden, soweit es irgend geht, und alles andere kommt danach.

Die Politik versucht dies gerade zu begreifen und bastelt am Ausstieg. Aber immer noch gehemmt. Unsere Zuhörergruppe vorletzte Woche bei der Tschernobyl-Debatte im Bundestag war enttäuscht, dass keine gemeinsame Erklärung zustande kam. Dort fehlt noch eine Wende wie in BW.

Die Kirchen haben es begriffen, nachdem sie lange herumgeeiert sind: wer an einen Schöpfer glaubt, muss auch die Schöpfung erhalten helfen, zusammen mit allen anderen, die diese Erde lieben. Der amerikanische Autor Jonathan Schell sagt: " Tschernobyl und Fukushima erinnern uns daran, "dass wir es mit den fundamentalen Kräften des Universums zu tun haben... Wir spielen mit den Kräften des Kosmos, obwohl wir dafür weder weise ... genug sind."

Die Wissenschaft muss es begreifen. Die Forscher am KIT müssen es schnell selbst einsehen, dass nicht nur Kernspaltung sondern Kernfusion eine Sackgasse sind und sie müssen die Wende selbst wollen und betreiben - nicht nur dem Trend nachreden und heimlich auf andere Zeiten hoffen.

Und wir müssen unsere Nachbarn in der Welt höflich ansprechen. Nicht mit dem alten Unterton, am deutschen Wesen könne die Welt genesen. Sondern ganz kollegial als Zeitgenossen in der selben gefährdeten Zeit:

Fermez les parcs nucleaire, les amis. Immerhin, der Stadtrat von Straßburg hat mit allen Parteien bereits gefordert, Fessenheim zu schließen. Weiter so! Und an die Amerikaner und Engländer: Bury your Nuclear Bombs and Power Plants Und: Dorogije Drusja - Ssakritje Jadjernij Elektrostanzij !

Unterstützen wir, wo wir können, unsere Freunde in anderen Ländern, auch sie werden mehr.

Ich danke Euch und wünsche eine erfolgreiche Demonstration und einen großen österlichen Aufbruch!

Der Zeitzeugen aus der Ukraine, der Hubschrauber- Navigator Igor Pismenskij ist leider erkrankt und kann nicht unter uns sein. Aber sein Kollege aus dem selben Rettungsbatallion 721, Nikolaj Bondar, spricht heute drüben in Biblis. Er hat mich gestern abend angerufen und euch allen ganz herzliche freundschaftliche Grüße bestellt. Nikolai hatte damals die Hubschrauber mit Sand und Blei und Bor beladen, damit sie das Feuer zuschütten konnten. Und als es einigermaßen gelöscht war, sich aber nach unten durchfraß, hat er geholfen, das Wasser darunter abzupumpen, sonst wäre durch eine Wasserstoffexplosion alles vielfach schlimmer geworden.

Er ist heute strikt gegen Kernenergie und gratuliert uns zu der großen Bewegung, die ihm auch Mut für daheim macht.



E-Mail: ulochmann (at) web (Punkt) de
 voriger

 nächster




       


Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
        
Themen   FriedensForum Termine   AktuellesHome